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Kategorie: Film & Fernsehen

Hauptdarstellerin in "Das weiße Kaninchen", heute um 20.15 Uhr in der ARD

Elke Eich

Berlin (Weltexpresso) - In der ARD/SWR-Produktion „Das weiße Kaninchen“ spielt Lena Urzendowsky an der Seite von Devid Striesow die Hauptrolle der 13-jährigen Sara, eines Cybergrooming-Opfers, das in die Fänge eines jugendlichen Täters und eines erwachsenen Pädophilen gerät. Die Regie des im Cinemascope-Format gedrehten Films nach einem Drehbuch von Michael Proehl und Holger-Karsten Schmidt führte Florian Schwarz, Grimmepreisträger für den Tatort „Im Schmerz geboren“, dessen Drehbuch auch von Michael Proehl war.

Gerade 15 war Lena beim Dreh und beeindruckte Regisseur wie Kollegen mit ihrem Engagement, ihrer Professionalität, vor allem aber auch mit ihrem Talent und dem großen Einfühlungsvermögen – das es neben ihrer großen mentalen Stärke für diese schwierige Rolle brauchte. Wer beim ungewöhnlichen Namen stutzt: Lena ist die kleine Schwester von Schauspieler Sebastian Urzendowsky, der vor allem bekannt wurde als Sohn von Jan Josef Liefers im TV-Mehrteiler „Der Turm“ und als NSU-Verbrecher Uwe Böhnhardt in „Mitten in Deutschland: NSU – Heute ist nicht alle Tage“. Lena aufgrund ihrer Leistungen in „Das weiße Kaninchen“ eine große Karriere vorauszusagen, grenzt nicht an Wahrsagerei: Sie ist gut gewappnet: Mit 8 Jahren wöchentlichem Unterricht in Gesang, Tanz und Schauspiel seit ihrem 5. Lebensjahr und jeder Menge Unterstützung im Elternhaus (Die Mutter, eine HNO-Ärztin, singt auch auf der Bühne und der Vater ist Lokalredakteur beim Berliner Tagesspiegel).

Lena besucht in Berlin ein bilinguales Gymnasium, wo sie auch Fachunterricht in Französisch hat.  Als Schülerin ist sie schon auch ehrgeizig und möchte auf jeden Fall ein gutes Abi machen. Schließlich würde sie gerne Psychologie studieren – am liebsten in Berlin - vielleicht auch noch bzw. alternativ dazu Philosophie. „Aber“, bekennt sie im Interview: „diesen Traum von einem super-guten oder enorm-perfektem Abi habe ich schon aufgegeben. Ich muss sagen, dass mir Film doch sehr wichtig geworden ist!“  -  Ein Wunder, wenn es anders wäre!


 
Elke Eich: Lena, Deine Mutter singt neben ihrem praktizierten Beruf als HNO-Ärztin auf der Bühne, Dein Bruder ist ein herausragender Schauspieler. Woher kommt das Künstlerische in Eurer Familie?


Lena Urzendowsky: Meine Mutter meinte, wir hatten immer Künstlerinnen in der Familie. Eine Großmutter war Tänzerin. Meine Großtante war Malerin. Also, eine künstlerische Ader ist schon in uns!
Aber ich habe nicht mit dem Schauspiel wegen meines Bruders oder meiner Mutter angefangen. Schon im Alter von 5 Jahren habe ich mich dafür begeistert. Und in dem Alter denkt man ja noch nicht darüber nach, was Mama macht.



Kannst Du Dich daran erinnern, was bei Dir den Wunsch, zu schauspielern ausgelöst hatte?


Lena Urzendowsky: Als ich das erste Mal bewusst im Alter von fünf Jahren im Theater war, spielten in dem Stück auch Kinder mit. Und ich dachte nur: „Das will ich auch!“  Meine Eltern haben mich dann in einer Musicalschule angemeldet, wo ich jede Woche 3 Stunden Unterricht am Stück hatte: Eine Stunde Gesang, eine Stunde Tanz und eine Stunde Schauspiel. Das habe ich dann 8 Jahre lang gemacht.

Dann habe ich immer wieder in Musicals gespielt und im Alter von 12/13 Jahren einmal eine Hauptrolle im Musical „Annie“ mit eigenem Gesangssolo übernommen. – Das Stück wurde aber damals umbenannt in „Das verbotene Lied“ - wegen der Rechte. Danach habe ich nur noch Schauspielunterricht genommen. Theater fand ich super, wollte aber auch mal Film ausprobieren. Ich dachte mir: „Das ist meins, und das will ich unbedingt!“   
(Anmerkung: Derzeit nimmt Lena Urzendowsky keinen Unterricht mehr.)



