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Kategorie: Film & Fernsehen

Der Film DER JUNKER UND DER KOMMUNIST von Ilona Ziok bringt verschiedene Aussagen Richard von Weizsäckers zum Widerstandsrecht, Teil 1

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Heute, am 11. Februar, dem Tag des feierlichen Staatsbegräbnisses für den verstorbenen Bundespräsidenten, ist eine gute Gelegenheit, des Filmes von Ilona Ziok, der wir auch den Film FRITZ BAUER -TOD AUF RATEN verdanken, zu gedenken und ihn erneut anzuschauen, in dem auch Richard von Weizsäcker auftritt und deutliche Worte zum Widerstandsrecht findet.

 

Der Film DER JUNKER UND DER KOMMUNIST von Ilona Ziok bringt verschiedene Aussagen Richard von Weizsäckers zum Wderstandsrecht und bestätigt die Einheit des Widerstands, unabhängig von Klassenschranken. Der Tod Astrid von Hardenbergs, eine der Töchter des 'Junkers', die am 4. Februar verstarb und im Film ausgiebig zu Wort kommt, ist ein weiterer aktueller Anlaß. Die Redaktion.

 

 

Teil 1: Aufbau des Widerstands

 

 

Periodisch, zumal in Anbetracht gegenwärtiger Gräuel auf dem Weltenrund, fragen wir uns fast täglich: warum Kultur und offene Barbarei so erschreckend innig in Wechselbeziehung zueinander zu stehen scheinen. Der heutige Weltzustand sagt viel aus über die Charakteristik einer Gattung oder Art, die sich einst als von Gott geschaffen herleitete. Wie kommt es zu den periodisch auftretenden Zeiten politischer Pest, was war aus dem Ruder gelaufen, dass es soweit kommen konnte? Ist so etwas gleichsam naturgesetzlich verursacht oder eher gesellschaftlich bedingt?

 

Risse und Gräben, die sich durch die Gattung ziehen, der Verlust des sozialen Kitts, der Einheit einer Art, sind Voraussetzung für das Zerbrechen von Gesellschaften und Welten. Futter- und Sozialneid, der Kampf um Pfründe und Töpfe, - durchaus nicht nur bei den Schlechtersituierten - sind Oberflächensymptom, der Grund des Risses liegt tiefer. Er gründet in der fundamentalen Ungesichertheit menschlichen Daseins. Diese löst Sozial- und Weltstress aus, der immer entgrenztere Formen annimmt, wenn keine Mediation erfolgt oder sie misslingt. Die systemischen Ursachen und Anlässe liegen im fatal Ökonomischen, das heute immer mehr noch dem blinden Selbstinteresse götzendienert, während die althergebrachte menschliche Gruppe als einige und zusammengehörige sich durchaus zu organisieren wüsste – und dies vielfach auch noch leistet.

 

Ökonomie bedeutet: die einen müssen regredieren - selbst der Mittelstand ist in unseren Zeiten angezählt - , die Wenigen wähnen sich souverän durch ihre Enteigungspraktiken, und Kapitalsammelstellen, die sie nicht selbstkritisch reflektieren. Die Mittel, sich dem Unguten zu entwinden, werden konsequent umgangen, ja vermieden - was für eine Pleite für eine an und für sich begabte Gattung.

 

Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus, Nationalsozialismus (alle diese gehen auf Raubzug aus), Formen von Fremdenfeindlichkeit und Chauvinismus – gar mitten im Wohlstandgefüge -, verbunden mit falschen Rückbesinnungen in verklärte Vergangenheiten, wie in Form der wilhelminischen Reichsspiele inmitten des entfesselten Industrialismus - eine absonderlich pikante Variante von Weltabschnittsvermengung – gehören zu den unzuständigen Versuchen der Kompensation von gravierend gefühlten Verlusten an Identität und Sicherheit. Rettung soll nicht aus der Zusammengehörigkeit der Gattung hervorgehen, sondern aus Gewalt erzeugt werden, mit allerlei Feindschaften und Ausgrenzungen gegen für schuldig Befundene und diskriminierend Abgewertete.

 

Die Überhöhung des Völkischen, Nationalen und Kollektiven entsteht aus mangelhafter Selbst(be)gründung, kennzeichnet einen schwach ausgebildeten Persönlichkeitsentwurf und weist auf mangelndes Selbstwertgefühl hin. Die Zivilisation ist stark, das Ich aber schwach. Das schwache Ich drängt ins gewaltsam auftretende Kollektiv der Banden..

