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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2022 12 03 um 01.10.18VERSO SUD 28, das Festival des italienischen Films im Deutschen Filminstitut und Filmmuseum Frankfurt (DFF), Teil 9

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Am 2. Februar ist die am 3. November 1931 in Rom Geborene dort gestorben. Anlaß, ihr die diesjährige HOMMAGE des italienischen Filmfestivals zu widmen, was erst einmal auch zu einer vierteiligen Hommage an ihren Regisseur Michelangelo Antonioni führt, denn in seinen Filmen wurde sie auf einen Schlag national und international berühmt. Das war ab 1960, aber auf der Bühne stand sie schon zuvor und hatte sogar 1954 ihren ersten Film gedreht.

Ja, was soll ich sagen? Die Vorfreude auf diese beiden Klassiker war groß, an die ich mich als damals sensationell aufregend auch noch gut erinnere. Zu erinnern glaubte. Wahrscheinlich war es damals eher das Echo der Erwachsenenwelt,  L’AVVENTURA – DIE MIT DER LIEBE SPIELEN (143 Min.) von 1960 und der noch größere Erfolg von beiden, von Monica Vitti unter ihrem Regisseur Michelangelo Antonioni, LA NOTTE von 1961(122 Min.). Ja, es zieht sich. Die Filme sind nicht gut gealtert, andererseits geben sie alle beide einen wichtigen Part für die Kulturgeschichte ab. Ja, so war es damals in der besseren Gesellschaft Italiens, nicht mal den Oberen Zehntausend, sondern der, eben besseren Gesellschaft gleich drunter, wo keiner einem Brotberuf nachgeht oder, wenn er Architekt ist, doch nie in einem Büro arbeitet oder ein Haus baut. Das gilt für die Männer. Die Frauen arbeiten sowieso nicht. Sie sind die Aushängeschilder für Männer. Hinreißend auch die Mode, die Frauen zu attraktiven Wesen macht, ob sie es sind oder nicht. Einfach Weiblichkeit in Stoff. Und auch die Langeweile...ja, unter kulturhistorischen Gesichtspunkten sind diese Film als filmischer Ein- und Ausdruck einer Zeit und Gesellschaftsschicht unübertroffen.

Und dann das, das mit den Männern und den Frauen, speziell in Italien, es war schon anders als heutzutage. Ob schlechter? Besser auf keinen Fall, denn in beiden Filmen ist Monica Vitti eine junge haltlose, nein genauer: führungslose Frau, im ersten als Claudia, im zweiten wird sie als Valentina zur fleischgewordenen Versuchung für Giovanni Pontano (Marcello Mastroianni), den abgelutschten Ehemann von Lidia, die mit Jeanne Moreau eine ebenfalls fleischgewordene gelangweilte, ja tief frustrierte Ehefrau gibt.

Bleiben wir bei DIE MIT DER LIEBE SPIELEN, was eigentlich ein sinnvollerer Titel ist als DAS ABENTEUER, denkt man sich, weil man sich L’Avventura so übersetzt, dann aber erstaunt registriert, daß es auch als Erlebnis, Wagnis und Seitensprung ins Deutsche gebracht werden kann, sehr schillernd also der Begriff und für diesen Film dann doch absolut passend. Anna möchte so gerne, daß Sandro (Gabriele Ferzetti) , Architekt, sie endlich heiratet. Dem gefällt, wie es ist. Beide sind zusammen mit Annas lediger Freundin Claudia (Monica Vitti) auf eine Kreuzfahrt eingeladen. Unterwegs beim Halt auf einer eindrucksvollen Felsenklippe, verschwindet Anna. Sie wird nicht wieder auftauchen, obwohl die ganze Besatzung sie sucht, insbesondere Sandro und Claudia.

Und dann erleben wir eine gnadenlose Gesellschaft, die einfach weitermacht. Sandro und Claudia sind sich erst durch die Suche, dann durch Anziehung näher gekommen. Doch Sandro kann Claudias Sehnsucht nach dem einen nicht bedienen, er ist der typische Latin Lover, der innerlich davon lebt, der begehrte Liebhaber aller Damen zu sein. Eine ernüchternde Claudia bleibt zurück, die sich entscheiden muß: zu gehen oder mit der Lüge weiterzuleben. Schon schaurig, wie sich der Film nur noch um die beiden dreht und die vermißte Anna einfach Geschichte wird.

In La Notte kann man sehen, warum Marcello Mastroianni zum besagten Latin Lover wurde und nicht Gabriele Ferzetti. Der blieb im ersten Film einfach auf ein und denselben Gesichtsausdruck reduziert, ein Mann, der wohl innerlich alle Hoffnung auf gegeben hat und einfach eine Männerrolle einnimmt, die gesellschaftlich erwartet wird. Mastroianni bringt demgegenüber in LA NOTTE die Melancholie mit ins Spiel, diese Hoffnung auf echte Kommunikation mit einer Frau, die immer wieder enttäuscht wird, aber jäh wieder aufflammt, wenn die Richtige dazu sein scheint. Das soll Valentina (Monica Vitti) sein, die Tochter seines Gastgebers beim abendlichen Fest. Die nun wiederum steckt auch voller Sehnsüchte nach mehr, aber ein verheirateter Mann kann dies nicht erfüllen, dessen Frau (für mich grandios: Jeanne Moreau) mit einem inneren Abstand durch Tag und Nacht wandelt und im Morgengrauen nach dem Fest mit dem Angetrauten genauso beziehungslos nach Hause fährt, wie beide am gleichen Tag am Vormittag zusammen einen kranken Freund (überraschend Bernhard Wicki!) im Krankenhaus besucht hatten.

Bleiben wir bei Monica Vitti, blond im ersten, schwarzhaarig im zweiten Film. Man hat nach den ersten Antonionifilmen mit ihr einfach den Eindruck, daß der Regisseur in ihr Gesicht verliebt ist und sich in diesem Gesicht nicht die Handlung, aber die kondensierten Gefühle spiegeln sollen. Das wirkt auf Dauer einfach bemüht, jeder Szene wird durch ihr großflächiges Gesicht auf der Leinwand eine Bedeutung gegeben, die transzendental wirken soll: der weite Blick ins Nichts, die aufgeworfenen Lippen, immer spielt Wind in ihren Haaren. Gut zu wissen, daß die beiden für diese Jahre ein Paar waren, Viiti war von 1957 bis 1985 an sechs Filmen von Antonioni beteiligt. Das macht uns neugierig, wie andere Regisseure sie besetzen. Wovon der nächste Beitrag handelt.