Wie lief denn die Schauspielkarriere bei Deinem Bruder Sebastian an?


Lena Urzendowsky: Der hatte das Glück, entdeckt zu werden. Einmal aus der Klasse raus, da war er noch unter 10. Dann hatte er eine Hauptrolle im Theater „Tick“, wo ein junger Regisseur ihn sah. Und in dessen Film „Paul is dead“ bekam er dann eine Hauptrolle.



Spannend ist natürlich wirklich auch, die ungewöhnliche berufliche Kombination bei Deiner Mutter als HNO-Ärztin und Sängerin.


Lena Urzendowsky: Nach meiner Geburt hat meine Mutter sich nochmal völlig umentschieden. Es war ja immer ihre Leidenschaft, zu schauspielern und zu singen und sie wollte noch ihren Traum leben. Den Arztberuf praktiziert sie aber weiter.



Wie drückt sich denn bei Euch Zuhause die künstlerische Leidenschaft aus?


Lena Urzendowsky: Bei uns in der Familie wird immer viel gesungen und auch getanzt. Vor allem Mama und ich, ich habe da auch keine Scham beim Singen oder Tanzen. Auch wenn sonst keiner auf der Tanzfläche ist, tanze ich trotzdem. Einfach, weil es mir Spaß macht.
Jedes Mal, wenn wir in Urlaub fahren, beim Wandern und Laufen, oder beim Kochen singen wir beide gerne zusammen. Wir haben da so einige Standard-Kanons – nichts Großartiges, aber es macht Spaß.



Um auf den Film „Das weiße Kaninchen“ zu kommen: Kannst Du Dich noch daran erinnern, wie Du von dem Projekt erfahren hast?


Lena Urzendowsky: Die Einladung zum Casting kam letztes Jahr, als wir im Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern waren. Als ich die Synopsis las, war ich von Anfang an Feuer und Flamme! Ich wusste, dass ich da unheimlich viel spielen und lernen konnte. Auch schon beim Casting selbst, für den Fall, dass es mit der Rolle nicht klappen würde. Und ich hatte einen super sympathischen Eindruck vom Regisseur und von der Casterin.



Da hattest Du ja gleich von Anfang an den richtigen Instinkt. Dieser Film ist wirklich schon etwas Besonderes geworden und Du bist Teil davon.


Lena Urzendowsky: Nach dem Casting hatte ich tatsächlich das Gefühl: „Selbst, wenn es nichts wird mit der Rolle, dann habe ich schon unheimlich viel bei diesem Casting gelernt, habe interessante Ideen bekommen – über die Rolle und insgesamt. So, als wäre es kostenloser Schauspielunterricht gewesen.

 


Welche Szenen aus dem Film musstest Du denn für das Casting vorbereiten?


Lena Urzendowsky: Das war die Szene  im Botanischen Garten, in der der Junge Aufnahmen von mir macht und will, dass ich die Bikini-Träger herunter nehme und ich dann „Stopp!“ sage.
Dann war es noch die ursprünglich in einem Sushi-Restaurant spielende Szene von der Aufklärungssituation mit der Mutter, in der es darum geht, dass sie auch mal einen Porno mit mir ansehen würde.



Gab es auch Überlegungen, dass diese Rolle Dich doch zu sehr belasten könnte?


Lena Urzendowsky: Solche Überlegungen, dass mir das zu viel sein könnte, gab es gar nicht! Ich war wirklich von Anfang begeistert und dachte nur: „Ich muss diese Rolle kriegen!“ Weil mir sofort klar war: „Da kann ich unheimlich viel spielen und mich rein arbeiten und überhaupt viel lernen, weil es auch andere spannende Rollen und interessante Zwischengeschichten in dem Film gibt.



Was hat Dich inhaltlich am meisten gepackt bei der Rolle der Sara?


Lena Urzendowsky: Ich glaube, gepackt hat mich am meisten, dass meine Rolle der Sara so vielschichtig war. Am Anfang ist Sara ja glücklich, als sie von ihrem Vater den Laptop bekommt. Sara ist nicht so super beliebt, zwar auch nicht die totale Außenseiterin, aber unsicher und halt so eine Mitläuferin. Das fand ich schon spannend. Dann auch, wie sie sich entwickelt und auf die Leute eingeht. Ich hatte großes Interesse an dieser Figur und rundum an dem gesamten Projekt. Ich wusste einfach, da will ich dabei sein und auch daran mitarbeiten.



