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Kategorie: Film & Fernsehen

 leaSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos seit Mittwoch, 17. Mai 2023, Teil 4

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - Wie würden Sie Ihre Figur Han She Li beschreiben? Und was gefällt Ihnen an der Figur? 

 

Han She Li ist eine Dienerin der Kaiserin und von Prinzessin Wun Da. Ich stellte sie mir als Kriegerin aus einer Linie vor, die sich dem Schutz des Königshauses verschrieben hat. Sie ist eine Frau, die ihr Leben ihren Gebietern widmet. Anfangs ist sie sehr zurückhaltend, fast streng. Im Laufe der Geschichte entwickelt sie sich, um ihren Gefühlen mehr Ausdruck verleihen zu können. Meine Referenz für die Rolle war die Hofdame, die Alice Sapritch in Die dummen Streiche der Reichen verkörperte. Als Schauspielerin gefällt mir dieses Genre. Ich finde Drama fast einfacher als Komödie. Die Bandbreite der Emotionen, die Han She Li empfindet, hat mich herausgefordert, besonders ihre Unbeholfenheit, beim Versuch, sich zu verlieben. In mancherlei Hinsicht bin ich ihr nicht unähnlich. Ich bin eine Kämpferin, die in der Innenstadt aufgewachsen ist. Was es heißt, buchstäblich sowie metaphorisch zu kämpfen, ist mir nicht neu. Ich beschütze meine Liebsten. Ursprünglich hatte ich auch für die Rolle der Kaiserin vorgesprochen, aber nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, wollte ich unbedingt Han She Li spielen. Diese harte Rolle auszufüllen, erfüllte mich mit Stolz. Ich hoffe, ich werde damit die Kinder im Publikum inspirieren. Ich bin ein Fan von Superheldenfilmen und auch von Michelle Yeoh in Tiger & Dragon. Deshalb konnte ich als dieser neue Asterix begann, Gestalt anzunehmen, mein Glück kaum fassen. 

 

Es ist ein Universum, mit dem Sie vertraut sind? 

 

Ja, natürlich, ganz besonders Alain Chabats Asterix & Obelix: Mission Kleopatra mit Christian Clavier und Gérard Depardieu. Ich träumte davon, eines Tages in einem Film wie diesem mitzuspielen. Aber es gab keine Rollen für Asiaten. ASTERIX & OBELIX IM REICH DER MITTE ist hingegen eine originelle Geschichte ist, die nicht auf den Comics basiert und in China spielt, also war es die Gelegenheit, auf die ich immer gehofft hatte. Hinzu kamen all diese Actionszenen, die mich buchstäblich von den Füßen geholt haben. Ich stellte mir einen Film vor, der das Potenzial hat, ein französischer Marvel zu werden. 

 

Was war Ihr Hintergrund als Schauspielerin vor diesem Film? 

 

Die darstellenden Künste waren nicht ein Schwerpunkt meiner Familie, obwohl ich mich immer zu künstlerischen Projekten hingezogen fühlte. Meine Mutter ist ein großer Fan von Louis de Funès, Charlie Chaplin und Fred Astaire. Unwissentlich beeinflusste sie mein weiteres Leben, indem sie mir ihre Filme nahe brachte. Ich habe internationale Wirtschaft studiert, um meine Eltern zu beruhigen, die aus der Generation der Boatpeople stammen. Sie sind politische Flüchtlinge chinesisch-kambodschanischer beziehungsweise chinesisch-vietnamesischer Herkunft, die unter dramatischen Umständen vor dem Krieg geflohen waren. Für sie drehte sich alles um einen guten Beruf sowie einen dauerhaften Job. Als ich zwanzig wurde, begann ich mit Tanzunterricht und beschloss, Profi zu werden, aber nach zehn Jahren und etlichen Verletzungen wechselte ich zum Entsetzen meiner Eltern zur Schauspielerei. Ich trainierte im Studio Pygmalion, ging zu Vorsprechen und wurde 2016 in meinem ersten Film, Minh Tâm, einem Kurzfilm von Vincent Mauray, besetzt, bevor ich zusammen mit Anne Dorval in Jean-Philippe Duvals 14 Days, 12 Nights spielte, Kanadas Oscar®-Kandidat im Jahr 2021. 

