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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2021 11 25 um 01.37.05Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. November 2021, Teil 1

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Diese Berater sind THIERRY CHARRIER und JEAN-CHARLES KARMANN. Erzählen Sie uns von Ihrem ersten Treffen mit Éric Besnard... 

Thierry Charrier: Éric und ich haben einen gemeinsamen Freund, bei dem wir uns eines Abends beim Dinner begegnet sind. Ich habe gekocht, er liebte das Essen und wir freundeten uns an. Danach hatte er mir von seinem Projekt erzählt und mich gefragt, ob ich ihn bei den kulinarischen Fragen des Films beraten wolle. Éric hatte sehr genaue Vorstellungen davon, was er wollte, aber er wollte auch sicher gehen, dass diese technisch umsetzbar waren und vor allem auch, dass sie der historischen Realität entsprachen. Ich war sofort dabei. Aber wegen meiner Arbeit am Quai d‘Orsay (Thierry Charrier ist Küchenchef im Quai d‘Orsay) war es für mich unmöglich, mich allein ins Abenteuer zu stürzen. Ich bat Charles Karmann, mir dabei zur Seite zu stehen.


Was war die erste Etappe Ihrer Zusammenarbeit?

Thierry Charrier: Jean-Charles und ich waren im gewissen Sinne die Garanten für die gastronomische Seite des Films. Wir stürzten uns in die Recherche in den Bibliotheken und wir lasen alles über die Geschichte der Küche dieser Epoche. Alle unsere Rezepte sollten Originale aus der Zeit sein.

Jean-Charles Karmann: Es war uns wichtig, dass die Gerichte, die wir vorbereiten wollten, nicht nur dasselbe Aussehen, sondern auch die gleiche Konsistenz, den gleichen Geschmack hatten. Wir empfanden eine Verantwortung gegenüber dem Regisseur, aber auch eine Verantwortung gegenüber unseren Lehrmeistern.


Was war Ihr erster Schritt?

Thierry Charrier: Die Köstlichkeit natürlich! Am Anfang hatte uns Éric gefragt, ob wir ihn auf der Grundlage von Blätterteig herstellen könnten. Aber zu dieser Zeit war der Blätterteig kaum bekannt. Man kochte damals nicht mit Butter, sondern mit Schmalz und das einzige Volk, das einen Blätterteig machte – das israelische Volk – stellte ihn auf der Basis von Olivenöl her.

Jean-Charles Karmann: Wir machten die Köstlichkeit aus Püree, mit Kartoffeln in Stücken, in Scheiben, gebraten, kandiert. Wir haben alle möglichen Formen probiert, Kreise, Quadrate, Dreiecke, als Tasche, als Ravioli und fanden schließlich am Ende ein Resultat, das zusammenhielt und sich Érics Vision annäherte.


Ihr habt Grégory Gadebois und Isabelle Carré gecoacht. Wie lief ihre Lehre ab?

Thierry Charrier: Grégory hat sich als sehr aufmerksamer Lehrling erwiesen. Er entdeckte die Küche, das interessierte ihn und ich hatte den Eindruck, dass er alles aufaß, was er vorbereitete. Wir haben wunderbare Momente mit ihm erlebt. Er hat gelernt, mit Mehl zu arbeiten, er hat Brot gebacken und mit uns geteilt – eine sehr symbolische Geste für mich! Er wiederholte zu Hause, was wir ihm beigebracht hatten und rief uns an, um uns am Resultat Teil haben zu lassen. Er war wirklich sehr engagiert.

Jean-Charles Karmann: Isabelle hatte uns am Anfang etwas geschockt: Wir sind im Quai d‘Orsay, wir machen uns mit ihr an die Zubereitung der Köstlichkeit, wir beginnen damit, die Kartoffeln zu schälen. Und wir sehen, wie Isabelle ihre Kartoffel weit von sich weg hält. ‚Was ist los, Isabelle?‘, fragen wir sie. ‚Magst du diese Kartoffel nicht?‘ Und sie antwortet, dass sie noch nie bei sich zu Hause gekocht habe, dass dies ihr Mann immer mache. Wir wurden sehr nervös. Aber Éric beruhigte uns: ‚In dem Moment, in dem die Klappe fällt, wird sie es können.‘ Und so war es dann auch.


