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Kategorie: Film & Fernsehen

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. Juli 2014

 

Romana Reich

 

Berlin (Weltexpresso) – Es ist schon erstaunlich, wie oft Dokumentarfilme die höchsten Lorbeeren ernten. Sie haben es trotzdem schwerer, auch in den Kinos erfolgreich zu sein. Dabei gibt es immer wieder internationale Ausnahmen wie der Film von Ilona Ziok über FRITZ BAUER, den Hessischen Generalstaatsanwalt, der einst den Auschwitzprozeß in Frankfurt möglich machte und auch die Ergreifung des Obernazis Adolf Eichmann. Demnächst davon mehr.

 

 

THE UNKOWN KNOWN

 

Errol Morris gilt als ein Dokumentarfilmer mit besonderer Prägung. Für ihn ist Ausgangspunkt das Bild, das sich unserem Auge präsentiert, aber erst durch unser Auge spezifisch wird, weil wir mit unseren Erfahrungen jedes Bild zu etwas Einmaligem, Besonderem machen. Wenn er sich gerne auf Goethe bezieht und seine Weisheit. „Man sieht nur, was man weiß“, so kann man ihm nur zustimmen. Errol Morris geht es aber in seinen Bildern, seinen Filmen darum, in einem Gesicht, in einem Porträtierten den Menschen zu erkennen, also das Ich, das sich hinter einer öffentlichen Maske verbirgt. Und so will er auch die Wahrheit über Donald Rumsfeld filmen und zeigen.

 

Rumsfeld nämlich gehört zu den öffentlichen Lügnern der Sonderklasse. Mit seinem Namen wird sich auf ewig die Lüge von den Massenvernichtungswaffen im Irak verbinden, die dann den Einmarsch der USA mit einigen Verbündeten rechtfertigen sollte und inzwischen nicht nur dieses Land verwüstet hat, sondern die fragile politische Ordnung in der ganzen Region – noch heute ein Dank an den damaligen Kanzler Gerhard Schröder, daß er NEIN zum Krieg gegen den Irak sagte.

 

Der Titel des Films THE UNKOWN KNOWN bezieht sich auf die sagenhafte Pressekonferenz vom 12. Februar 2002, in der er neben den „There are known knowns.. auch die „unknown unknowns“ kreierte. Die gesamte Passage hieß: Es gibt bekannte Bekannte, es gibt Dinge, von denen wir wissen, daß wir sie wissen. Wir wissen auch, daß es bekannte Unbekannte gibt, das heißt, wir wissen, es gibt einige Dinge, die wir nicht wissen. Aber es gibt auch unbekannte Unbekannte – es gibt Dinge, von denen wir nicht wissen, daß wie sie nicht wissen.“

 

Tatsächlich kreist der Film um diese Worte, die Rumsfeld so dahinraunzt. Morris will sie uns klar und deutlich in die Ohren bringen und so wird eine Memorierveranstaltung aus dem Film, unterstützt durch Musik, die uns die Sätze sanft aber eindringlich ins Gedächtnis schreiben. Genauso geht es aber auch um die Person Rumsfeld. Der hält seine Rolle in allen Befragungen durch. Wenn Morris als Ziel gehabt hätte, daß sich Rumsfeld selbst entlarvt, so kann man das allenfalls gerade aus dem gegenteiligen Verhalten schließen: wenn einer wie eine Sprechpuppe in allen seinen Taten sein Leben lang nur das Beste ausmacht, weder Selbstkritik üben noch ein Gefühl von Versagen, von Trauer, von Nachdenklichkeit empfinden kann, dann ist derjenige wirklich arm dran. So einer, der nicht reflektieren kann, wer er ist und was er tut, das ist Donald Rumsfeld.

 

Dreiunddreißig Stunden hat sich Rumsfeld von Morris interviewen lassen, dreiunddreißig Stunden von Lächeln und Selbstzufriedenheit. Vielleicht ist Letzteres das absolut Schlimmste, was Morris an Rumsfeld aufstieß, daß da einer rundherum zufrieden ist, während die Umwelt jeden Tag deutlicher erkennt, daß die ACHSE DES BÖSEN, mit der George W. Bush die Länder Nordkorea, Irak und Iran in einen Topf warf, daß diese Achse des Bösen in den USA geschmiedet wurde. Dafür hat Rumsfeld beispielsweise rund 20 000 'Schneeflocken' gebraucht. Als solche zumindest bezeichneten seine Mitarbeiter seine Sucht, genaue Anweisungen für bestimmte Mitarbeiter als Erinnerungsposten aufzuschreiben. Ein Regelungswüterer. Das auch noch. Und völlig unfähig zur Reflexion.

 

Was sich Regisseur Morris nämlich erhoffte, trat nicht ein. Rumsfeld zeigte sich nicht als fähig, Verdrängtes und Verleugnetes im Bewußtsein auftauchen zu lassen, was durch bestimmte Fragetechniken bei anderen Protagonisten wie von selbst passiert. Das aber deutet darauf hin, daß es den Menschen Donald Rumsfeld gar nicht gibt, sondern daß dieser Mensch mit der Darstellung eines Donald Rumsfeld ständig beschäftigt ist und deshalb nichts anderes wahrnehmen kann.