Drucken
Kategorie: Film & Fernsehen

50 JAHRE KURATORIUM JUNGER DEUTSCHER FILM im Deutschen Filmmuseum Frankfurt, Teil 1

 

Siegrid Püschel

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Kennen Sie den ersten Film von Werner Herzog, Roland Emmerich und Edgar Reitz? Wie begann die Karriere von Tom Tykwer, Detlev Buck und Andreas Dresen? Alle Genannten eint, dass ihre ersten Projekte vom Kuratorium junger deutscher Film gefördert wurden – lange bevor sie international bekannt wurden.

 

2015 feiert die Förderungseinrichtung für den deutschen Filmnachwuchs ihr 50-jähriges Bestehen mit einer großen Filmreihe im Kino des Deutschen Filmmuseums. Das Kuratorium junger deutscher Film, mit Sitz im Wiesbadener Schloss Biebrich, entstand 1965 während der Aufbruchstimmung nach dem „Oberhausener Manifest”. Eine Gruppe junger Regisseure erklärte dabei 1962 „Papas Kino“ für tot und forderte neue Inhalte und Darstellungsweisen für den Film.

 

Aus der Anfangszeit des Kuratoriums sind zwei außergewöhnliche Filmemacher zu Gast in Frankfurt: Roland Klick präsentiert am Sonntag, 17. Mai, sein frühes Werk BÜBCHEN (BRD 1969), und Ula Stöckl zeigt am Pfingstmontag, 25. Mai, die auf der Berlinale uraufgeführte digitale Restaurierung von NEUN LEBEN HAT DIE KATZE (BRD 1968) – jeweils in Kombination mit einer aktuellen Dokumentation und Gesprächen zu Geschichte und Gegenwart der deutschen Filmförderung.

 

Heute ist die Stiftung Kuratorium die einzige von den Ländern gemeinsam getragene Filmförderinstitution, mit Schwerpunkten auf der Förderung des Kinderfilms und des Autorenfilms. Am 20. Mai stellt der vielfach preisgekrönte Regisseur Philip Gröning sein Erstlingswerk L’AMOUR (DE/CH/FR 2000) vor. Einen Einblick in die Fördersituation der Gegenwart wird Michaela Kezele mit MY BEAUTIFUL COUNTRY – DIE BRÜCKE AM IBAR am Mittwoch, 27. Mai, geben. Ihr aktuelles Projekt wird ebenfalls vom Kuratorium gefördert.

 

 

Freitag, 1. Mai, 18 Uhr

Sonntag, 3. Mai, 21 Uhr

LEBENSZEICHEN

BRD 1968. R: Werner Herzog

D: Peter Brogle, Wolfgang Reichmann, Wolfgang Stumpf. 87 Min. 16mm

 

Werner Herzogs erster Spielfilm skizziert die umfassende Krise des Soldaten Stroszek auf der griechischen Insel Kos 1942. „Unbehelligt, fast wie ein Urlauber” soll sich der Fallschirmjäger hier nach einem Lazarettaufenthalt erholen. Mit seiner griechischen Frau Nora und seinen zwei Kameraden Meinhard und Becker muss er das Munitionsdepot am Hafen bewachen. Lange geschieht nichts. Bis Stroszek in der drückenden Hitze nach und nach den Verstand verliert. Herzog gewann mit LEBENSZEICHEN 1968 den Deutschen Filmpreis in Silber und den Silbernen Bären für den Besten Erstlingsfilm.

 

 

Samstag, 2. Mai, 20:30 Uhr

MAHLZEITEN

BRD 1967. R: Edgar Reitz

D: Heidi Stroh, Georg Hauke, Nina Frank. 94 Min. 35mm

 

Die Fotografin Elisabeth und der Medizinstudent Paul begegnen sich, heiraten, bekommen das erste Kind. Krisen bahnen sich an, dennoch kommt ein Kind nach dem anderen zur Welt. Paul gibt sein Studium auf, verschwindet immer wieder auf der Suche nach sich selbst und kehrt zurück, doch die Probleme bleiben bestehen. Nur zu den MAHLZEITEN findet das Paar noch zusammen: kurze Gespräche, Spiele, Partys und Sex. Edgar Reitz

äußerte 2012 in einem Interview mit Blick auf die Förderung seines Spielfilmdebüts: „Diese Freiheiten würden auch dem heutigen Film sehr gut tun.”

