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Kategorie: Film & Fernsehen
pro0Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. August 2021, Teil 5

Redaktion

Los Angeles (Weltexpresso) - Sowohl der Filmemacherin als auch dem Produktionsteam war klar, dass PROMISING YOUNG WOMAN nur dann funktionieren würde, wenn sie die richtige Schauspielerin für die Hauptrolle finden würden. „Protagonistinnen in Rachethrillern und vielleicht auch in romantischen Komödien, was unser Film ja auch ein Stück weit ist, erscheinen schnell klischeehaft“, sagt Fennell. „Ich wollte deshalb, dass Cassie wie jemand wirkt, den ich selbst kennen könnte. Sie ist ziemlich reserviert und zurückhaltend, zugleich aber unglaublich lustig, schräg und egoistisch. Mir war außerdem wichtig, dass sie attraktiv ist. Wie viele Frauen weiß Cassie ganz genau, wie man Normalität, Charme und Sinnlichkeit ausstrahlt, wenn es nötig ist. Insofern hat sie etwas von einer Venusfliegenfalle.“

Fennell war von Anfang an klar, wen sie für die Rolle besetzen wollte: Oscar®-Kandidatin Carey Mulligan, die sich seit ihrem Durchbruch im Coming-of-Age-Drama An Education von 2009 zu einer der angesehensten Schauspielerinnen ihrer Generation entwickelt hat. Aufgrund der fesselnden Darstellungen in Filmen wie Alles, was wir geben mussten, Drive, Shame oder aktuelleren Titeln wie Suffragette: Taten statt Worte, Mudbound und Wildlife war Fennell sicher, dass Mulligan die Heldin perfekt porträtieren würde. Eine Frau, die hart, aber dennoch verwundbar ist, die Apathie ausstrahlt und von Trauer gelähmt, zugleich aber emotional aufgewühlt ist.

Auch das Produktionsteam hielt Mulligan sofort für die perfekte Wahl. Ganz besonders gefiel ihnen die Idee, dass Fennells bissiges Drehbuch der Schauspielerin der Möglichkeit gab, sich dem Publikum von einer völlig neuen Seite zu präsentieren. „Die Zuschauer haben eine recht klare Vorstellung von den Rollen, die Carey Mulligan spielt. Uns gefiel die Idee, diese Erwartungen zu untergraben“, so McNamara. „Carey ist viel lustiger, als die Leute das vielleicht von ihr erwarten würden. Wir präsentieren im Film eine neue Seite von ihr.“

Mulligan war begeistert davon, die Rolle einer intelligenten jungen Frau zu spielen, die zugleich schwere Probleme mit sich herumträgt und doch dazu wahnsinnig komisch ist. „Bevor ich eine Rolle annehme, frage ich mich immer, ob ich mir auch jemand anderen darin vorstellen könnte. Ist das der Fall, dann tendiere ich eher dazu, die Figur nicht zu spielen“, sagt Mulligan. „Aber der Gedanke, dass jemand anderes Cassie spielen könnte, machte mich ängstlich und wütend zugleich. Als ich das Drehbuch zum ersten Mal las, hatte ich Angst vor der Rolle. Als ich Emerald kennenlernte, begann ich, Cassies Motivation besser zu verstehen. Sie machte immer wieder klar, dass sie gar nicht daran interessiert sei, einen düsteren Indie-Streifen zu drehen. Sie wollte einen Film machen, der den Leuten gefällt, der schön, visuell ansprechend und spannend ist. Am Ende unseres Treffens war mir klar, dass ich den Film machen möchte.“

Als Cassie liefert Mulligan eine Darstellung, wie man sie noch nie von ihr zuvor gesehen hat. Als wir Cassie im Film zum ersten Mal sehen, liegt sie ausgestreckt auf einer roten Lederbank in einem Nachtclub, Haare und Kleidung sind zerzaust, sie wirkt desorientiert, offensichtlich berauscht. Doch der Schein trügt: Die Rolle der wehrlosen betrunkenen Frau dient Cassie lediglich als Eröffnungsakt für ein riskantes Machtspiel mit den anwesenden Männern. Ein Spiel, das für sie zur persönlichen Obsession geworden ist.