Erzählen Sie uns vom Dreh...

Thierry Charrier: Einer von uns musste immer vor Ort sein. Einmal, um die Gerichte herzustellen, und dann, um am Set auf historische Korrektheit zu achten. Im Trubel der Aktion konnten die Schauspieler, die Techniker und selbst der Regisseur bestimmte Dinge vergessen. Wir hatten immer alles im Blick.

Jean-Charles Karmann: An manchen Tagen mussten wir 30 bis 40 Köstlichkeiten herstellen. Manchmal genügte nicht einmal das. Schnell, schnell mussten weitere zubereitet werden. Einige wurden ohne Gluten gemacht, Presseheft À LA CARTE! 16 weil es Schauspieler gab, die dies nicht vertrugen. Eine weitere Schwierigkeit, so die gleiche Festigkeit zu erhalten, selbst die Farbe... Alles in allem haben wir 250 Köstlichkeiten fabriziert!


Die Figur Manceron hat einen Schlüsselmoment: Indem er sein Restaurant öffnet, bietet er dem Volk die Möglichkeit an, das Essen zu teilen.

Thierry Charrier: Bis dahin teilten die Leute nicht viel mehr als Suppen! Allein der Adel und einige Vertreter des Großbürgertums hatten das Privileg, sich gemeinsam zu einem Mahl zusammenzufinden. Dies waren luxuriöse Menüs, feudal, mit mehr als 20 oder 30 Speisen, nur dazu geschaffen, den Reichtum der einladenden Mächtigen zu bezeugen und in denen die Leute nur herumstocherten.


Manceron ist Teil eines sehr aktuellen Diskurses: Er will nur regionale Produkte verwenden und weigert sich, mit Gewürzen aus fernen Ländern zu kochen.

Thierry Charrier: Ja, das ist wirklich erstaunlich. Viele von uns versuchen, mit regionalen und lokalen Händlern zusammenzuarbeiten. Man besinnt sich darauf, dass man Bauernhöfe in der Nähe hat, Leute, die gutes Geflügel haben, andere machen gutes Fleisch. Und das ist eine ehrliche Sache. Die Zeit, in der man das ganze Jahr Erdbeeren anbot, ist vorbei.


Kommen wir auf die Köstlichkeit zurück. Können Sie uns beibringen, wie man sie im 18. Jahrhundert zubereitete?

Thierry Charrier: Das Rezept, streng nach den Normen der damaligen Zeit, ist ein wenig schwer, ein bisschen wie „Kleister“. Ich erinnere mich an die enthusiastische Ungeduld einer Schauspielerin, die eine Küchenhilfe des Meisters spielt. ‚Warte‘, habe ich ihr gesagt: ‚Trink vorher Wasser.‘ Am Ende von zwölf Takes hatte sie es nicht mehr so eilig gehabt, sie zu essen. Wenn man die Köstlichkeit unserem Geschmack von heute etwas anpasst, war unsere große Sorge, wie man das Gleichgewicht bewahren könnte zwischen der Realität eines Rezeptes, das aus dem 18. Jahrhundert stammt, und dem visuellen Aspekt des Gerichtes. Für unseren heutigen Geschmack musste es vor allem leichter werden.


Foto:
©Verleih

Info:
À la Carte! - Freiheit geht durch den Magen (Frankreich 2021)
 Genre: Tragikomödie, Französische Revolution, Kochen
Filmlänge: ca. 112 Min.
Regie: Éric Besnard
Drehbuch: Éric Besnard, Nicolas Boukhrief
Darsteller: Grégory Gadebois, Isabelle Carré, Benjamin Lavernhe, Guillaume de Tonquédec, Christian Bouillette, Lorenzo Lefèbvre u.a.

Abdruck aus dem Presseheft