 

 

Donnerstag, 7. Mai, 18 Uhr

DAS ANDECHSER GEFÜHL

BRD 1975. R: Herbert Achternbusch

D: Herbert Achternbusch, Margarethe von Trotta. 65 Min. 16mm

 

Ein Dorfschullehrer aus Andechs träumt davon, mit einer berühmten Filmschauspielerin seinem tristen Leben zu entfliehen. Die Wartezeit verbringt er mit übermäßigem Bierkonsum und Seitensprüngen. Doch als die Schauspielerin endlich auftaucht, stellt der Lehrer enttäuscht fest, dass er und sie sich nichts zu sagen haben.

 

 

Sonntag, 10. Mai, 20:30 Uhr

DAS ARCHE NOAH PRINZIP

BRD 1984. R: Roland Emmerich

D: Richy Müller, Franz Buchrieser, Aviva Joel. 100 Min. 35mm

 

Zwei Astronauten befinden sich auf der Raumstation „Florida Arklab”, 189 Kilometer über der Erde. Mit einer neu entwickelten Technologie sollen sie wetterbedingte Katastrophen verhindern. Als sie jedoch bemerken, dass ihre Technik auch militärisch eingesetzt werden soll, sabotieren sie das Programm. Sein Debütfilm ebnete Roland Emmerich den Weg nach Hollywood.

 

 

Dienstag, 12. Mai, 20:30 Uhr

STILLES LAND

Deutschland 1992. R: Andreas Dresen

D: Thorsten Merten, Jeannette Arndt, Kurt Böwe. 98 Min. 35mm

 

Andreas Dresens Debüt spielt im bewegten Herbst des Jahres 1989. Während sich die politischen Ereignisse der Wendezeit überschlagen, ist es in der Provinz noch ruhig. In einem Kleinstadttheater inszeniert der junge Regisseur Kai zum ersten Mal – ausgerechnet Warten auf Godot. Im Schatten der politischen Geschehnisse gewinnt die Geschichte zunehmend an metaphorischer Bedeutung.

 

 

Donnerstag, 14. Mai, 20:30 Uhr

BELLA MARTHA

Deutschland/Österreich/Schweiz/Italien 2001. R: Sandra Nettelbeck

D: Martina Gedeck, Sergio Castellitto, Maxime Foerste. 106 Min. 35mm

 

Für die unterkühlte Martha gibt es nur eine Erfüllung im Leben: das Kochen. Sechs Tage die Woche arbeitet sie als Chefköchin in dem französischen Restaurant „Lido“, dessen Küche sie mit eiserner Hand beherrscht. Dann kommt ihre Schwester bei einem Autounfall ums Leben, und Martha muss sich plötzlich um deren achtjährige Tochter Lina kümmern. Zugleich tritt der lebenslustige Italiener Mario als zweiter Chefkoch in ihr Leben. Mit Wärme und Humor gewinnt dieser bald die Herzen von Lina und Martha. Martina Gedeck erhielt 2002 für ihre Rolle als Martha den Deutschen Filmpreis als Beste Hauptdarstellerin.

 

 

Freitag, 15. Mai, 18 Uhr

BUNGALOW

Deutschland 2002. R: Ulrich Köhler

D: Michael Abendroth, Frank Breitenreiter, Lennie Burmeister. 85 Min.

 

Im Mittelpunkt von Ulrich Köhlers Erstlingswerk steht der 19-jährige Paul. Er ist Rekrut beim Bund und begeht auf dem Rückweg von einem Manöver Fahnenflucht. Er entfernt sich unerlaubt von seiner Truppe und siedelt sich im Bungalow seiner Eltern an – im Niemandsland der hessischen Provinz. Die Eltern sind im Urlaub. Seltsam ruhig vergeht die Zeit. Nur gelegentliche Ausbrüche Pauls erzählen von der angestauten Aggression, der auch sein älterer Bruder zum Opfer fällt. Ulrich Köhler (SCHLAFKRANKHEIT, DE 2011)

zählt heute zu den wichtigsten Vertretern der „Berliner Schule”.

 

 

 

Sonntag, 24. Mai, 20:30 Uhr

Donnerstag, 28. Mai, 20:30 Uhr

KARNIGGELS

Deutschland 1991. R: Detlev Buck

D: Bernd Michael Lade, Julia Jäger, Inga Busch. 94 Min. 35mm

 

Im tiefsten Schleswig-Holstein wird Horst Köpper, genannt „Köppe”, als frischgebackener Absolvent der Polizeischule auf die Verbrecherwelt losgelassen. Diese begegnet ihm in Gestalt eines freundlichen Autodiebs, und schließlich hat er auch noch – eine Sensation auf dem platten Land – mit einer Serie mysteriöser Kuhmorde zu tun. Außerdem hat Köppe ein Auge auf Kollegin Nina geworfen, die aber seine Gefühle nicht recht erwidern will. Köppe sucht sein Heil im Alkohol und gerät mit seiner eigenen Zunft in Konflikt. Detlev Buck überzeugt als Regisseur und Schauspieler, der 1995 mit MÄNNERPENSION einen ersten großen Publikumserfolg landete.

