Der Film über den Hessischen Generalstaatsanwalt in DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER räumt nach neun Nominierungen sechs Lolas ab

 

Romana Reich und Claudia Schulmerich

 

Berlin und Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Am Ende der Verleihung des 66. Deutschen Filmpreises war eigentlich nur komisch, daß beim Preissegen für DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER ausgerechnet der Bauer verkörpernde Hauptdarsteller Burghart Klaußner leer ausging. Dabei hatten sich an ihm die Lobeshymnen deutscher Filmkritik entzündet.

 Zeit, sich über Preise und Kritik deutlicher zu unterhalten. Regisseur Lars Kraume ist ein begabter Filmregisseur, das zeigen viele seiner Filme. Und auch in DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER gibt es interessante Sequenzen. Woran sich die Kritik entzündete, ist die Darstellung der Person Fritz Bauer und die zeitgeschichtliche Wiedergabe der immer noch jungen Bundesrepublik. Unter der Hand nehmen ihm die Filmkritiker, die den Film ablehnen – eine wichtige Minderheit – übel, daß er den ernsthaft arbeitenden, sehr politischen Bauer zu einem eher rachsüchtigen, noch dazu jüdischen und schwulen Wurzelsepp stilisierte, wobei gerade der von anderen so hervorgehobene Burghart Klaußner als Karikatur des zwar schwäbelnden, aber nicht kleinbürgerlich-engen Bauers abgelehnt wurde. Eindeutig eine Sache des Drehbuchs, die von Klaußner aber verschärft wurde.

 

Nun hat der Film den wichtigsten Preis, die Goldene Lola für den besten Film erhalten, die traditionell dem Produzenten des Films überreicht wird. Thomas Kufus reckte die Lola hoch und widmete sie Fritz Bauer, der fast vergessen war und dessen Wirken als Staatsanwalt in Braunschweig und Generalstaatsanwalt in Hessen maßgeblich zur Wahrheit über den NS-Unrechtsstaat und zu seiner gesellschaftlichen Aufarbeitung in Westdeutschland beitrug. Das wissen die Zeitzeugen von damals und das wissen diejenigen, die den 2010 auf der Berlinale aufgeführten Dokumentarfilm von Ilona Ziok FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN kennen.Dieser Film hat erstmals Fritz Bauer, der 1968 starb, öffentlich wahrnehmbar in die Gegenwart zurückgeholt.

 

Und so kann man sich zwar – jetzt völlig unabhängig davon, in welcher Weise Bauer dargestellt wurde - freuen, daß in der Folge inzwischen zwei Spielfilme und ein Fernsehfilm über Fritz Bauer gedreht wurden, es stößt einem aber doch bitter auf, daß keiner der Filme, die nachweislich ihre Grundlage und Kenntnisse aus dem erwähnten Dokumentarfilm besitzen, dies in irgendeiner Weise in ihrem Abspann dokumentieren. So nämlich ist es guter Brauch. Und so wäre es schön gewesen, wenn wenigstens der Produzent Kufus dies erwähnt hätte. So müssen wir uns zufrieden geben damit, daß er die Lola Fritz Bauer widmete, was uns freut.

 

Neben der Lola für den besten Film gab es für DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER fünf weitere Lolas für Regie sowie Drehbuch zusammen mit Oliver Guez an Lars Kraume, der Film bekam ebenfalls Lolas für Szenenbild und Kostüm und dann erhielt der wirklich sehr gute Schauspieler Ronald Zehrfeld als bester Nebendarsteller eine Lola, was deshalb merkwürdig ist, weil er nun gerade in dieser Rolle eine ausgesprochen verschwommene Figur darstellen muß.

