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Kategorie: Film & Fernsehen

Der Film DIRIGENTEN mit seinem Regisseur im Kino Mal Seh'n in Frankfurt am letzten Januarsonntag, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das war wirklich eine rundherum schöne Kinovorstellung mit anschließendem Publikumsgespräch mit Regisseur Götz Schauder gewesen, wo die Leute richtig zufrieden, ja glücklich am Sonntagmittag aus dem Kino strömten und wir, inzwischen Experten für den Film DIRIGENTEN, noch einmal tiefer nachfragten.

 

 

Wie sind Sie überhaupt auf das Thema eines Dirigentenwettbewerbs gekommen?

 

Als ich einmal die Gelegenheit hatte, den Solti- Wettbewerb backstage mitzuerleben, spürte ich dass dieser Wettbewerb reichhaltig Themen für einen Dokumentarfilm bot:

Starke Charaktere, die sich in jungen Jahren einen extremen, künstlerischen Beruf ausgesucht haben, eine klare Storyline, die der Wettbewerb durch seine drei Auswahlrunden bietet, die Suche nach nicht in Worte zu fassende Qualitäten, wie Musikalität und Ausstrahlung, das Drama der Teilnehmer, in einer halben Stunde
alles von sich zu zeigen zu müssen und natürlich die Musik selbst, waren für mich ausschlaggebende Gründe und boten mir einen wunderbar vielschichtigen Filmstoff an.

 

Und wie kam es zu den fünf Protagonisten, Ihren Hauptdarstellern?

 

Das Schwierigste bei der Vorbereitung des Films war die Frage, welche der 24 eingeladenen Kandidaten wir filmisch begleiten sollten.

Bei der letzten Auswahlrunde, 6 Wochen vor Beginn des Wettbewerbs, durften wir mit der Kamera dabei sein. Zu diesem Zeitpunkt standen nur noch 50 Bewerber von über 560 Einreichungen aus 70 Ländern zur Diskussion. Anhand von eingereichten DVDs mit Proben oder Konzertaufnahmen der Dirigenten, wurde diese Feld, während einer zweitägigen Sichtung, auf 24 einzuladende Kandidaten verkleinert.  Aber welche Fünf sollten nun die Protagonisten des Films werden?


Wir hätten ja schlecht alle 24 Teilnehmer filmisch durch den Wettbewerb begleiten können. Die Jury, die ich in dieser Entscheidung um Hilfe oder zumindest eine Tendenz auf der Bewerber mögliches Abschneiden beim Wettbewerb bat, antworteten mir salomonisch: Manche Kandidaten wirkten auf ihren eingereichten DVDs sehr überzeugend, entpuppten sich dann aber in Frankfurt beim Wettbewerb als eher "schwach". Bei anderen sei es  genau andersherum: ein mittelmäßiges Erscheinen auf der eingereichten DVD, aber  dann überraschend stark während des Wettbewerbs. Was also tun?

 

Es gab drei bis vier eingeladene Kandidaten, die mich beim Betrachten ihres Dirigats staunend zurückgelassen hatten. Spürbar und phänomenal gut in jungen Jahren! Manche dazu noch mit  beeindruckenden Lebensläufen: Ein 27jähriger Spanier zum Beispiel, der nicht nur bereits Erfolge mit bekannten Orchestern gefeiert hatte, sondern auch als Dirigent mit der englischen Band The Prodigy zusammen gearbeitet! Ihn hätte ich sicherlich begleitet, aber er ist gar nicht erst zum Wettbewerb nach Frankfurt gekommen. Er hatte wohl Besseres zu tun.

 

Mir ging es letztlich nicht nur darum, die mir phänomenal gut erscheinenden Dirigenten auszuwählen, sondern auch diejenigen, die zwar extremes Talent zeigten, aber auch
noch auf der Suche nach ihrer eigenen Rolle als Dirigent waren. Vor allem aber mussten mich die Fünf als Personen und Mensch wirklich interessieren und gemeinsam, als Ensemble eines Films eine große Bandbreite aufzeigen, wie unterschiedlich man sich als Dirigent einem Orchester annähern und seine Ideen vermitteln kann.