 

 

Pfingstmontag, 25. Mai, 18 Uhr

NEUN LEBEN HAT DIE KATZE

BRD 1968. R: Ula Stöckl

D: Liane Hielscher, Christine de Loup, Jürgen Arndt. 90 Min. DCP (digital

restaurierte Fassung)

 

München im Sommer 1967. Die Journalistin Katharina erhält Besuch von ihrer französischen Freundin Anne. Sie unternehmen Ausflüge, besuchen Cafés, Bekannte und Partys. Dabei erkunden sie in Gesprächen die Chancen weiblicher Emanzipation in einer männlich geprägten Gesellschaft. Der essayistische Spielfilm stellt fünf Frauentypen ins Zentrum der episodischen Handlung. Laut Filmkritikerin Christa Maerker ist Ula Stöckls Abschlussfilm am Ulmer Institut für Filmgestaltung „der erste feministische Film“ der

Bundesrepublik.

 

10 JAHRE „WAS TUT SICH – IM DEUTSCHEN FILM?”

Pfingstmontag, 25. Mai, 20:15 Uhr

DIE WIDERSTÄNDIGEN. „ALSO MACHEN WIR DAS WEITER…”

Deutschland 2015. R: Katrin Seybold, Ula Stöckl

Dokumentarfilm. 87 Min. DCP

 

Die Widerstandsbewegung „Die Weiße Rose“ bestand auch nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl und ihres Freundes Christoph Probst fort. Die jungen Frauen und Männer setzten ihr Leben im Kampf gegen das NS-Regime aufs Spiel und betrachteten ihren Einsatz als Selbstverständlichkeit. In diesem Film kommen sie ausführlich zu Wort. „Die Filme, die ich mache, müssen gemacht werden, denn wenn die Menschen tot sind, sind sie tot, dann haben wir nur noch die Gestapo-Protokolle, die Protokolle der Täter, das geht doch nicht.“ (Zitat Katrin Seybold)

 

 

Mittwoch, 27. Mai, 20:15 Uhr

MY BEAUTIFUL COUNTRY – DIE BRÜCKE AM IBAR

Deutschland 2012. R: Michaela Kezele. D: Zrinka Cvitešić,

Mišel Matičević, Andrija Nikčević. 91 Min. DCP. OmU

 

Während 1999 Bürgerkrieg im Kosovo herrscht, teilt der Grenzfluss Ibar eine kleine Stadt in eine serbische und eine albanische Hälfte. Auf der serbischen Seite lebt die junge Witwe Danica mit ihren Söhnen Vlado und Danilo. Eines Tages flüchtet sich der verwundete albanische UÇK-Soldat Ramiz in ihr Haus. Wider besseres Wissen pflegt Danica den feindlichen Kämpfer gesund, und die beiden verlieben sich – mit fatalen Folgen. Regisseurin Michaela Kezele erhielt zahlreiche Festivalauszeichnungen für den Film, ihr aktuelles Drehbuch wird ebenfalls vom Kuratorium junger deutscher Film gefördert.

Zu Gast: Michaela Kezele

 

 

Samstag, 30. Mai, 20:30 Uhr

Sonntag, 31. Mai, 20:30 Uhr

DIE TÖDLICHE MARIA

Deutschland 1993. R: Tom Tykwer

D: Nina Petri, Josef Bierbichler, Joachim Król. 107 Min. 35mm

 

Die 40-jährige Maria führt mit ihrem Ehemann eine eintönige, festgefahrene Ehe. Außerdem muss Maria sich um ihren kranken, tyrannischen Vater kümmern. Als sie sich eines Tages in ihren sensiblen Nachbarn Dieter verliebt, mündet ihr Versuch, aus ihrem grauen Alltag auszubrechen, geradewegs in eine Tragödie. Tom Tykwers Regiedebüt erhielt viele Auszeichnungen, vom Preis der Deutschen Filmkritik bis zum Deutschen Kamerapreis. LOLA RENNT (DE 1998) bedeutete schließlich Tykwers internationalen Durchbruch, der ihn bis nach Hollywood führte.

Foto: aus Lebenszeichen