 

Damit sind von den 16 zu vergebenen Lolas noch zehn Lolas offen. Bester Dokumentarfilm wurde ABOVE UND BELOW, der auch die Lola für die beste Kamera erhielt. Bester Kinderfilm wurde HEIDI, die Lola für die beste weibliche Hauptrolle erhielt Laura Tonke für HEDI SCHNEIDER STECKT FEST, gleichzeitig erhielt sie auch die Lola für die beste weibliche Nebenrolle in MÄNGELEXEMPLAR. Bei ihrer Dankesrede wußte man nicht so genau, ob sie einfach emotional überwältigt war oder eine politisch-intellektuell wache Zeitgenossin ist, denn ihre Vorschläge, sie könne nämlich Hedi Schneider bis an ihr Lebensende spielen, von wegen DER STAAT GEGEN HEDI SCHNEIDER oder HEDI SCHNEIDER IST WIEDER DA oder HEDI SCHNEIDER – JETZT ERST RECHT haben es in sich. Keinem war die persönliche Freude über die Ehrungen so anzusehen wie ihr, die ihre beiden Lolas in den Händen nach oben reckte und dann mit beiden Lolas auch noch auf die Bühne kommen sollte – und gerne kam - , als es um die Goldene Lola für DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER ging. Auch dort spielt sie mit.

 

Bester männlicher Darsteller wurde Peter Kurth für seine Rolle als ALS-Erkrankter Ex-Boxer HERBERT in dem gleichnamigen Film, der ebenfalls die Silberne Lola für den zweitbesten Film und zudem die Lola für das beste Maskenbild erhielt. Die bronzene Lola erhielt – endlich – eine weibliche Regisseurin, Theresa von Eltz, für ihr Jugenddrama in der Psychiatrie 4 KÖNIGE.

 

Die von Tom Tykwer inszenierte Romanverfilmung EIN HOLOGRAMM FÜR DEN KÖNIG, die erst am 28. April in die Kinos kam, hat nur eine einzige Lola gewonnen, die für den besten Schnitt und die beste Tongestaltung. EVERY THING WILL BE FINE wurde als beste Filmmusik ausgezeichnet. Schon vorher war bekannt, daß Regine Ziegler für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wird und der Film FACK JU GÖHTE für die mit 7, 6 Millionen meisten Zuschauer. Übrigens sind das immer noch weniger als jeder durchschnittliche TATORT am Sonntagabend vor die Fernsehbildschirme bringt.

 

Überhaupt nicht erwähnt wurde VOR DER MORGENRÖTE, der erst am Donnerstag anläuft und ein ausgezeichneter Film ist, überhaupt nicht erwähnt wurde ER IST WIEDER DA von David Wnendt, überhaupt nicht EIN ATEM oder GRÜSSE AUS FUKUSHIMA und so viele andere Filme mehr. Nein, das stimmt etwas nicht mit den Preisvergaben. Das wurde allen deutlich und über dem so stimmigen Publikumsgelächter und dem gegenseitigen Gernhaben, wurde überdeutlich, daß da etwas nicht stimmt mit dem Deutschen Film und seiner Akzeptanz innerhalb und außerhalb Deutschlands. Denn im Ausland nimmt man den deutschen Film überhaupt nicht wahr. Und im Inland sind solche hervorragenden Filme wie der von Christian Petzold PHOENIX mit einer wunderbaren Nina Hoss und einem tollen Ronald Zehrfeld (dafür hätte ihm damals der Darstellerpreis gehört!), einfach nicht existent, werden nicht zur Kenntnis genommen, vom Publikum nicht und von den Lolas erst recht nicht.

 

Nun hoffen alle, daß sich im nächsten Jahr mit dem in Cannes hervorgestochenen Film von Maren Ade TONI ERDMANN alles zum Guten wende.

 

Info:

In Weltexpresso erschienen Beiträge (Auswahl)  zu dem nur sechs Lolas ausgezeichneten Gewinnerfilm, einschließlich des Interviews über

DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER

mit Regisseur Lars Kraume:

http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/kino/6933-ein-gespraech-mit-dem-regisseur-lars-kraume

 

http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/zeitgesehen/7059-ein-buch-und-ein-film-die-wieder-nicht-genannt-wurden

http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/kino/6691-fritz-bauer-ueber-die-pflicht-zum-ungehorsam-oder-verraeter-jude-und-schwul

http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/kino/6678-da-stimmt-was-nicht

http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/kino/6932-kampf-um-die-deutungshoheit

 http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/kino/5659-interview-mit-bauerdarsteller-burghart-klaussner

http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/kino/5658-interview-mit-regisseur-lars-kraume

http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/kino/5660-ein-suechtiger-wurzelsepp-als-staatsanwalt

http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/kino/5655-der-staat-gegen-fritz-bauer-oder-der-jude-ist-schwul