ursulaSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. September 2021, Teil 3

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Gab es einen oder mehrere Aspekte, die Sie an der Rolle von Monika besonders gereizt hat?

Es ist gleichzeitig eine hochaktuelle und eine hochhistorische Geschichte, die immer wieder an die Oberfläche unserer Kultur- und Kunstgeschichte kommt. Mir fallen da GUESS WHO'S COMING TO DINNER, ROMEO UND JULIA, PRETTY WOMAN, GOD’S OWN COUNTRY oder DAS PIANO ein... Menschen mit unterschiedlichen persönlichen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Hintergründen versuchen, die Grenzen ihrer eigenen Konventionen zu durchbrechen, um zusammen zu sein und vielleicht sogar eigene neue Rahmen zu schaffen. Der Film, den Lisa Bierwirth über diese zwei aus so unterschiedlichen Welten stammenden Menschen erzählt, zeigt so eine Geschichte. An welchen Grenzen stoßen wir uns, an welchen sind wir durchlässig? Gleichzeitig ist die Liebesgeschichte zwischen Joseph und Monika, gerade durch die Tatsache, dass beide versuchen, Hautfarben außer Acht zu lassen, innig und erwachsen gezeichnet. Das hat mich von Anfang an in den Bann gezogen. Zudem gelingt der Regisseurin meisterlich zu zeigen, wie wir alle noch immer postkoloniale Opfer und Täter sind.


Monika steht mit beiden Beinen auf der Erde, ist in gewisser Weise aber auch eine Lebenskünstlerin. Kennen Sie diesen Typus Frau?

Alle Frauen müssen das sein: Wir alle changieren zwischen im Leben verhaftet sein und der Flucht. Fragen Sie jede Frau, die versucht Kinder, Familie, Arbeit und sich selbst unter einen Hut zu bringen. Monika besitzt eine Unabhängigkeit und einen klaren Blick auf viele Dinge. Doch für ihre Klarheit bezahlt sie auch mit einer großen Einsamkeit. Sie hat sich auch nicht genug nach der Decke gestreckt und den Zeitpunkt versäumt, sich aus ihrer gewohnten Situation herauszudenken. Und wie viele Frauen ist sie trotz ihres starken Auftretens in die Falle getappt, ihrem Chef zu sehr zuzuarbeiten. Die Begegnung mit Joseph reißt sie aus der Mitte ihres Lebens und ihr auch den Boden unter den Füßen weg: Die bis dahin so selbstsichere Frau fängt an zu wackeln. Das sind die Momente im Leben, die jede/r kennt, wenn das Herz plötzlich wieder offener, spannender wird - trotz der Verunsicherung.


In der Beziehung mit Joseph stößt Monika an Ihre Grenzen. Wo liegen die Schattenseiten der Figur?

Wir alle stoßen in der Liebe an unsere Grenzen. Die Frage ist ja eher, auf wie vielen Ebenen passieren uns diese Stöße und wie können wir das aushalten? In der einfachsten Liebe begegnen sich die Menschen auf der persönlichen Ebene. Aber Monika und Joseph bewegen sich gleichzeitig auf der persönlichen, der sozialen, der ökonomischen und kulturellen Ebene. Dann kommen noch die Einflüsse der Menschen von außen und die Ebenen der Zeiten dazu: Wer bringt welche Erfahrung mit? In der Liebe gibt es nur ein "Ganz oder gar nicht“. Wenn sie dann aber auf so vielen Ebenen passiert, dann kann sie beängstigend sein, weil sie so viele Grenzen gleichzeitig anfasst und überschreitet.


Der Film nimmt eine binationale Beziehung in den Fokus und zeigt auch auf, wie sich die Fallstricke postkolonialer Strukturen in einer europäisch-afrikanischen Beziehung widerspiegeln können. Gab es in diesem Kontext besonders emotionale Momente während des Drehens?

