Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. Mai 2016, Teil 3

Margarete Frühling


München (Weltexpresso) - Srinavasan Ramanujan (Dev Patel) lebt 1913 in Madras, ist 25 Jahre alt, arbeitslos, verheiratet mit Janaki (Devika Bhisé), hat keine formale Ausbildung und ist ein Mathematik-Genie. Da Papier rar ist, schreibt er seine mathematischen Formeln mit Kreide auf den Boden eines Tempels. Er glaubt, dass die Formeln ein Geschenk der Göttin Namagiri seien.


Daneben führt er auch ein mathematisches Notizbuch. Dies zeigt er bei seiner Arbeitssuche einem Angestellten von Sir Francis Spring (Stephen Fry). Er bekommt einen Job als Büroangestellter unter der Maßgabe, dass er die Formeln erklärt. Dadurch ist er in der Lage, sich eine Wohnung zu suchen und seine Frau zu sich zu nehmen.

Durch Springs Beziehungen kann Ramanujan Arbeitsproben an Mathematik-Professoren in Cambridge senden. G.H. Hardy (Jeremy Irons), einer der führenden theoretischen Mathematiker seiner Zeit, ist fasziniert und lädt ihn ins Trinity-College nach Cambridge ein. Ramanujan fährt mit dem Schiff nach England, obwohl es ihm als Brahmanen eigentlich verboten ist, ein Schiff zu besteigen.

In Cambridge angekommen, lernt er recht schnell die Ressentiments der britischen akademischen Oberschicht kennen, er hat allerdings neben Hardy auch einen Förderer in John Littlewood (Toby Jones). Auch Bertrand Russell (Jeremy Northam) spricht sich für Ramanujan aus, hat aber wegen seiner pazifistischen Haltung selbst große Probleme in Cambridge vor und während des ersten Weltkrieges.

Für den jungen Inder ist alles gewöhnungsbedürftig: das regnerische kalte Wetter, das für einen Vegetarier unmögliche Essen, die ungewohnte Kleidung und besonders der Wissenschaftsbetrieb. Hardy versucht ihn dazu zu bringen, dass er für seine mathematischen Formeln auch Beweise erstellt. Dies ist für den akademisch ungebildeten Mann, der meint, seine Eingebungen von einer Göttin zu bekommen, äußerst unverständlich. Das wiederum ist für den Atheisten Hardy schwer zu begreifen.

Gerade als Ramanujan sich eingewöhnt hat und seine Frau nachholen will, beginnt der erste Weltkrieg. Jetzt wird es für den Vegetarier nicht nur schwer, passende Nahrung zu bekommen, er merkt auch deutlich, wie die englischen Studenten und Soldaten, die ein Lazarett auf dem Campus haben, auf ihn herabsehen. Während dieser Zeit verschlechtert sich auch sein Gesundheitszustand rapide.

Gegen alle Widerstände erreicht Hardy, dass Ramanujan der Titel eines Fellow of the Royal Society verliehen wird. Da er inzwischen todkrank ist, kehrt er nach Indien zurück, dort stirbt er etwa ein Jahr später am 20. April 1920 mit 32 Jahren. Er hinterlässt ein mathematisches Erbe, das bis heute noch nicht vollständig bewiesen ist.


Der Film "Die Poesie des Unendlichen" beruht auf der Biografie von Robert Kanigel "The Man Who Knew Infinity: A Life of the Genius Ramanujan" von 1991, deutscher Titel ist "Der das Unendliche kannte. Das Leben des genialen Mathematikers Srinivasa Ramanujan" (1995). Regisseur Matthew Brown hat das Drehbuch zum Film auch selbst verfasst. Er hat dabei großen Wert darauf gelegt, sowohl die Brillanz, den Snobismus und die Vorurteile der englischen Akademiker als auch die völlig andere Herangehensweise des nicht akademisch gebildeten Inders zu zeigen. Dabei wird deutlich, dass seine Bewunderung eindeutig auf Seiten Ramanujans liegt, auch wenn es ihm sichtlich Spaß gemacht hat, die Dialoge zwischen Hardy, Russell und Littlewood zu verfassen.

Theoretische Mathematik ist für den normalen Sterblichen sicher schwer verständlich. Matthew Brown schafft es aber die mathematischen Probleme einfach nur anzureißen und ansonsten baut er sie nur kurz in die Handlung ein, dadurch langweilt er auch den Laien nicht.

Dev Patel spielt hier eine seiner besten Rollen. Er schafft es, Ramanijans Probleme mit dem ihm fremden akademischen Leben aber auch seine Leidenschaft für Mathematik, seine Würde und seine absolute Überzeugung, dass seine Formeln richtig sind, einzufangen. Jeremy Irons porträtiert Hardy als einen loyalen, aber auch exzentrischen Wissenschaftler, der versucht, das Genie zu fördern, ihm aber gleichzeitig auch die akademischen Gegebenheiten beibringen muss. Toby Jones ist hervorragend als Hardys Freund John Littlewood. Jeremy Northam füllt die kleine Rolle von Hardys Freund Bertrand Russell mit englischem Understatement perfekt aus. Die Newcomerin Devika Bhisé zeigt in ihrem Spiel deutlich, dass Ramanujans Frau, obwohl sie Analphabetin war, immer ihren Mann unterstützt hat, auch wenn sie sicher keine Ahnung hatte, was eigentlich in seinem Kopf vorging.

Insgesamt ist "Die Poesie des Unendlichen" eine interessante Biographie, die versucht dem Zuschauer einen unkonventionellen Wissenschaftler und dessen Hingabe an seine Arbeit nahe zu bringen. Man muss nichts von Mathematik verstehen, um von dem Film und der Persönlichkeit Ramanujans beeindruckt zu sein.

Foto: Srinavasa Ramanujan (Dev Patel), G. H. Hardy (Jeremy Irons) und John Littlewood (Toby Jones) © Wild Bunch Germany

Info:
Die Poesie des Unendlichen (USA, Großbritannien, Indien 2015)
Originaltitel: The Man Who Knew Infinity
Genre: Biopic, Drama
Filmlänge: 114 Minuten
Regie und Drehbuch: Matthew Brown
Darsteller: Dev Patel, Jeremy Irons, Toby Jones u.a.
Verleih: Wild Bunch Germany
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 12.05.2016