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Kategorie: Film & Fernsehen

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. August 2016, Teil 4

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Ben Cash (Viggo Mortensen) ist ein Aussteiger. Er lebt mit seinen sechs Kindern zwischen sieben und 18 Jahren in den Wäldern Washingtons. Ben unterrichtet seine Kinder nicht nur selbst und bringt ihnen ein überdurchschnittliches Wissen bei, sondern er verlangt auch, dass sie selbst denken, und er zeigt ihnen, wie man jagt und in der Wildnis überlebt.


Als der 18jährige Bodovan "Bo" (George Mackey) seinen ersten Hirsch nur mit einem Messer erlegt, wird er von Ben zum Mann erklärt. Die Familie lebt allein im Wald unter einfachen Verhältnissen und als Selbstversorger. Sie haben keinen Kontakt zu neuer Technologie oder dem Lärm und Tempo der restlichen Welt.

Bei einem Besuch im nächstgelegenen Städtchen erfährt  Ben durch einen Anruf, dass seine Frau Leslie (Trin Miller), die in einem Sanatorium in New Mexico war, nach langer Krankheit Selbstmord begangen hat. Seine Schwiegereltern Jack (Frank Langella) und Abigail (Ann Dowd) wollen ein christliches Begräbnis möglichst ohne Ben und seine Brut, während Leslie in ihrem Testament verbrannt werden wollte.

Auf Drängen der Kinder macht Ben sich in ihrem alten Familienbus auf den Weg nach Süden und in die Zivilisation. Dies stellt vor allem für die Kinder eine enorme Herausforderung dar, denn sie haben ein Leben außerhalb des Waldes zuvor kaum kennengelernt.

Schon das Zusammentreffen mit Leslies Schwester Harper (Kathryn Hahn) und ihrer Familie zeigt, wie gebildet Berns Kinder sind, wie wenig sie aber von der realen Welt kennen gelernt haben. Besonders der 12jährige Rellian (Nicholas Hamilton) ist von den Computerspielen, vom Fernsehen etc. begeistert.

Als dann auch das Zusammentreffen mit den Großeltern in einem Eklat endet und der Großvater droht, für seine Enkel das Sorgerecht zu beantragen, sind es letztendlich die Kinder selbst, die ihre eigenen Entscheidungen treffen und so auch versuchen, Mutters Testament zu erfüllen....


Regisseur von "Captain Fantastic" ist Matt Ross, der auch das Drehbuch verfasst hat. Er wurde für den Film bei den Filmfestspielen in Cannes im Mai 2016 mit dem Regiepreis in der Sektion Un Certain Regard ausgezeichnet.

Matt Ross, der selbst in eine Kommune auf dem Land aufgewachsen ist, zeigt auf charmante Weise das Leben dieser Robinson-Familie. Der Zuschauer kann sich an vielen Stellen dem naiven Charme der Kinder nicht entziehen, die über ihr Alter hinaus gebildet sind und unbefangen Fragen stellen, die vom Vater genauso selbstverständlich beantwortet werden.

Der Regisseur zeigt aber auch auf, dass ein solches Leben nicht nur seine Vorteile hat, sondern dass Ben sich in einigen Situationen doch auch wie ein echter Familientyrann verhält und nur seine Meinung gelten lässt; z.B. wenn Bo erzählt, dass er bei vielen der bekannten Elite-Universitäten auch ohne richtigen Schulabschluss angenommen worden ist, wenn Rellian sich darüber ärgert, dass sie nicht wie allen anderen Familien Weihnachten feiern oder wenn die Kinder beim Besuch eines Burger-Restaurants ganz wild auf das Essen dort sind.

Es wird auch an anderen Stellen gezeigt, dass das Wissen der Kinder über die Welt hauptsächlich aus Büchern stammt, vom praktischen Leben sind sie dagegen schnell überfordert.

Andere Szenen sind wunderbar amüsant, z.B. wenn sich die agnostische Familie einem Polizisten gegenüber als Homeschooling-Hardcore-Christen ausgibt und ihn dann mit religiösen Liedern in die Flucht schlägt oder wenn Bo einem Mädchen direkt nach dem ersten Kuss einen hochtrabenden Heiratsantrag macht.

Leider fehlt dem Film an einigen Stellen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen von Bens alternativer Lebensweise, denn der Weg zum Leben in einer Sekte ist doch nicht allzu weit. Ein wenig mehr Ambivalenz hätte dem Film an solchen Stellen sicher nicht geschadet.

Es ist dann doch ein geglückter aber auch utopischer Moment, wie es Ben und den Kindern am Ende gelingt, ihre Lebensweise mit den Verlockungen der modernen Welt zu vereinbaren.

Insgesamt ist "Captain Fantastic - Einmal Wildnis und zurück" trotz der geäußerten Kritik ein wunderbarer und absolut sehenswerter Film, den man sich ganz sicher mit der ganzen Familie ansehen kann. Dabei stechen Viggo Mortensen und George Mackay schauspielerisch hervor, aber auch die übrigen Kinder zeigen tolle Leistungen. Eltern sollten aber nicht verwundert sein, wenn die eigenen Kinder anschließend ein paar unangenehme Fragen stellen.



Foto:

Bens Kinder, v.l.n.r.: Zaja (Shree Crooks), Nai (Charlie Shortwell), Bodevan (George MacKay), Rellian (Nicholas Hamilton), Kielyr (Samantha Isler), Vespyr (Annalise Basso) © Universum Film

Info:
Captain Fantastic - Einmal Wildnis und zurück (USA 2016)
Originaltitel: Captain Fantastic
Genre: Tragikomödie
Filmlänge: 118 Minuten
Regie und Drehbuch: Matt Ross
Darsteller: Viggo Mortensen, George Mackay, Annalise Basso, Frank Langella, Kathryn Hahn, Steve Zahn u.a.
Verleih: Universum Film
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 18.08.2016