 

Dann besetzte Guillaume Canet Sie als Han She Li, eine physisch fordernde Rolle. Hatten Sie vorher bereits Kampfsporterfahrung? 

 

Ja, ich habe drei Jahre lang Wushu trainiert, bevor ich mit dem Tanzunterricht begann. Das ist die choreografierte Form von Kung Fu, die man im Film sieht. Ich hörte auf, nachdem ich mir die Kniescheibe ausgerenkt hatte, aber ich hatte die Grundlagen verinnerlicht. Beim Vorsprechen fragte mich Guillaume, ob ich die Actionszenen selbst spielen könnte, ob ich Höhenangst habe und ob ich bereit wäre, mich einem intensiven Training zu unterziehen. Da ließ ich ihn wissen, dass ich mein ganzes Leben auf diesen Moment hingearbeitet hatte. Ich glaube nicht an Zufälle. All die Irrungen und Wirrungen, die ich vor Asterix ertragen musste, brachten mich genau zu diesem Punkt. Ich habe keine Angst vor Hindernissen, sie treiben mich an. Also war ich bereit, mich jeder Art körperlicher Tortur zu unterziehen, die meine Rolle verlangte. Ich habe auch mit einer Schauspieltrainerin namens Jeanne Gottesdiener gearbeitet, die mich seit Studio Pygmalion begleitet. Sie hat mir geholfen, jede Facette der Figur zu entwickeln. 

 

Aber die Rolle erforderte eine körperliche Verfassung, die Sie anfangs nicht besaßen! 

 

In der ersten Woche der Proben habe ich mit dem Stuntkoordinator an sehr komplizierten Kampfszenen gearbeitet. Wir probierten verschiedene Dinge aus, um zu sehen, wie biegsam ich war. Dann kam Guillaume, um es sich anzusehen. Er sagte mir unverblümt, dass es nicht das war, was er sich vorstellte. Guillaume hatte angenommen, dass ich ein viel besseres Verständnis für Kampfkünste mitbringen würde. Einen Moment hatte ich Angst, aber die Stuntmen beruhigten mich und wiesen darauf hin, dass der Dreh noch weit entfernt sei. Wir würden einfach hart arbeiten müssen, um mich vorzubereiten. Also verdoppelte ich meine Anstrengungen und stellte zwei Personaltrainer, einen Physiotherapeuten, einen Kung-Fu-Experten sowie einen Kampfkoordinator ein. Am ersten Drehtag war ich bereit!

 

Die Actionszenen sind sehr beeindruckend, vor allem die Szenen auf dem Piratenboot, wo Sie an den Seilen hängen. 


Ich habe hart daran gearbeitet, vor den Aufnahmen weiter geübt und Kung-Fu-Filme angeschaut, vor allem die mit Bruce Lee, um sicherzustellen, dass ich die Bewegungsabläufe und die Körperhaltung innehatte. Körperlich bereit zu sein, ist in solchen Momenten aber nicht alles. Man muss sich voll konzentrieren, da jede Szene aus verschiedenen Blickwinkeln gefilmt wird und es immer Verletzungsgefahr gibt, wenn man den Anweisungen der Stuntprofis nicht Folge leistet. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen habe ich mich mehrfach verletzt. Die Szenen, in denen ich an Seilen in der Luft hänge, waren meine Favoriten, auch wenn ich mir blaue Flecken einhandelte. Jeden Tag kam ich mir vor, wie ein Kind in einem Vergnügungspark. 

