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Kategorie: Film & Fernsehen

MITTENDRIN. Persönliches Tagebuch der BERLINALE 2014, Teil 9

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Einen wunderbaren Beitrag zum Verschmelzen von Kino und Realität lieferte Haru Koroki, die im traditionellen japanischen Outfit in die Pressekonferenz trippelte. Sie sah aus wie in ihrer Filmrolle als Taki, für die sie den Silberbär als beste Schauspielerin erhielt. Zwar sei sie auch so zurückhaltend, wie die Taki im Film, meinte sie, aber nicht so schön…

 

Rick Linklater, diesmal nicht im Cowboyjoppelchen, wurde von den Journalisten frenetisch wie der eigentliche Gewinner begrüßt. Aber er sagte deutlich, es ginge ihm und seinen Kollegen nicht um die Preise, Filmarbeit sei kein Wettbewerb! Das Presseorakel hatte seinen „Boyhood“ als besten Film vorausgesagt, der Bär für die beste Regie war jedoch eine weise Entscheidung der Jury: Die Qualität des Films lag in der Idee und der langjährigen Organisation durch den Filmemacher. Ähnliches gilt für den als Favoriten orakelten Wettbewerbsbeitrag „Kreuzweg“, der den Silberbär für das Drehbuch erhielt. Es war nicht der beste Film, den wir sehen konnten, aber seine ausgefallene Struktur mit nur 14 starren Einstellungen faszinierte mich sehr.

 

Die Chinesen gewannen also den Hauptpreis, im Orakel lagen auch sie vorne, aber „Black Coal, Thin Ice“ wurde nicht von allen Kritikern goutiert. Dieser asiatische ‚Film Noir’ ist genauso düster und illusionslos wie seine amerikanischen und französischen Vorbilder, aber er erzählt mit wenig Blut eine genuin chinesische Geschichte mit geheimnisvollen Wendungen. „Im Gegensatz zum ‚Tatort’ heulen hier die Helden“, notierte ich in meinem Filmheft.

 

Der Bär für den chinesischen Blindenfilm „Blind Massage“ ist kein behindertenfreundlicher Sozialpreis, sondern ein echter Kamerapreis: Die verwirrende, doppelte Fremdheit des Films entstand aus der genialen Kameraarbeit in der unbekannten Welt der Blinden und dem exotischen Reich der Mitte: Für mich der beste Wettbewerbsbeitrag! Das interessante chinesische Kino boomt und in den nächsten Jahren werden wir weitere spannende Action- und neue, gute Arthouse-Filme sehen.