Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. August 2016, Teil 3

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - 1929 in New York: Maxwell Perkins (Colin Firth), Lektor beim Verlag Charles Scribner's Sons erhält ein etwa 1100seitiges Manuskript namens "O Lost". Obwohl es von so ziemlich allen Verlagen in New York abgelehnt worden ist, will er es verlegen und trifft sich mit dem Autor Thomas Wolfe (Jude Law), um an den Kürzungen zu arbeiten.

Perkins hat schon früher dafür gesorgt, dass andere unbekannte Autoren wie F. Scott Fitzgerald (Guy Pierce) oder Ernest Hemingway (Dominic West) bei Scribner verlegt wurden.

Während Wolfe und Perkins um jede Formulierung kämpfen, kommen sie sich persönlich näher. Am Ende kürzen Perkins und Wolfe 300 Seiten aus dem Manuskript heraus. Die Freundschaft macht sowohl Wolfes 20 Jahre ältere Geliebte, die Kostümdesignerin Aline Bernstein (Nicole Kidman), als auch Perkins Ehefrau Louise (Laura Linney) eifersüchtig.

Der Roman, der im allerletzten Moment in "Look Homeward, Angel" (Schau heimwärts, Engel) umbenannt wird, wird ein großer Erfolg. Die ersten 15 000 Exemplare sind sofort verkauft.

Während Aline Bernstein merkt, dass ihre Beziehung zu Wolfe langsam zu Ende geht, bringt Wolfe ein neues Manuskript in Perkins Büro: Drei Kisten mit etwa 5000 handgeschriebenen Seiten und dem Titel "Of Time and the River" (Von Zeit und Strom). Perkins lässt das Manuskript abtippen und beginnt mit Wolfe zu kürzen, dabei versucht er Wolfe klar zu machen, welche Worte für den Fortgang der Geschichte wichtig sind und was gestrichen werden kann.

Die Arbeit dauert nicht Monate sondern mehrere Jahre, da Wolfe um jedes Wort streitet und immer wieder neue Absätze einbringen will. Gleichzeitig wird die Freundschaft zwischen Wolfe und Perkins enger. Darunter leidet nicht nur Perkins Familienleben. Die Beziehung von Wolfe zu Aline geht endgültig zu Bruch.

Als das Buch 1935 endlich erscheint (mit einer Widmung von Thomas Wolfe für seinen Lektor) wird es sofort positiv aufgenommen. Aline Bernstein und auch Ernest Hemingway sagen Perkins voraus, dass sich Wolfe von ihm abwenden wird. Perkins glaubt Hemingway nicht, muss aber bald feststellen, dass er Recht hat. Bei einem Abendessen bei Perkins, bei der auch Louise, Scott und die kranke Zelda Fitzgerald (Vanessa Kirby) anwesend sind, betrinkt sich Wolfe und benimmt sich Zelda gegenüber so daneben, dass Perkins ihn aus dem Haus wirft.

Wolfe geht nach Hollywood und verlässt Scribner. Dort allerdings bricht er eines Tages am Strand zusammen. Die Ärzte haben bei ihm einen Gehirntumor im Endstadium festgestellt, von dem er sich nicht mehr erholen wird. Er stirbt am 15. September 1938.


"Genius - Die tausend Seiten einer Freundschaft" ist die erste Filmregie von Michael Grandage, einem bekannten Theaterregisseur, der von 2002 bis 2012 Künstlerischer Leiter des Donmar Warehouse in London war. Genius ist ein Lieblingsprojekt des Drehbuchautors John Logan. Es beruht auf der Biographie "Max Perkins: Editor of Genius" von A. Scott Berg von 1978.

Die Hauptrollen und auch einige der Nebenrollen wurden von Grandage mit englischen oder australischen Schauspielern besetzt. Jude Law, der im Original den von Wolfe gesprochenen Südstaatenakzent benutzt, hat bereits in zwei Theaterproduktionen von Michael Grandage mitgewirkt (Hamlet und Henry V).

Law spielt Thomas Wolfe sprunghaft mit überbordenden Ideen während Colin Firths Maxwell Perkins ein reservierter Mann ist, der sich kaum aus der Ruhe bringen lässt und deshalb auch mit schwierigen Autoren zusammenarbeiten kann.

Firth und Law können sich in ihren Rollen gegenseitig anstacheln, vor allem, da der Film ihnen auch viel Raum für ihre Zusammenarbeit und ihre aufkommende Freundschaft lässt. Den beiden zuzuschauen, wie ihr Verhältnis zueinander dauernd schwankt und sie dadurch gezwungen sind, über ihren Lebenswandel nachzudenken, macht großen Spaß.

Weniger interessant sind sicher die Szenen, die sich mit dem Privatleben der Protagonisten beschäftigt. Auch ist eigentlich nicht klar, warum Grandage die kurze Szene mit Hemingway in den Film aufgenommen hat. Dagegen zeigen die Szenen mit Fitzgerald und seiner kranken Frau, dass Perkins sich auch menschlich für seine Autoren einsetzt und ihnen auch mal privat aus einer finanziellen Notlage hilft.

Die Stimmung des New York der Zwanziger- und Dreißiger-Jahre wurde sorgfältig bis in die Details der Sets und Kostüme gestaltet. Auch das Zeitkolorit der Weltwirtschaftskrise oder der Roaring Twenties (z.B. beim Besuch eines schwarzen Jazzclubs) wurden angedeutet.

Insgesamt ist "Genius - Die tausend Seiten einer Freundschaft" ein interessanter und schön anzusehender wenn auch manchmal etwas statischer Film, der deutlich zeigt, welchen Anteil ein Lektor am Erfolg oder Misserfolg eines Autors und seiner Werke haben kann. Für Literaturfreunde ist dieser Arthouse-Film unbedingt sehenswert; auch weniger an Literatur Interessierte werden den Film wegen der beachtenswerten schauspielerischen Leistungen genießen.

Foto: Thomas Wolfe (Jude Law) schreibt so ausführlich wie er spricht und muss von Maxwell Perkins (Colin Firth) gezügelt werden. © Wild Bunch Germany

Info:
Genius - Die tausend Seiten einer Freundschaft (USA, Großbritannien 2016)
Originaltitel: Genius
Genre: Biopic, Drama
Filmlänge: 105 Minuten
Regie: Michael Grandage
Drehbuch: John Logan
Darsteller: Colin Firth, Jude Law, Nicole Kidman, Laura Linney, Guy Pierce u.a.
Verleih: Wild Bunch Germany
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 11.08.2016