67. BERLINALE vom 9. bis 19. Februar 2017, WETTBEWERB, Teil 1

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) – Eine gewisse Ähnlichkeit mit Clark Gable, mit dem ihn seine Geliebte vergleicht, lässt sich nicht leugnen. Vor allem dann, wenn Django auf ihren Wunsch hin eine Szene aus einem Klassiker imitiert. Er ist zwar kein Amerikaner und kein Filmstar aus Hollywood, so doch aber ein gefeierter Musiker.


Diesen Django Reinhardt, der in Belgien als Sohn französischsprachiger Sinti aufwuchs, während der deutschen Okkupation in den 1940er Jahren in Paris die Konzertsäle füllte, als „Zigeuner“ von den Nationalsozialisten verfolgt wurde, aber dank seiner Musik und Beliebtheit davor bewahrt wurde, in Konzentrationslagern umgebracht zu werden, hat es wirklich gegeben. 


Der Franzose Etienne Comar erinnert in seinem Drama, mit dem die 67. Berlinale gestern eröffnete, an den Jazz-Gitarristen, setzt ihm und allen im Nationalsozialismus ermordeten Sinti verdienstvoll ein spätes Denkmal.


„Django“ beginnt im Jahr 1943, als der fahrende Künstler mit seiner Ehefrau Naguine und seiner alten Mutter Negros sein Pariser Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißt, bis die Deutschen ihn beharrlich für eine Tournee beanspruchen.


Die attraktive Konzertagentin Louise de Clerk (Cécile de France), eine frühere Geliebte, warnt Django, sich auf keinen Fall in die Fänge der Nazis zu begeben und verspricht, ihm und seiner Familie zur Übersiedlung in die Schweiz zu verhelfen. Dieses Unterfangen erweist sich jedoch als aussichtslos. Immer wieder werden Django, seine Frau und seine alte Mutter, die ihn begleiten, in Nähe der Grenze aufgehalten und vertröstet, müssen in Wohnwagen auf ihre Weiterreise warten und ihre Fluchtrouten ändern. Bis Django schließlich seinen Verfolgern nicht mehr entkommen kann.

 

Comar erzählt seine Geschichte ein wenig konventionell, dramaturgisch immerhin spannend und mit sehr heutigen Bildern von Bootsflüchtlingen, Schleppern, Flüchtlingslagern und Brandstiftern, die unweigerlich Parallelen zur aktuellen Situation von Migranten erkennen lassen. Ein solcher Film, der auf den tief sitzenden deutschen NS-Schuldkomplex drückt und Anklage gegen eine als unmenschliche empfundene Asylpolitik erhebt, bestätigt einmal mehr den Charakter eines, seinen großen politischen Anspruch bisweilen überziehenden Festivals.


Nicht zu Unrecht  beklagten jedenfalls Kritiker in den Vorjahren, die Qualität der Filme trete oftmals hinter ihrem politischen Anspruch zurück wie zum Beispiel bei dem Dokumentarfilm „Seefeuer“, dem Gewinner des Goldenen Bären von 2016.


Unterdessen haben sich die Zeiten geändert. Von dem diesjährigen Berlinale- Jury-Präsidenten Paul Verhoeven war im Vorfeld zu vernehmen, dass unter seinem Vorsitz kein Film aus politischen Motiven eine Chance haben wird. Dazu ebbt die „Willkommenskultur“ deutlich ab und selbst die Kanzlerin drängt mittlerweile auf eine höhere Zahl von Abschiebungen.


Ob „Django“ als ein letztes, trotziges Mahnmal mit abgenutzten Parolen den Richtungswechsel aufhalten kann, erscheint eher zweifelhaft.
In den schönsten Momenten erinnert der Film an Wim Wenders’ „Buena Vista Social Club“, da swingt Djangos kraftvolle Gitarrenmusik aus den Konzertsälen mitten hinein in den Kinosaal.