 

Die wohlfeilste Art des Stolzes ist hingegen der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt“. (Arthur Schopenhauer, 'Aphorismen zur Lebensweisheit', insel tb 223, 1976 S.66)

 

Das Zerfallen und Zerbrechen der Menschheit – ein Grundmotiv prophetisch beschrifteter Scherben im babylonischen Sand – hat systemische Ursachen. Diese führen zu immer größeren Ungleichgewichten in der Gesellschaft, davon künden antike Thesen auf sehr alten Schrifttafeln, die besagen, was zu tun ist, wenn die Vermögensblase zu groß und der hiermit korrespondierende Mangel zu krass geworden ist.

 

Die durch ihr Handeln in die Geschichte einer Gegend – Neuhardenberg - eingegangenen Protagonisten des Films sind: Carl-Hans Graf von Hardenberg (1891-1958) - bezeichnet auch als Junker -, ansässig auf Gut Neuhardenberg (Lage: östlich von Berlin) und der Kommunist Fritz Perlitz (1908-1972), durch seine Partei zuständig für den selben Heimatkreis. Beide gehören gegensätzlichen Klassenmilieus an, treffen sich aber in späteren furchtbaren Zeiten in einem Gemeinsamen: im Widerstand gegen Hitler, beide landeten im KZ Sachsenhausen..

 

Wesentliche Stellungnahmen werden von Tochter Reinhild Gräfin von Hardenberg und Wally Perlitz, Witwe von Fritz Perlitz, abgegeben. Auf dem Gut kommt es in den Inflationsjahren der Weimarer Republik (1924) zu Landarbeiterdemonstrationen, die durch Entlassung und Umsiedlung gestoppt und beendet werden (Arbeitslosenunterstützung wird gezahlt). Hier treffen sich der Junker und der Kommunist in einer Rolle, die sie in Opposition zueinander stellt, da Fritz Perlitz als Parteikommunist für das gräfliche Gebiet zuständig ist. Aus einer späteren Zeit (1947) wird ein Brief des Grafen an Perlitz vorweg gezeigt, der einen freundschaftlichen Konversationsstil des Grafen an den 'Klassengegner' aufweist. Die wirtschaftlichen Verwerfungen und Unruhen jener Zeit kamen nicht von ungefähr. Sie sind vom Fehlverhalten der Finanzakteure, das 1929 den Börsencrash hervorrief, nicht zu trennen. Finanzwirtschaft schlug schon damals hart Realwirtschaft.

 

Die weiteren Lebenswege der Protagonisten sind unterschiedliche: Hardenberg wird Adjudant des Regimentskommandeurs des 1. Garderegiments „zu Fuß“, Major Graf zu Eulenburg. Eine kurze Stellungnahme von Richard von Weizsäcker, dem seine Amtszeit als Bundespräsident hinter sich hatte, zur Person Carl-Hans von Hardenbergs, kommt auf das für ihn erfreuliche Berühren der Lebenswege der Vertreter von adeligem Stande während Weizsäckers militärischer Ausbildungszeit zu sprechen. Im Unterschied zu dem jüngeren Richard von Weizsäcker läuft die militärisch-dienstliche Entwicklung Hardenbergs notwendig direkt auf den Widerstand gegen Hitlers Terrorherrschaft hinaus. Schon 1933 richtet sich Hardenbergs klarer Sinn gegen die ihm als 'böse' erscheinenden Pläne Hitlers, zumal auch, weil Recht mit Füßen getreten wurde (nach Aussage von Tochter Reinhild über ihren Vater).

 

Widerstand Fritz Perlitz' gegen Hitler

 

Fritz Perlitz, überzeugter, charakterlich fester Kommunist gelangt auf einen für sein Leben früh schon gefährlichen Weg des Widerstands gegen den Faschismus. Das macht einen wesentlichen Unterschied der beiden Hauptakteure. Fritz Perlitz ist bereits während der Inflationszeit an widerständigen Aktionen beteiligt, gehortetes Mehl wird illegal einem Lager entnommen und verteilt. Die Entwicklung zum Faschismus zeichnet sich schon damals klar ab, Perlitz handelt konsequent, er riskiert Leben und Existenz. Offensiver Widerstand von Gruppen richtete sich in einem frühen Stadium gegen die SA.

 

Bald nach seiner Verhaftung und Wiederfreilassung weicht die Herkunftsfamilie 1934 nach Prag aus, baut dort eine Druckerei und organisierten Widerstand auf. 1936 kommt es zu Festnahmen. Perlitz folgt dem bittenden Aufruf nach Spanien, kämpft dort in den antifaschistischen Brigaden gegen Franco, den 'Putschgeneral'. Hitler hatte die 'Legion Condor' geschickt, mit der auch der 2. Weltkrieg zu proben war. Das Verhältnis der militärischen Mittel (Flakgeschütze, Gewehre usw.) betrug 1 : 10.- Von 40 000 „Inter“-Brigadisten blieben 20 000 'in der spanischen Erde', wie es heißt. Beteiligte internationale Kommunisten rechnen sich einen spanischen Befreiungsanteil vom Hitlerfaschismus an.

