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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2021 11 10 um 18.15.20Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom Donnerstag,11. November 2021, Teil 1

Jakob Zapf

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Am Anfang meiner Arbeit an diesem Film stand für mich eine sehr persönliche Frage: Wieso ist unsere Gesellschaft mit den Themen Flucht und Vertreibung weiterhin so überfordert, als wären sie völlig neu? Es gibt hier in Deutschland doch viele, besonders ältere Menschen, die selbst Krieg, Flucht und Vertreibung erlebt haben und die seit Jahrzehnten hier wohnen. Von Menschen, die im Dritten Reich als jüdisch, Rom:nja oder als andere Gruppe markiert und verfolgt wurden, über die vielen Sudetendeutschen sowie andere Vertriebene bis hin zu Personen mit Flucht- und Vertreibungsgeschichten aus Franco-Spanien, Junta-Griechenland, DDR-Deutschland und so weiter.

Diese Menschen teilen Erfahrungen mit jenen neu hier angekommenen Menschen, an deren Anwesenheit sich die Geister scheiden und das wohl noch bis weit in die Zukunft hinein tun werden.

Ob wir es wollen oder nicht: Die Zukunft in diesem Land, auf diesem Kontinent, die wird es nur gemeinsam geben. Gemeinsam werden wir sie suchen, diskutieren und gestalten – ein Thema für die nächsten Jahre und Jahrzehnte, ein Generationenthema. Deshalb erzählt der Film EINE HANDVOLL WASSER von zwei Generationen, mit zwei verschiedenen Flucht-Erfahrungen und Hintergründen.

Wenn ich über den alten Konrad spreche, ist er eine mir sehr vertraute Figur. Jemand, der stark von meinen persönlichen Erfahrungen, von meiner Familie und meinen Großeltern inspiriert ist.

Thurba ist noch ein Kind. Ich fühle mich ihr sehr nahe und kann ihren Drang gut verstehen, weniger ein Mädchen und mehr ein Junge zu sein, weil das ihre Welt vielleicht etwas einfacher machen würde. Die wenigen Informationen, die sie uns über ihre Vergangenheit verrät, zeigen eine Härte der Umstände, die der alte Konrad vielleicht nie erlebt hat. Ich glaube, das ist es, was ihm langsam zu schaffen macht: dass er in ihr Parallelen zu sich selbst sieht, aber erkennt, dass er solch eine Situation niemals ertragen musste.

Migration ist ein Akt der Würde, hat Homi Bhabha gesagt. Und er hatte Recht. Sie ist ein Akt der selbstbestimmten Schicksalsveränderung, den wir alle unter bestimmten Bedingungen gehen würden. Wir sind alle unterschiedlich und unsere Lebensumstände bringen uns manchmal in eine fast antagonistische Position zueinander. Diese Unterschiede, mit den damit einhergehenden Ängsten, müssen wir verstehen und – so gut es geht – abfedern.

Dabei dürfen wir nie vergessen: Wir leben alle auf dieser Welt und es ist eine einzige, unsere kollektive Geschichte, die wir erzählen. Es gibt nicht die Toten auf dem Meer auf der einen Seite und die alten Kriegsgeschichten auf der anderen. Die Lebenden tragen die Toten immer in sich, jeder hat seine eigene Reise zu machen und jeder nimmt etwas vom anderen mit, wenn er geht.


BIOGRAFIE UND FIILMOGRAFIE VON REGISSEUR JAKOB ZAPF

Jakob Zapf ist Autor, Regisseur und Produzent in Frankfurt am Main. Er studierte Theater, Film- und Medienwissenschaften, Philosophie und Kunstgeschichte in unterschiedlichen Ländern. Jakob Zapfs vorangegangene Kurzfilme und Werbeproduktionen liefen im Fernsehen und wurden auf internationalen Festivals gezeigt und ausgezeichnet, darunter Montréal World FF, Durban IFF, Hof IFF, Grenoble, Cinequest und viele weitere. EINE HANDVOLL WASSER ist sein Spielfilmdebüt.


FESTIVALS UND PREISE (AUSWAHL)
2020 54. Internationale Hofer Filmtage
2021 21. Cinequest Film & Creativity Festival – Nomination Global Landscapes Awards
2021 14. LICHTER Filmfest – Regionaler Langfilm-Wettbewerb
2021 Buenos Aires International Film Festival – Official Selection
2021 Social World Film Festival – Special Mention for Milena Pribak
2021 Osaka International Filmfestival – Official Selection
2021 Madrid International Film Festival
2021 17. Festival des deutschen Films Ludwigshafen am Rhein
2021 31. Internationales Filmfest Emden Norderney

Fotos:
©Verleih

Info:
Darsteller 
Jürgen Prochnow  (Konrad)
Milena Pribak.       (Thurba)
Pegah Ferydoni    (Thurbas Mutter – Amal)
Anja Schiffel          (Ingrid)
Anke Sevenich      (Polizistin)

Regie: Jakob Zapf
Buch: Marcus Seibert, Ashu B.A., Jakob Zapf
Kamera: Tristan Chenais

Abdruck aus dem Presseheft