Bildschirmfoto 2023 01 25 um 23.22.59Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Januar 2023, Teil 1

Tine Kugler, Günther Kurth

Brüssel (Weltexpresso) –  “And I am totally ready to adapt the story to whatever he is going through” sagte Richard Linklater 2002, als er “Boyhood” in Angriff nahm, sein fiktionales Langzeitprojekt über das Erwachsenwerden eines Jungen. Die zehn Jahre dauernden Dreharbeiten mit Kalle waren ähnlich. Wir wussten nicht, wohin die Reise geht, als wir Kalle 2011 kennen lernten – für eine Doku über Schlüsselkinder, die schon früh Verantwortung übernehmen, weil die meist alleinerziehende Mutter bei der Arbeit ist.


Schon damals war klar, dass dieser 10jährige Junge besondere Qualitäten für einen Film mitbringt, weil er sich gut ausdrücken kann und refektiert ist. Weil er Freude an der Auseinandersetzung mit sich selbst hat – weil er uns berührt. Und anscheinend nicht nur uns. Nach der Ausstrahlung haben sich zahlreiche Menschen gemeldet, die ihm etwas Gutes tun wollten und sich für seine Zukunft interessierten.
Wir haben den Kontakt zu Kalle und seiner Mutter nicht abreißen lassen und sehr bald gemeinsam beschlossen, sein Erwachsenwerden für ein flmisches Langzeitprojekt zu begleiten.

Unser Konzept? Vertrauen, Respekt und das Interesse an Kalles Welt. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht, durch ihn sein Umfeld kennen gelernt, den Kiez, seinen Stiefvater, Oma und Opa, Samuel, den Sozialarbeiter und Antje, die Polizistin.

Kalles Leben von 10 bis 20 war unser Drehbuch. Wir wussten nicht, dass er irgendwann ins Gefängnis kommen wird, dass wir viele Monate nur durch Briefe in Kontakt bleiben werden. Wir wussten nicht, ob Kalle danach mit uns weitermachen will. Wir wussten nicht, wie unser Film enden wird.

10 Jahre ist ein langer Zeitraum, vor allem für einen Jugendlichen, der sich verändert und dem Dinge passieren, mit denen man nie gerechnet hätte. Umso mehr freut uns, dass das Wagnis aufgegangen ist, sich so lange aufeinander einzulassen.

Keine Tipps geben, bitte, das haben wir frühzeitig gemerkt – und im Zweifel die Kamera im Auto lassen, nicht drehen und einfach nur zuhören, um zu verstehen.

Das besondere an Langzeitprojekten?
Dem Leben bei der Arbeit zusehen. Erste Liebe, Konfikte in der Familie, Zusammenhalt trotz allem, Entscheidungen, die man nicht mehr rückgängig machen kann. Ängste, Träume und Hoffnungen. Und im schonsten Fall fühlt man sich mit den Menschen am Ende eines Films tief verbunden.

Kalle Kosmonaut dreht sich um eine Kindheit und Jugend, einen Kiez in Berlin, aber letztendlich um die Frage, die sich Kalle selbst immer wieder stellt: Was ist ein gutes Leben?

Foto:
©Verleih

Info:
STAB

Buch, Regie, Montage   Tine Kugler, Günther Kurth
Kamera                          Günther Kurth
Animation.                     Alireza Darvish

Abdruck aus dem Presseheft