Und dann noch das besondere Glück, mit Devid Striesow zu spielen.


Lena Urzendowsky: Es war toll, dem zuzugucken, alleine schon, wie er sich am Set verhält, mit Text umgeht und arbeitet. Und diese Ruhe, die er mitbringt! Ich hätte nie so spielen können, wenn er und die anderen guten Schauspieler nicht da gewesen wären und der Regisseur uns nicht so gut geführt hätte. Auch den anderen Schauspielern habe ich ganz viel zu verdanken. Und Devid hat mir so viel zum Spielen gegeben, worauf ich dann reagieren konnte. Das war ein ganz tolles, gemeinsames Spiel.



Was ist aus Deiner Sicht das Besondere an Devid Striesow?


Lena Urzendowsky: Sehr ruhig war er. Und trotzdem hatte er viel Humor. Wir haben am Set auch viel gelacht. und eine lustige Atmosphäre geschaffen, gerade weil es um so ein ernstes Thema ging. Alleine schon, damit man das Alles gut ertragen konnte.
Devid ist sehr auf mich eingegangen und hat mir nie das Gefühl gegeben, dass er einen Unterschied zwischen mir und ihm macht, weil er doch so ein großer und bekannter Schauspieler ist und ich nicht. Er nahm meine Rolle und mich so ernst, wie er wahrscheinlich auch einen Star ernst nehmen würde. Nach jedem Take bei diesen schwierigen Szenen mit dem sexuellen Übergriff des Jungen gegen mich, kam er zu mir und fragte, ob auch alles gut ist. Wir hatten ein lockeres, entspanntes Verhältnis.



Die harte Hütten-Szene, in der Du von Kevin zu sexuellen Handlungen gezwungen wirst, war ja sehr extrem. Wie belastend war diese Szene für dich?


Lena Urzendowsky: Diese Szene war körperlich unheimlich anstrengend. Natürlich auch mental. Aber ich konnte differenzieren, weil ich gut vorbereitet war. Das heißt, ich konnte immer unterscheiden zwischen mir und meinem Leben und dem, was am Set in der Rolle passierte. Auch wenn man beim Spiel ja in dem Moment auch in die Figur schlüpft. Sara geht ja auch innerlich kaputt an den Ereignissen. - Aber ich persönlich hatte nie Albträume nach dem Dreh.
Bei den intimen Szenen war ich übrigens zwischen den Takes auch gerne für mich und wollte nicht übermäßig umsorgt werden.


Hast Du in Deinem Umfeld, z.B. in Deiner Schule schon mal von solchen Problemen wie Cybergrooming oder Cyber-Mobbing mitbekommen?


Lena Urzendowsky: Weder von Cyber-Mobbing, noch Cybergrooming oder irgendwelchen anderen Internetgeschichten, die ausgeartet wären, habe ich persönlich was mitgekommen.
Ich kenne also selbst keine Beispiele von solchen Übergriffen.



Wie erklärst Du Dir als junge Frau das Verhalten des jungen Kevin, der von Louis Hofmann dargestellt wird? Der kommt ja aus einem guten, bzw. reichen Elternhaus und macht trotzdem Geld mit Sex-Fotos und –Videos von jungen Mädchen. Offensichtlich kann er gut manipulieren. Und was ist im Vergleich zu ihm mit dem erwachsenen Simon?


Lena Urzendowsky: Der Simon Keller ist ja der typische Pädophile. Für Kevin ist das eher ein Spiel und steht für fehlende Empathie. Es ist ihm egal, was er da anrichtet. Der ist auf einer Art Egotrip, so nach dem Motto: „Ich kann’s halt!“



Der Begriff „Machtgeilheit“ könnte die Motivation Kevins treffen.
Lena Urzendowsky: Total! Dem Kevin geht es um die Macht, die er ausüben kann. Darum, dass er diese Opfer an der Strippe hat und sie ihm ausgeliefert sind. Das findet der in der Tat geil. Der hat eine psychische Störung, die anders gelagert ist, als bei dem pädophilen Mann. Pädophilie ist eine Krankheit.



Wie gehst Du eigentlich generell mit Stress und Trubel um?
Lena Urzendowsky: So wie am Set: Ich brauche auch Zeit für mich und bin gerne immer wieder mal ganz alleine für mich.

 

Foto: (c) ARD

Info: Am heutigen Mittwoch, 28. September um 20.15 im Ersten Programm

Danach ist der Film in der Mediathek von „Das Erste“ abrufbar.