 

Die Spanienkämpfer mussten 1939 abziehen, Perlitz wurde in ein Internierungslager der 'Garde de mobile' gesteckt, 1941 ausgeliefert und kam dann in eine Strafkompanie des Konzentrationslagers Neuengamme, musste dort härteste Arbeit leisten. Es ging weiter über Bremen und Hamburg nach Berlin, dort erlitt er in der Baubrigade einen Unfall und landete im 'Schutzhaftlager' des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Dort traf er mit dem Grafen von Hardenberg zusammen. Es entwickelte sich hier eine durch ein geistfreundliches Interesse aneinander geprägte Beziehung.

 

 

Widerstand Hardenbergs gegen Hitler

 

Hardenberg diente zunächst pflichtgemäß in Hitlers Armee als Adjudant des Generals von Bock. In diesem Umfeld war schon an Widerstand gedacht worden, aber er erschien als hoffnungslos. „Vater hat gesehen wie jede Menge gefangen gehaltener [gezeigt: 'Massaker von Borissow' – Weißrussland, 1941] Juden erschossen wurden“ (lt. Aussage von Tochter Reinhild). Diese Verbrechen im Namen von Deutschland seien nicht mehr auszuhalten gewesen. Des Vaters Entschluss wurde bestärkt, sich am Attentat zu beteiligen, Hitler also zu beseitigen.

 

Hier kommt es im Film zu einem wesentlichen Einschnitt: Richard von Weizsäcker (1920-2015) entwickelt durch einen logisch aufgebauten Schluss die unabweisliche Notwendigkeit und ein der Vernunft entsprechendes Recht, ein Attentat auf Hitler zu begehen, um dessen Tun ein Ende zu setzen. Er sagt:

 

Wenn man Befehle bekommt, die man weitergeben soll, für die man eintreten soll, verantwortlich gegenüber den eigenen Untergebenen, dann musste man doch auch den Sinn, die Zumutbarkeit dieser Befehle auch erkennen können. Und je mehr man im Lauf des Krieges unter dem zwingenden Eindruck stand, dass das nicht mehr gegeben war, desto mehr entwickelte sich dann in diesem Freundeskreis auch das Gefühl, an einen Eid dieser Art kann man nicht mehr gebunden sein und deswegen muss man das Wenige, das einem vielleicht zu Gebote steht, tun, um sich auch an einem Attentat zu beteiligen“.- „Und das haben eben eine ganze Reihe von Mitgliedern des Regiments auch getan“ (er wendet gegen Ende seiner Rede den Blick hin zur Fotogalerie des Regiments). Hierin folgt er Fritz Bauer, der schon 1952 im sogenannten Remerprozeß den antiken Tyrannenmord als rechtmäßiges Mittel und damit als Recht ansah und gerichtlich durchsetzte, was damals auch dazu führte, daß die Witwen der Ermordeten des 20. Juli 1944 endlich Staatsrenten erhielten, was zuvor nur den Naziwitwen zugestanden wurde. Dies alles im erwähnten Film FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN mitzuverfolgen.

 

DER JUNKER UND DER KOMMUNIST verzeichnet die führenden Attentäter des 20.Juli 1944:

 

Diese wurden nach dem gescheiterten Attentat in der darauffolgenden Nacht im Hof 'der Bendlerstraße' erschossen.

 

Reinhild sagt aus: der Vater war noch am Leben, er war bitter enttäuscht. Er wusste; dass es keine Rettung gab. Das 'war das Schlimmste zu erleben'. Man wusste, dass er sich das Leben nehmen würde, denn Folter, Spritzen der Nazis, drohten, so sagt Tochter Astrid Gräfin von Hardenberg aus, die die letzten Momente im Schloss miterlebt hat und in diesem Monat verstarb. Der Vater war 52 Jahre alt und zuckerkrank. Er kam ins KZ Sachsenhausen. „Das war der letzte Abend hier in Hardenberg“ (Astrid). Die Gestapo wollte natürlich die Hintergründe des Umsturzversuchs erfahren. Hinrichtung in Plötzensee war geplant.Fortsetzung folgt.

 

 

INFO:

 

http://www.veoh.com/watch/v205204147eXfEnpd?h1=Der.Junker+und.der.Kommunist