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Kategorie: Film & Fernsehen

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. September 2016, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Hätte das Kino des Deutschen Filmmuseums nicht die Veranstaltung mit dem Schauspieler und Regisseur Bernd Michael Lade  angeboten, wo Lades dritter Film gezeigt wurde, hätten die Filmjournalisten in Frankfurt und drumherum nichts von dieser wirklich sehenswerten Film erfahren.


Warum DAS GESTÄNDNIS so gut ist? Weil es eine DDR zeigt, die es auch gegeben hat und die differenziert darstellt wird als eine Ja-Sager-Gesellschaft, die andere zwingt, auch Ja zu sagen, die aber inmitten von vorgeschriebener Gleichsagerei eine unerhörte Vielseitigkeit der Charaktere und ihrer Verhaltensformen ausweist. Menschen, die sich bei aller Kontrolle von oben so zeigen, sie sie sind und die im Miteinander bei aller Überwachungsangst oder Überwachungseuphorie ihre eigene Persönlichkeit entwickeln und zeigen, ohne Angst, wem sie dabei wehtun, schon gar nicht Angst, selber Nachteile zu haben. Na, wenn schon. Das gilt auf alle Fälle für den Sympathieträger, den Lade selber darstellt und der der Verhörspezialist ist.

Daß also dieser Film schon beim Zuschauen das Gefühl von Heimat vermittelt, daß hier eine Gruppe von Menschen, es ist das Kriminalkommissariat, ha: in der DDR, wo es doch keine Verbrechen geben sollte, heißt es dienstlich Morduntersuchungskommission, daß also ausgerechnet diese Dienststelle etwas Warmes, Anheimelndes, Übersichtliches erhält, ist dem Drehbuch geschuldet, das den Roman von einem C. Curd verfilmt, eindeutig ein Pseudonym und zwar eines, das den Schreiber ausweist als einen, der von innen kommt und ganz genau weiß, was er da zu Papier bringt, was kongenial in den Film umgesetzt wird.

Diese menschliche Dichte, diese abgewrackte DDR mit einer abgewrackten Partei auf dem Weg zur Auflösung wird auch deshalb so fulminant deutlich, weil wir die Arbeit des Kommissariats und der internen Graben- und Bruderkämpfe vom Juni 1988 bis hinein in die Zeit mitbekommen, die deutlich als Anschluß gekennzeichnet werden muß, wobei wir das harmlose Wörtchen Wende auch noch verwenden wollen. Ein anderes Wort nicht. Gar zu gerne würden wir die heutige Arbeit dieser Leute sehen, ach ja, die sind inzwischen fast alle pensioniert, älter sind sie schon damals alle, aber die kennzeichnendste Szene bleibt einfach diejenige, als die neue Leitung – natürlich ein Mann und natürlich kommt er aus dem Westen – sich bei seiner Belegschaft zum Einstand und überhaupt im März 1990 mit Alkohol andient. Aus dem Wodka ist Whisky geworden. Großartige andere Unterschiede gibt es nicht. Oder?

Wir verfolgen, wie unser Kommissar sich wehrt, wie er kleingemacht werden soll, wie er seinen konkreten Arbeitsplatz räumen soll, welche intelligente Methoden er anwendet, einfach, weil er seinen eigenen Kopf anstrengt, wie ihm geholfen wird, wer ihm Steine in den Weg legt, wer diese ausräumt etc. Es passiert also eigentlich nichts anderes, als ganz normales Berufsleben in einer überschaubaren Gruppe von Menschen. Und genau das ist das Tolle.

Lade gelingt es, in einem hinreißenden Ensemble – bei dem seltsamerweise als Kommissare keine Frauen auftauchen, aber wir geben zu, die hätten in dieser verschworenen Männergemeinschaft diese Männer auch gestört – uns Zuschauer in einer fast klaustrophobische Arbeitssituation, die eine Lebenssituation ist, so nahe sind alle dabei, einen Mikrokosmos als Makrokosmos erfahrbar zu machen. Tja, man könnte gleich diese Morduntersuchungskommission im Polizeipräsidium am Alexanderplatz zur Mini-DDR erklären. Dieses Klaustrophobische hat hier  - die DDR war schon sehr viel größer und bevölkerter – seine Ursache darin, daß die hochinteressanten Fälle, auf die wir leider nicht eingehen, alle im Verhörraum und dem gemeinsamen Büro stattfinden. Gerne erzählt Lade davon, wie es war, als sie in ganzen zwei Wochen Drehzeit im Maxim-Gorki-Theater auf der Probebühne diesen Film abdrehten. Sicher hat diese Enge und die Schnelle mit zu diesem Sittenbild geführt, daß eben ambivalent zeigt, wie ambivalent alles war. Eng und nah.

Das ist wirklich ein sehr sehenswerter Film, der einen inneren Sog entwickelt, von daher absolut spannend ist und einem einen Schauspieler als Regisseur zeigt, dessen Gesicht jedem Fernsehzuschauer bekannt ist, ohne daß alle den Namen wüßten: Bernd Michael Lade, der von 1992 bis 2007 zusammen mit dem Hauptkommissar Ehrlicher ( Peter Sodann) den Dresdner und Leipziger TATORT bediente.



Info:

Unser Dreiteiler über die Aufführung des Films in Frankfurt in Anwesenheit von B.M. Lade:

https://weltexpresso.de/index.php/kino/7787-der-ddr-hintergrund-von-das-gestaendnis

https://weltexpresso.de/index.php/kino/7788-der-film-das-gestaendnis

https://weltexpresso.de/index.php/kino/7789-gespraech-mit-dem-regisseur-von-das-gestaendnis#