Club-Gast Jerry (Adam Brody) und seine Kumpels sind sich einig: Für Frauen ist es höchst gefährlich, sich in der Öffentlichkeit so zu verhalten. Also will Jerry dafür sorgen, dass Cassie sicher nach Hause kommt. Doch sobald die beiden alleine im Taxi sitzen, ändert er seinen Plan und beschließt, Cassie stattdessen in seine Wohnung zu bringen. „Jerry ist Single und hält sich für einen Kavalier“, so Brody über Jerry. „Ein paar seiner Arbeitskollegen sind viel ungehobelter als er. Er hat das Gefühl, dass ihm in Sachen Ritterlichkeit und Klasse niemand etwas vormacht. Jerry sieht Cassie als schönes, aber fehlerhaftes Wesen, das er retten muss. Er glaubt, dass er sie aus einer misslichen Situation befreien kann.“

Obwohl Cassie viel zu betrunken zu sein scheint, um in irgendeine Form von sexueller Handlung einzuwilligen, flößt Jerry ihr einen weiteren Cocktail ein. Danach bringt er sie ins Schlafzimmer und beginnt, sie zu küssen und zu streicheln. Nun lässt Cassie die Bombe platzen und offenbart, dass sie die ganze Zeit über nüchtern war. Der schockierte Jerry wird zu einem weiteren Strich in Cassies Notizbuch, in dem sie ihre nächtlichen Rituale dokumentiert. Der vermeintliche Kavalier ist somit zum letzten ihrer Möchtegern-Liebhaber degradiert und hat nun allen Grund, seine Einstellung zu Frauen zu überdenken.

Bald darauf erleben wir, wie Cassie dem selbsternannten „netten Kerl“ Neil (Christopher MintzPlasse) eine ähnliche Behandlung zukommen lässt. Neils Versuche, Cassie zum Sex zu bewegen, führen zu einem unerwarteten Ergebnis. „Cassie geht nachts alleine aus, gibt vor, betrunken zu sein und lässt sich von Männern ‚retten‘“, sagt Mulligan. „Dabei gibt sie ihnen jedoch keinerlei Signale, die nahelegen würden, dass sie sexuell interessiert sein könnte. Sie wartet bis zu dem Moment, in dem die Männer ihre vermeintliche Notlage ausnutzen. Erst dann lässt sie erkennen, dass sie nüchtern ist und erteilt ihnen eine Lektion. Die Art und Weise, wie sie vorgeht, ist zwanghaft.“

Fennell weiter: „Was sie tut, ist tief in ihr verwurzelt. Es ist wie eine Sucht. Sie tut das, um sich besser zu fühlen. Dabei ist es ist viel gefährlicher für sie selbst als für die Menschen, denen sie eine Lektion erteilen will.“

Welche Befriedigung Cassie auch immer aus diesen Denkzetteln ziehen mag, an ihrer distanzierten Grundhaltung ändert das nichts. Ihren Zynismus trägt sie wie eine Rüstung. Sie scheint außerdem völlig zufrieden mit ihrem Aushilfsjob im Café zu sein und macht keine Anstalten, aus dem Haus ihrer Eltern auszuziehen, in dem sie noch immer ihr altes Kinderzimmer bewohnt. Hin und wieder betrachtet Cassie dort ein altes Foto, das sie und eine Freundin namens Nina zeigt. Diese, so erfahren wir, ist jedoch aus Cassies Leben verschwunden.

Ihre Mutter Susan und ihr Vater Stanley (die erfahrenen Charakterdarstellern Jennifer Coolidge und Clancy Brown) begreifen nicht, was mit ihrer einst so ehrgeizigen, lebenslustigen und liebenswürdigen Tochter geschehen ist. „Cassies Beziehung zu ihren Eltern ist völlig verändert und hat sich in etwas Düsteres verwandelt“, sagt Fennell. „Ihre Eltern lieben sie sehr, deswegen sind sie so besorgt. Sie bekommen zwar mit, dass sie die ganze Nacht wegbleibt, wissen aber nicht, was Sie genau tut. Sie fragen auch nicht danach. Im Haus herrscht eisige Stille."

Foto:
©Verleih

Info:
PROMISING YOUNG WOMAN
von Emerald Fennell, USA/GB 2020, 113 Min.
mit Carey Mulligan, Bo Burnham, Laverne Cox, Clancy Brown, Jennifer Coolidge, Alison Brie
Krimikomödie / Start: 19.08.2021

Abdruck aus dem Presseheft