burgSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. Januar 2022, Teil 17

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Schon wieder muß ich sagen: die Franzosen können es einfach! Nämlich Filme drehen, die ohne seicht zu sein, mitten aus dem Leben kommen und von ganz normalen Leuten berichten, ohne Schmus, ohne Peinlichkeiten, aber mit Herz. Hinzu kommt, daß immer stärker auch das Leben auf dem Land eine Rolle spielt.

In diesem Fall besonders. Denn sie hat die Wissenschaft vor Augen, die gerade diplomierte Veterinärmedizinerin Alex (Noémie Schmidt) und will Richtung Mikrobiologie im weißen Kittel mit sehr gutem Gehalt an der Universität oder den Statuslaboren forschen, mit allen kulturellen Vorzügen, die Paris bietet. Und da...aber zuvor ein kurzer Blick auf den Beruf des Tierarztes, den man mit ihrer Ausbildung auch ausüben kann. Tatsächlich gibt es nur wenig Professionen, die eine derartige Bandbreite an Möglichkeiten bieten. Selbst ich kenne einen, der als Vertreter für eine französische Pharmafirma sehr viel Geld verdient, sogar in Coronazeiten von zu Hause aus arbeiten kann...aber wir Städte- und Landbewohner, die wir Kleintiere als Lebensgefährten halten – besser: diese uns - , was wären wir ohne Tierärzte, ohne die Katzenkliniken etc. Und die Landwirtschaft, hier die Viehwirtschaft, kommt ohne Tierärzte schon gar nicht aus.Und das ist durchaus sehr blutige, auch schwere Arbeit. Insofern besteht eigentlich ein gesellschaftlicher Druck auf abgehende Hochschulabsolventen, praktizierender Tierarzt zu werden.

Im Falle von Alex kommt der Druck allerdings von Onkel Michel (Michel Jonasz), der zusammen mit Kollegen Nicolas, genannt Nico (Clovis Cornillac), eine Tierarztpraxis in der schroffen Berggegend Morvan/Burgund führt und nun so krank ist, daß er die Nichte, die ja gerade fertig mit der Ausbildung ist und gut Praxis vertragen kann, zudem von hier stammt, um Vertretung bittet, was sie auch den Sommer über machen will. Onkel Michel serviert dicke Lügen, wie auch der Titel der Tierärztin im Burgund eher an den Wein denken läßt und nicht an das Ende der zivilisierten Welt. Er hat einfach genug, der Onkel, und als sich die Nichte auf die Vertretung einläßt, will er sich heimlich auf den Weg nach Übersee machen, um endlich mal fremde, ferne Länder zu sehen und keine Ställe.

Was nun die frischgebackene Ärztin den Landeiern zumutet, ist allerhand, denn sie hat keine Lust, diesen um den Mund zu reden, sondern sie sorgt für die Tiere, diagnostiziert, verarztet, verschreibt Medikamente, die Leute selbst sind ihr egal. Eigentlich eine gute Eigenschaft für eine Tierärztin, die Tiere in den Mittelpunkt zu stellen. Nur bezahlen die nicht die Rechnung, sondern deren Menschen, weshalb Nico von Alex bessere, höflichere Umgangsformen erwartet. Empathie für gestreßte Herrchen und Frauchen oder die Vierwirte.

Warum der Film ansehenswert ist, liegt nicht an den Menschen, es sind die Untersuchungen der Tiere, die uns begeistern, weil wir eine Menge von Exemplaren erleben, die in der Großstadt – außer im Zoo! - nicht anzutreffen sind. Und natürlich gibt es auch eine richtige Geburt eines Kälbchens, das muß schon sein, aber nicht nur große Tiere, auch Schildkröten haben die Ärztin nötig, die sich wirklich nicht über Monotonie bei ihrer Arbeit beklagen kann. Sie lernt die Vielfalt auch schätzen und wir müssen gar nicht über das Ende des Films spekulieren, eher darüber, weshalb wir in Frankreich in letzter Zeit ähnliche, ebenfalls in der Provinz verwurzelte Filme sehen konnten, die in Frankreich zudem auch richtige Kinoerfolge sind, in die Millionen strömen. So gab es – auch in deutschen Kinos – einen hinreißenden Film um einen Menschendoktor: „Ein Dorf zieht Blank“ und einen weiteren: „Der Landarzt von Chaussy“.

Es ist offensichtlich, daß Filme hier gesellschaftspolitische Funktion übernehmen. Ob die Landflucht dadurch behoben wird, müßte man eruieren, was man aber auf jeden Fall sagen kann, das ist, daß sich die Franzosen für das Thema interessieren. Zumindest auf der Leinwand.

Foto:
© Verleih

Info:
BESETZUNG
Nico             Clovis Cornillac
Alexandra    Noémie Schmidt
Lila              Carole Franck
Marco          Matthieu Sampeur
Zelda           Juliane Lepoureau
Nath            Lilou Fogli
Morille         Christian Sinniger
Michel         Michel Jonasz

STAB
Regie          Julie Manoukian
Drehbuch   Julie Manoukian