Drucken
Kategorie: Film & Fernsehen
Lost Leonardo1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. Dezember 2021, Teil 4

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - 2005 tauchte auf einer Auktion in New Orleans ein stark beschädigtes 66x46 cm Ölbild gemalt auf einem Walnuss-Holzrahmen auf, das den Kunstdetektiv Alexander Parish sehr interessiert hat. Deshalb setzt er sich mit dem Kunsthändler Robert Simon in Verbindung. Sie kaufen das Bild für 1175 US Dollar.

Simon vermutet, dass es sich um ein Gemälde mit dem Namen "Salvator Mundi" aus der Zeit um 1500 - möglicherweise aus dem Umkreis von Leonardo da Vinci - handelt, denn es gibt mehrere bekannte Kopien und Variationen des Werkes, in denen Christus zum Teil nicht wie in diesem Bild eine Glaskugel, sondern andere Gegenstände in der Hand hält.

Robert Simon lässt das Bild von einer der führenden Experten für Kunstkonservierung Dianne Modestini restaurieren. Sie entdeckt unter dem dicken Firnis von mehreren recht schlechten Restaurierungen meisterhafte Pinselstriche der Renaissance. Dazu kommt, dass weitere Untersuchungen zeigen, dass das Bild um 1510 gemalt wurde. Modestini arbeitet an dem Bild zwischen 2005 und 2017 und gelangt zu der Überzeugung, dass das Gemälde nicht nur aus der Schule von Leonardo Da Vinci stammen könnte, sondern vom Meister selbst gemalt worden sei.

Das wäre eine riesengroße Sensation, denn weltweit gibt es nur 15 Bilder (die sich alle in Museen befinden), die da Vinci ohne Zweifel zugeschrieben werden können und nicht von einem seiner Schüler stammen.

Jetzt treten die Gemäldeexperten auf dem Plan und vermuten mehrheitlich, dass der Salvator Mundi wirklich ganz vom Meister selbst gemalt worden ist, dazu wurden auch bekannte Vorskizzen zu Rate gezogen.

Seit 2012 wurde das Gemälde einigen Museen angeboten, u.a. auch Bernd Lindemann, dem damaligen Direktor der Gemäldegalerie in Berlin, der lehnte den Kauf aber aufgrund des schlechten Zustands des Gemäldes und seiner ungeklärten Zuschreibungsfrage ab.

Nachdem das Werk 2012 im Dallas Museum of Art gezeigt wurde, wurde es durch die Vermittlung von Sotherby's 2013 für 80 Mill. Dollar an den Schweizer Kunsthändler Yves Bouvier verkauft, der es noch im gleichen Jahr für 127,5 Mill. Dollar - neben anderen erstklassischen Gemälden - an den Russischen Milliardär Dmitri Jewgenjewitsch Rybolowlew verkauft hat.

Damit wäre der Salvator Mundi das einzige Leonardo Bild in privater Hand. Doch mit dieser Preissteigerung mehren sich auch die Kritiker, die das Bild zwar in den Umkreis und evtl. sogar der Schule Leonardos zuordnen. Sie sind aber nicht sicher, ob das gesamte Bild wirklich vom Meister selbst stammt, oder ob er nur Korrekturen und Vorzeichnungen gemacht hat.

2017 wollte Rybolowlew über Christie's in New York das Ölgemälde wieder verkaufen, Dazu wurde das Bild weltweit in einigen ausgewählten Städten ausgestellt, um dann im Dezember 2017 für 450 Millionen versteigert zu werden. Damit wurde der Salvator Mundi das teuerste Gemälde der Welt.

Nach einigem Hin und Her wurde bekannt, dass das Bild vom saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman gekauft worden sei, der es auf seiner Luxusjacht wohl einigen Freunden gezeigt hätte. Es sollte im Rahmen der Louvre Ausstellung zum 500. Todestag von Leonardo da Vinci im Oktober 2019 gezeigt werden, allerdings wurde es kurzfristig wieder zurückgezogen, weil die Ausstellungsmacher nicht bereit waren, es direkt neben die Mona Lisa zu hängen. Es wurde letztendlich nur die "Version Ganay", benannt nach dem früheren Besitzer, dem Marquis de Ganay, ausgestellt unter der Bezeichnung "Atelier Léonard de Vinci".

Eine kleines Heft zum Bild sollte passend zur Ausstellung veröffentlicht werden, es wurde aber kurzfristig vom Louvre wieder zurückgezogen, da das Museum nur Expertisen zu Bildern veröffentlicht, die auch dort gezeigt werden. Allerdings waren wohl schon einige Exemplare verkauft worden. Darin soll wohl vermutet worden sein, dass das Bild ein echter Leonardo da Vinci sein könnte...


Lost Leonardo2"The Lost Leonardo" ist eine spannende Dokumentation des dänischen Regisseurs Andreas Koefoed nach einem Drehbuch von ihm zusammen mit Andreas Dalsgaard und Christian Kirk Muff. Koefoed konnte in seinem Film einige der wichtigsten beteiligten Personen zu Wort kommen lassen, dabei enthüllt er, dass es in dem Bereich der bildenden Kunst sowohl bei den Institutionen, die Kunst verkaufen, als auch bei den reichen Menschen, die Kunst kaufen, nur ums Geld und ums Prestige geht, die Kunstwerke selbst sind Nebensache.

