Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. September 2016, Teil 12

Roman Herzig

Berlin  (Weltexpresso) – Anders als Robert Domes´ Tatsachenroman, NEBEL IM AUGUST der Ernst Lossas Geschichte ab 1933 erzählt, konzentriert sich der Film auf dessen Schicksal in einer Heil-und Pflegeanstalt, konkret der psychiatrischen Anstalt in Kaufbeuren.



Die Darstellung dieser Zeit basiert neben der Buchvorlage vor allem auf der Forschung von Prof. Dr. Michael von Cranach, einem der profiliertesten Experten zur Psychiatrie im Dritten Reich und den Verbrechen, die in ihren  Einrichtungen begangen wurden. Als Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren in der Zeit von 1980 bis 2006 erforschte er die Vorgeschichte dieser Klinik im Nationalsozialismus, der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren. Dabei beschäftigte er sich intensiv mit dem Schicksal Ernst Lossas, der hier seit 1942 leben musste und 1944 in der Nebenanstalt Irsee ermordet wurde. „Als ich die Krankenakte in Händen hielt, war ich von diesem Bild des Jungen tief beeindruckt“, sagt von Cranach. „Das war bewegend, denn er schaut so wissend. In der Akte hat mich vor allem die Passage fasziniert, dass er Lebensmittel an Patienten verteilte – wissend, dass Hungerkost eingeführt worden war.“

Michael von Cranach stand dem Filmprojekt von Beginn an als historischer und medizinischer Berater zur Seite, weshalb wir das aufschlußreiche Interview mit ihm in der Folge abdrucken.

Über diejenigen, die die Filme machen, also die Produktion innehaben, wird seltener gesprochen. Dabei sind sie es, die das Ganze durchboxen müssen, für das nötige Drehgeld sorgen müssen etc. Oft sind das ganz viele. Hier aber ist es Ulrich Limmer. Das Drehbuch legte er in die Hände des erfahrenen Holger Karsten Schmidt. „Er ist ein sehr guter Autor, er schreibt sachlich und ist behutsam mit Emotionen. Das war für diesen Film wichtig“, sagt Limmer. Der reale historische Ort, an dem Ernst Lossa ermordet wurde, und die übrigen Figuren sind im Film absichtlich unkenntlich gemacht. „Denn das Geschehene ist nicht nur in Kaufbeuren und Irsee passiert, sondern in vielen Nervenheilanstalten in Deutschland und Österreich“, sagt Ulrich Limmer.

„Die Geschichte, die wir erzählen, steht für sie alle.“ Und diese Geschichte versucht nicht, wie viele andere Filme, die Motive der Täter zu erklären. „Es gibt schon genug Filme, die versuchen, das Unfassbare fassbar zu machen“, sagt Limmer. NEBEL IM AUGUST erzählt
dagegen von einem Jungen, der es schaffte, anderen Hoffnung und Kraft zu geben, und das ist in dem Film bei aller Düsterkeit spürbar. „Holger Karsten Schmidt ist ein Drehbuch gelungen, das dem Zuschauer Ernst Lossa sehr nahe bringt und ohne viel Spekulation eine Geschichte erzählt, die erschüttert und berührt“, sagt Limmer.

Das ist ein wichtiger Aspekt, denn allzuoft werden die Täter, die sowieso am Drücker waren, dann auch noch durch ihre Memoiren oder Fernsehfilme erneut in den Mittelpunkt gestellt, während die Opfer meist namenlos bleiben, denn ihnen hat man ja nicht nur das Leben gestohlen, davor ihr Haus und ihre Habe, sondern sie auch für die Zukunft vernichtet. Es hat also einen wichtigen Impetus, hier zu zeigen, was solch kleiner Kerl an Durchblick und Widerstand aufbringen konnte, was Erwachsene angepaßte Deutsche im Nazireich alles nicht gesehen haben.

Sicher haben Sie noch nicht so sehr ihr Augenmerk darauf gerichtet. Aber tatsächlich gibt es viele, allzuviel Fernsehdokumentationen, wo die Kinder ehemaliger Täter, die sicher nicht mit ihren Vorfahren identifiziert werden sollen, bzw. infiziert wurden, dann über ihre Väter, über ihre öffentlich ganz schrecklichen Väter, die doch dann im Privaten als Väter ganz anders gewesen seien….

Man kann das schon nicht mehr hören. Wir wollen lieber erfahren, wie Kinder von Opfern mit ihrer Situation zurechtkamen und erst recht, wenn Opfer sich zu Wehr setzten. Oder jemand wie Fritz Bauer, der spätere Hessische Generalstaatsanwalt von Hessen, mit dem Stuß der Kameradschaftstreue aufräumte und im Braunschweiger Remerprozeß durchsetzte, daß das Gericht das Dritte Reich als einen Unrechtsstaat brandmarkte und die versuchten Attentate auf Hitler Heldentaten sind, so wie in der Antike der Tyrannenmörder große Anerkennung fand. Erst seit damals, 1952, bekamen übrigens die Witwen der getöteten Widerstandskämpfer eine Witwenrente. Vorher galten sie als Witwen von Verbrechern. 1952 – sieben Jahre nach dem verlorenen Krieg! Alles eine Schande.
Fortsetzung folgt.

Foto: links der echte Ernst Lossa, rechts sein Darsteller Ivo Pietzcker

Info: NEBEL IM AUGUST

Regie: Kai Wessel
Drehbuch: Holger Karsten Schmidt
nach Motiven des gleichnamigen Tatsachenromans von Robert Domes

mit
Sebastian, Koch, Fritz Haberlandt, Henriette Fonfurius, David Bennent, Karl Markovics
und Ivo Pietzcker als Ernst Lossa

Eine Ulrich Limmer Produktion u.a. STUDIOCANAL Film