 

Die Dreharbeiten und gerade die erste Auswahlrunde, in der nach dem zweiten Tag des Wettbewerbs bereits 15 der eingeladenen Teilnehmer ausschieden, waren dann aber auch für mich nervenaufreibend. Bei der Verkündung der ersten Juryentscheidung wußte ich selbst nicht, welcher der von uns begleiteten Dirigenten, in die nächste Runde weiter kommen würde. Wären sie alle ausgeschieden, hätten wir unsere Kameras nach zwei Tagen zusammenpacken und nach Hause gehen können. Wir hatten aber Glück. Den sehr dramatischen Verlauf, den dieser Wettbewerb für unsere Protagonisten genommen hat, hätte man nicht besser als  Drehbuch schreiben können. Viele Zuschauer erleben den Film daher auch fast wie einen Spielfilm, als sehr spannend und mit ganz unerwarteten Wendungen bis zum Schluß.

 

Die Dreharbeiten waren im März 2008, der Film wurde als Welturaufführung im März 2015 auf dem Lichter Filmfest gezeigt. DIRIGENTEN lief nun am 28. Januar in deutschen Kinos an. Warum hat das solange gedauert?

 

Der Film haben wir ohne jede finanzielle Beteiligung von Filmförderern oder Fernsehanstalten gedreht. Wir hatten von Anfang an keinen Cent für irgendetwas in der Tasche und also ganz im eigenen Auftrag gearbeitet. Die knapp zehntägigen Dreharbeiten, waren auf diesem Weg noch zu bewältigen, durch die freiwillige Mitarbeit von Kommilitonen, die der Wettbewerb und das Geheimnis des Dirigierens genauso fasziniert hatten wie mich.

 

Bis zum fertigen Film hat es  dann tatsächlich lange gedauert. Zunächst lag das 150stündige Material dreieinhalb Jahre auf diversen Festplatten und konnte mangels Finanzierung nicht bearbeitet werden. Dann hatte ich das Glück, den erfahrenen Dokumentarfilmproduzent Hubertus Siegert kennenzulernen:  Er hat mir zunächst seinen Schneideraum und vor allem seine Erfahrung als Dokumentarfilmregisseur und Dramaturg angeboten. Da ich selbst als Cutter arbeite, konnte ich das umfangreiche Material über mehrere Monate in Form bringen.


Zur Bearbeitung eines Films gehört aber auch die Tonmischung, die Bildbearbeitung fürs Kino, die Herstellung des Abspanns, den Erwerb von Kinorechten und vieles mehr, für die man einfach Geld braucht.


Durch ein Crowdfunding im Internet, an dem sich über 300 Personen beteiligt haben, und durch das entscheidende Engagement von Hubertus Siegert als Produzent des Films,
konnte "DIRIGENTEN - Jede Bewegung zählt" dann endlich fertig gestellt werden. Es hat dann noch einmal eine gewisse Zeit gedauert, bis wir unseren  Verleih mindjazz pictures gefunden haben, der den Film nun in Deutschland in über 30 Kinos gebracht hat.

 

 

Es ist ja wirklich ganz Ihr eigener Film. Mehr Autor geht sozusagen nicht. Sie hatten die Idee, schrieben das Drehbuch, führten bei den Aufnahmen Regie und haben den Film noch selbst geschnitten! 84 Minuten aus 150stündigem Material. Tat das nicht weh?

 

Ich kann nicht sagen, dass dem Schnitt Szenen zu Opfer gefallen sind, die mir in der finalen Kinofassung fehlen würden.


Götz Schaudert über sich selbst

 

Ich habe in an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach Kunstgeschichte, freie Gestaltung und Film studiert. Ein interdisziplinäres Studium also, mit der Möglichkeit einer künstlerischen Auseinandersetzung, die weit über den Film hinaus geht. Filmerisch habe ich mit inszenierten Kurzfilmen und Musikvideos während des Studiums begonnen, mich dann aber für meinen Abschlußfilm für ein dokumentarisches Thema entschieden.