Der Regisseur hat dabei nur auf die Zeit zwischen dem Ankauf des Bildes durch das Konsortium (Alexander Parish, Robert Simon und der Kunsthändler Warren Adelson) 2005 und der Ausstellung im Louvre 2019 verfolgt. Welche Stationen und welche Geschichte das Bild die 500 Jahre vorher erlebt hat, wurde nicht behandelt. Ihn interessierte vor allem die Zeit seit 2005 und wieso ein Bild, dessen Zuschreibung zu Leonardo da Vinci umstritten ist, zum teuersten Kunstwerk der Welt werden konnte.

Der Film ist dabei in drei Kapitel gegliedert und zwar: "Das Kunstspiel", "Das Geldspiel" und "Das globale Spiel". Er unterhält sich dabei sowohl mit da Vinci-Experten, Kunsthändlern, Journalisten, einigen der Käufer und Verkäufer als auch mit Dianne Modestini als Restauratorin des Salvator Mundi.

Die Interviewten haben sich alle über mehrere Jahre intensiv mit dem Werk befasst. Dabei zeigt sich, dass es immer dringlicher wurde, sich Klarheit zu verschaffen, ob was Bild wirklich ein "echter" Leonardo ist, aus seiner Schule stammt, er also Verbesserungen an dem Bild vorgenommen hat, ob es "nur" aus seiner Werkstatt stammt oder ob es von einem seiner Schüler gemalt worden ist.

Viele der Kunsthändler und Kritiker sind vorsichtig mit ihrer Aussage über die Echtheit des Bildes, als größter Kritiker hat sich im Film der amerikanische Pulitzer-Preis Preisträger und Kunstkritiker Jerry Saltz erwiesen, der auch am stärksten die augenblickliche Kunstszene kritisiert hat.

Am Ende wurde das Bild sogar ein Politikum, da der augenblickliche Besitzer, der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman, der durch den Fall Kashoggi zu unrühmlicher Berühmtheit gekommen war, den Salvator Mundi unbedingt in der Louvre-Ausstellung zum 500 Todestags Leonardos im gleichen Raum wie die Mona Lisa hängen haben wollte. Er wurde sogar beim französischen Staatspräsidenten vorstellig, damit der Einfluss auf die Mitarbeiter des Louvre nehmen soll. Hätte der Prinz Erfolg gehabt, hätte dies dem Gemälde den Stempel der Authentizität verliehen. Allerdings haben sich die Ausstellungsmacher des Louvre nicht erpressen lassen. Seit dieser Zeit hat niemand mehr das Gemälde gesehen, so dass auch niemand mehr die Frage abschließend beantworten kann, ob es sich bei Salvator Mundi um ein allein von Leonardo gemaltes Bild handelt.

Der Dokumentarfilm wird im Kino in der englischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln gezeigt werden.

Lost Leonardo3Insgesamt ist "The Lost Leonardo" eine hervorragend strukturierte Dokumentation, bei der der Zuschauer sowohl in die künstlerische Ebene als auch in die wirtschaftliche Debatte eingeführt wird. Dabei ist der Film nicht nur für Kunst affine Menschen, sondern auch für Zuschauer, die sich eigentlich nicht allzu viel aus Gemälden machen, spannend anzusehen, denn letztendlich ist das Kunstwerk selbst nur Nebensache. Das macht den ungemein faszinierenden Film unbedingt sehenswert.

Zusatz: Neben dem hier besprochenen Film ist 2021 noch eine weitere Dokumentation zur Geschichte des Bildes erschienen und zwar "Der letzte Da Vinci - Das teuerste Kunstwerk der Welt" (Salvator Mundi: la stupéfiante affaire du dernier Vinci) des französischen Filmemachers Antoine Vitkine. Dieser Film wurde am Sa. 27.11.2021 bei 3 SAT gezeigt und ist noch bis zum 26.01.2022 in der ZDF-Mediathek zu sehen. Die beiden Filme ergänzen sich hervorragend.

Foto 1: Das Bild "Salvator Mundi" © Piece of Magic Entertainment
Foto 2: Das Konsorium Robert Simon, Alexander Parish und Warren Adelson © Piece of Magic Entertainment
Foto 3: Die Restauratorin Dianne Modestini © Piece of Magic Entertainment

Info:
The Lost Leonardo (Frankreich, Dänemark, Schweden, Norwegen 2021)
Originaltitel: The Lost Leonardo
Genre: Dokumentarfilm
Filmlänge: ca. 100 Min.
Regie: Andreas Koefoed
Drehbuch: Andreas Dalsgaard, Christian Kirk Muff, Andreas Koefoed
Mitwirkende: Dianne Modestini, Robert Simon, Alexander Parish,Warren Adelson, Yves Bouvier, Luke Syson, Martin Kemp, Maria Teresa Fiorio, Frank Zöllner, Jacques Franck, Evan Beard, Georgina Adam, Bradley Hope, Alexandra Bregman, Kenny Schachter, Jerry Saltz, Stéphane Lacroix, Alison Cole, Antoine Harari, David Kirkpatrick, Robert K. Wittman, Doug Patteson, Bruce Lamarche, Didier Rykner, Bernd Lindemann u.a.
Verleih: Piece of Magic Entertainment
Vertrieb: Die Filmagentinnen
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 23.12.2021