Sie sind ja nicht nur binational, sie sind auch bikulturell, bisozial, biökonomisch und damit in ständigen Übersetzungsprozessen. Ich hatte oft eine Scham über die Gewalt, die Menschen sich gegenseitig angetan haben und immer noch antun. Ich habe sehr viel gelernt in dieser Zeit, auch wie Gewalt gegen Menschen gerade in den Übersetzungsprozessen passiert.


Wie kam es dazu, dass Sie, eine der bekanntesten Schauspielerinnen in Österreich, für diesen Film engagiert wurden?

Ich war bei einem Casting für einen sehr schönen Film in der Endrunde. Ich habe die Rolle nicht bekommen. Aber die Casting-Kamera an diesem Tag hat Lisa Bierwirth gemacht. Zwei Jahre später hat sie mich dann kontaktiert und mir das Drehbuch geschickt. Alles hat – auch wenn es einem nicht sofort klar ist – seinen Sinn.


Wie war die Zusammenarbeit mit Regisseurin Lisa Bierwirth?

Großartig. Sie ist bewundernswert klug und klar. Eine unheimlich leidenschaftliche Frau, die ganz genau weiß, was sie will und sehr hart und präzise arbeitet. Alles Umstände, die ich sehr schätze. Ich mag Menschen, die exakt arbeiten. Denn damit zollen sie ihrer Arbeit und den daran beteiligten Menschen Respekt, ebenso den Menschen, für die sie die Arbeit machen. Sie hat eine unglaubliche Power. Ich bin ein großer Lisa Bierwirth-Fan.


Wie fühlte es sich an, eine Frau zu spielen, die von der Mutter von Regisseurin Bierwirth inspiriert ist?

Ich wusste es nicht. Lisa ist nicht auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich ihre Mutter spielen will. Ich habe das erst recht spät mitbekommen. Das war kein großes Thema für uns, weder für Lisa noch für mich. Es ist kein biografischer Film. Eher angeregt von den Leben von Menschen, die Grenzen überschreiten, um mit anderen Menschen zusammen zu sein. Ihre Mutter ist so ein Mensch. Ich habe sie auch kennengelernt und finde sie toll. Aber beim Spielen oder Erarbeiten der Figur habe ich nicht über sie nachgedacht.


Und wie verlief die Zusammenarbeit mit dem internationalen Team?

Sie waren alle toll. Es war sehr intensiv, aber letztendlich trotz einiger Sprachschwierigkeiten unkompliziert. Alle haben voller Energie und Glauben an der Geschichte gearbeitet. Mit Passi Balende hatte ich einen wunderbaren Partner an meiner Seite. Es war eine sehr konzentrierte Zeit, die ich nicht missen möchte und eine große Bereicherung, so viele Menschen und ihre Geschichten kennenzulernen.

Sie können eine große Bandbreite an markanten Frauenrollen sowohl auf der Bühne wie beim Film vorweisen, darunter auch als höchst unkonventionelle Kommissarin in der Serie „Schnell ermittelt“, und zuletzt als die im historischen Kontext ebenso unkonventionelle Kaiserin Maria Theresia. Welche Frauenfigur, die Sie bisher verkörperten, ist Ihnen die liebsten?

Ich bin keine Freundin von "Beliebtheitsrankings“ in persönlichen Beziehungen. Das gleiche gilt auch für Rollen. Charaktere, die ich spiele, auf die ich mich einlasse, sind etwas sehr Persönliches und sie sind alle irgendwie ein Teil von mir. Wie eine gute Freundin, der man die Hand gibt. Da fällt es mir schwer, die eine lieber als sie andere zu haben.

Fotos:
© Verleih

Info:
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Genre: Drama
Laufzeit: 125 Minuten
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Lingala

Stab
Regie: Lisa Bierwirth
Buch: Hannes Held, Lisa Bierwirth
Produzent*innen: Jonas Dornbach, Janine Jackowski und Maren Ade (Komplizen Film)

Besetzung
Ursula Strauss, Passi Balende, Nsumbo Tango Samuel, Victoria Trauttmansdorff, Alex Brendemühl, Hanns Zischler, Douglas Gordon, u.v.m.

Abdruck aus dem Presseheft