 

Sie teilen sich zahlreiche Szenen mit Julie Chen, die in ihrem Leinwanddebüt Prinzessin Wun Da spielt. Wie haben Sie an der Beziehung ihrer beiden Charaktere gearbeitet? 


Wir spürten vom Start weg eine echte Verbindung zueinander. Julie und ich haben vor dem Dreh viel über Han She Lis Beziehung zu Wun Da gesprochen. Sie war nervös in ihrer ersten Rolle und ich versuchte, sie zu beruhigen, indem ich ihr klar machte, dass Guillaume sie schließlich ausgewählt hatte, weil er in ihr die Prinzessin sah. Wir entwickelten eine enge Bindung, fast wie Schwestern. Aber in unseren Rollen mussten wir eine gewisse Distanz wahren, damit die Beziehung zwischen Herrscherin und Leibwächterin funktionierte. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und malten uns die gemeinsamen Erlebnisse von Wun Da und Han She Li aus, von ihrer Kindheit bis zur Jugend, wenn sich ihre Wege schließlich trennen, als die Prinzessin beginnt, sich dem Thron zu widmen. 

 

Und was sagen Sie zum Rest dieser außergewöhnlichen Besetzung?

 

Das sind alles sehr großzügige Schauspieler. Es war nicht leicht für mich, Schulter an Schulter mit so vielen Talenten zu spielen. Ich habe versucht, einen kühlen Kopf zu bewahren. Alle Darsteller waren ausgesprochen rücksichtsvoll. Gilles Lellouche bestand darauf, hinter der Kamera zu stehen, um mir als Anspielpartner zu dienen, in dem Moment, wo Han She Li von Emotionen überwältigt wird. Das war eine enorme Hilfe. Außerdem habe ich so viel lachen müssen! Ich erinnere mich insbesondere an eine Szene auf dem Boot, kurz bevor wir mit den Dreharbeiten begannen. Orelsan, Gilles und Jonathan fingen an zu improvisieren, als wäre es ein Musical, der eine rappend, der andere jazzig und der dritte im R'n'B-Stil. Die Crew hat Schlagworte eingeworfen und die drei griffen die Lyrics aus der Luft. Es war fesselnd, zumal sie alle kostümiert waren. Ich hoffe, dass es eines Tages eine Musical-Version geben wird! 

 

Lassen Sie uns noch kurz über Guillaume Canet sprechen, der Asterix verkörperte sowie als Regisseur agierte. 

 

Guillaume hat versucht, so viel wie möglich zur Verfügung zu stehen, besonders für Julie und mich, damit wir uns nicht ausgeschlossen fühlten. Aber es war eine riesige Produktion, also rannte er ständig auf dem Set herum, um die Fragen aller Beteiligten zu beantworten. Jeden Tag waren einige hundert Menschen vor Ort. Guillaume wollte genau das hinbekommen, was er vor seinem inneren Auge gesehen hatte. Er ist ein anspruchsvoller Regisseur. Bei Asterix steuerte er eine riesige Maschine, mit dem Ziel, dem Publikum den bestmöglichen Film zu bieten. Es war eine enorme Herausforderung und eine große Last, aber er blieb stets ansprechbar, immer bereit, seinen Darstellern oder der Crew zuzuhören. Guillaume ist sehr integer. Er sagt, was er denkt, bleibt dabei aber immer fair.

 

Was ist Ihre bleibende Erinnerung an dieses große filmische Abenteuer? 

 

Wenn ich gefragt werde, dann sage ich jedes Mal, dass es ein wunderbares Wagnis mit einigen erstaunlichen Menschen war. Außerdem werde ich Guillaume für immer dankbar sein, dass er mich ausgewählt und mir vertraut hat. Ich bewundere alle Mitglieder der Besetzung und der Crew, die trotz des irrsinnigen Drehplans stets ein Lächeln auf den Lippen behielten. Ich fühle mich immer noch wie im siebten Himmel. Gelandet bin ich noch nicht! 

 

 

INTERVIEW MIT MADELI