Drucken
Kategorie: Film & Fernsehen

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. September 2014, Teil 3

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Nach „Barbara“ (2013) hat Regisseur Christian Petzold - wieder mit Nina Hoss und Ronald Zehrfeld - einen bewegenden Film gedreht: „Phoenix“ ist sehenswertes großes Kino, obwohl er eine Geschichte aus der Nachkriegszeit erzählt, sich also mit einem unbeliebten Thema beschäftigt.

 

 

PHOENIX

Die im Gesicht schwer verletzte Jüdin Nelly (Nina Hoss) hat das KZ Auschwitz überlebt. Nach dem Zusammenbruch Nazi-Deutschlands kehrt sie in ihre Heimatstadt Berlin zurück, lange ist ihr Gesicht hinter dicken Kopfverbänden verborgen. „Wie wollen Sie aussehen?“, fragt der plastische Chirurg. „So wie früher“, antwortet ihre dumpfe Stimme aus den Verbänden. „Das wird schwer möglich sein“, meint der Arzt, „aber draußen laufen noch so viele Nazis herum, die gerne ein neues Gesicht hätten.“ Als Nelly später ihr fremdes Antlitz im Spiegel sieht, ist sie entsetzt: „Mich gibt es ja gar nicht mehr.“

Sie hat das KZ nur durch ihre Liebe zu ihrem Mann Johnny überlebt, der sie bis 1942 durch sein Festhalten an ihrer Ehe schützen konnte. Nach ihrer Rückkehr erkennt er sie jedoch nicht mehr: Nelly ist zu einem grauen Gespenst mit fahrigen Bewegungen geworden, ihr Körper ist wie eingefroren. Dennoch spürt Johnny (Roland Zehrfeld) in der gebrochenen Frau eine vage Ähnlichkeit mit Nelly. Er schlägt ihr vor, seine tot geglaubte Frau zu spielen, um an deren Erbe zu kommen. Sie lässt sich darauf ein, trägt Nellys Garderobe und lernt, wieder Nelly zu werden. Aber wenn sie zu echt wird, stößt Johnny sie weg: „Hören Sie auf, ich weiß, dass Sie das nicht sind!“

Nellys Freundin Lene (Nina Kunzendorf), die sie nach Israel bringen will, ist fassungslos, weil sie Johnny für den Verräter der Jüdin hält: „Die Gaskammern hören auf zu arbeiten und wir verzeihen?“ Doch unbeirrt klammert sich die Überlebende an ihre Liebe: „Ich war noch einmal tot, als er mich nicht erkannt hat, doch jetzt hat er mich wieder zu Nelly gemacht. Ich bin eifersüchtig auf mich selbst, es ist, als ob wir uns neu kennenlernen.“ Nach einigen dramatischen Wendungen der Erzählung entsteigt Nelly - wie Phoenix - der Asche.

Diese Metapher geht auf den Titel eines schmalen, vergilbten Rowohlt Thrillers zurück, der Petzold als Inspiration diente: „Der Asche entstiegen“ (1961) von Hugo Montheilet. Lange hielt er die französische Erzählung - einer von den Nazis verschleppten, nach Paris zurückkehrenden und von niemand wieder erkannten Jüdin - in Deutschland für nicht verfilmbar. Erst durch sein Kinopaar Hoss und Zehrfeld wagte er sich an das, von ihm „eingedeutschte“ und nach Berlin verlegte Drama.

 

INFO:

Phoenix“, Deutschland 2014, 98 Minuten

Regie Christian Petzold, mit Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Nina Kunzendorf u. a.

Filmstart 25. September