 

Ursache für dieses Umschwenken, waren Begegnungen mit Kinodokumentarfilmen des "Direct Cinema". Besonders der Dokumentarfilmklassiker "Paris is burning" hat damals bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen und mir aufgezeigt, welche dramaturgischen und ästhetischen Möglichkeiten Dokumentarfilme bieten. In meinem Abschlußfilm "Bob´s Place" (2005) portraitiere ich den Friseur Bob Kebede, der als Flüchtlingsjunge Anfang der 80er Jahre nach Frankfurt kam, hier in einer deutschen Familie aufwuchs, sich in seiner Jugend eine "schwarze" Ersatzfamilie bei den afroamerikanischen Soldaten der Frankfurter Airbase suchte und als Erwachsener seine verschiedenen Identitäten - als Eritrer, Deutscher und Wahlamerikaner- auf wunderbareweise in einem "Barber Shop"
zusammenführte. Seine Geschichte, und die seiner internationalen, polyglotten Kundschaft erzählt der Film.

 

Der 20minütige Dokumentarfilm feierte seine Premiere in der Stadt der Barber Shops, New York, wo er im Kurzfilmwettbewerb des Tribeca Film Festivals lief - natürlich im Beisein des Protagonisten Bob Kebede, der den Festivaltrubel sehr genossen hat.

Der Film verschaffte mir bald die Möglichkeit,  erste Dokumentationen für den Hessischen Rundfunk zu drehen. Meist über das "amerikanische" Frankfurt. Die Schließung der Air Base nach über 60 Jahren inmitten des us-amerikanischen Truppenaufmarsches, war zum Beispiel eines meiner Themen.

 

 

Info über den Wettbewerb

 

Kooperationspartner
Alte Oper Frankfurt
Frankfurter Museums-Gesellschaft
Hessischer Rundfunk / hr-Sinfonieorchester
Oper Frankfurt

Orchester
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
hr-Sinfonieorchester

 

 

Wettbewerbsleitung
Michael Traub, Leiter des Bereichs Musik und Orchester beim Hessischen Rundfunk und Orchestermanager des hr-Sinfonieorchesters
Bernd Loebe, Intendant und Geschäftsführer der Oper Frankfurt
Dr. Stephan Pauly, Intendant und Geschäftsführer der Alten Oper Frankfurt

Dr. Burkhard Bastuck (verantwortlich), Vorsitzender der Frankfurter Museums-Gesellschaft

 

Letzter Wettbwerb 17.-22. Februar 2015

Nächster Wettbewerb 2017

 

 

Info zum Kino

 

MAL SEH'N KINO

 

Im November 1984 unter dem Namen Werkstattkino mal seh´n im Frankfurter Nordend eröffnet. Seit 1999 betreibt es der gemeinnützige Verein mit viel Enthusiasmus am „Filme zeigen“. 

Ambitioniertes unabhängiges Programmkino mit Hang zum Ausgefallenen. 

MAL SEH'N KINO bietet eine Mischung ausgesuchter aktueller Spielfilme (meist in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln), wichtiger Dokumentarfilme und thematisch zusammengestellter Kurzfilmprogramme.  

An den Wochenenden gibt es zusätzlich Matinee - und regelmäßig Kinderfilmveranstaltungen.

Kooperationen mit anderen Vereinen und Institutionen oder Gespräche mit eingeladenen Filmemachern, Schauspielern und Autoren ergänzen und bereichern das Programm.

Dem Kino angegliedert ist ein gemütliches Café, das vor oder nach dem Film zum Verweilen einlädt. Im 1. Stock werden im Ausstellungsraum SCHAUT! im monatlichen Wechsel aktuelle Videokunstarbeiten zeitgenössischer Künstler präsentiert. 

 

 

Bisherige Artikel in WELTEXPRESSO zu DIRIGENTEN

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6447:dirigenten-jede-bewegung-zaehlt&catid=79&Itemid=471

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4525:conduct-jede-bewegung-zaehlt&catid=79:kino&Itemid=471