Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. April, Teil 5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das einzige Argument, das gegen diesen Film spricht, nämlich, daß den Holocaust zu leugnen, nur noch mehr als dümmlich ist, weil wir von dessen Existenz alle wissen, diesen einzige Grund hat dieser Tage der amerikanische Regierungssprecher Sean Spicer auch noch erledigt, als ihm die Begriffe Konzentrationslager, KZ, Gaskammer, nicht einfielen und er von „Holocaust-Center“ fabulierte und einem unwillkürlich Einkaufs-Center in den Sinn kommen.

 

Nein, nein, natürlich ist das nicht dieselbe Ebene, der angebliche Historiker David Irving, der sich wichtig tat und seine irdische wissenschaftliche Daseinsberechtigung sozusagen dadurch herbeischrieb, indem er leugnete, daß es je Konzentrationslager der Nazis gegeben habe, und der Pressesprecher des Weißen Hauses, der nur tumb und unwissend ist. Aber um das 'nur' geht es. Denn es enthüllt ein derartiges Unwissen über das, was wirklich los war im Dritten Reich, daß einen schaudert und bewirkt bei denjenigen, die denken, jetzt ist genug, die Aufklärung über die Schandtaten, die Verbrechen der Nazis sind bekannt und müssen nicht dauernd literarisch und cineastisch 'ausgebeutet' werden, anderen Sinn.

 

Tatsächlich hatte ich gerade mit zwei Menschen, die eigentlich genug hatten von dem Nichtaufhören deutscher Vergangenheit in deutscher Gegenwart über diese unsäglichen Sätze des Regierungssprechers geredet und von ihnen erfahren, daß sie sich als Reaktion jetzt deshalb den Film VERLEUGNUNG anschauen werden, obwohl – wie gesagt – für sie schon alles gegessen war. Gut so, denn der Film lohnt.

 

Wir können es nicht lassen und müssen doch zuerst noch auf den Regierungssprecher eingehen. Der sagte nicht nur, daß Hitler nicht so tief gefallen sei wie nun Assad, chemische Waffen zu benutzen. Auf Rückfragen ergänzte er, er hat das Gas nicht gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt: „Er brachte sie in die Holocaust-Center“. Dieser Mann weiß nicht einmal, daß die vergasten Juden in der Mehrzahl Deutsche waren. Und am allerschlimmsten, er wußte nichts von den Gaskammern, nichts von Zyklon B, er hat das ganze System der Vernichtung der eigenen Bevölkerung von Hitlers Schergen nicht als Hintergrundwissen.

 

Diesem Mann sollte man in eine Filmvorführung von VERLEUGNUNG zwangseinweisen. Hauptperson ist Deborah Esther Lipstadt (Rachel Weisz). Wir lernen sie kennen, wie sie, die Professorin für Jüdische Zeitgeschichte und Holocaust-Studien an der Universität in Atlanta, in einem Hörsaal 1994 über ihr neues Buch spricht, das sich mit den Leugnern des Holocaust beschäftigt, wobei ein gewisser David Irving aus England als besonders übler Geschichtsklitterer eine Rolle spielt. Da erhebt sich ein älterer Herr, empört sich über die Aussagen. Er ist es selbst, David Irving (Timothy Spall), der nun mit dem 1000 Dollarschein winkt, der der bekommen soll, der ihm Hitlers Befehl zum Massenmord an den Juden schriftlich nachweise.

 

Das ist ein spannender Anfang, auch wenn er nie stattfand. Aber tatsächlich hat dieser David Irving die Autorin Lipstadt und ihren Verlag Penguin Books wegen übler Nachrede verklagt und sie erst dann in London vor Gericht 1996 kennengelernt. Die Geschichte des Prozesses ist also wahr und jedes Wort im Film, was die Gerichtsverhandlung angeht, entstammt den Akten. Und tatsächlich sind die Aussagen, das Hin und Her auch das Wesentliche und Spannende im Film.

 

Sehr interessant nämlich zu erleben, wie stark sich englische Gerichtspraxis von deutscher unterscheidet und wie schon die Wahl eines Anwalts das Geschehen vorausbestimmt. Die Beweislast liegt nämlich in England nicht wie bei uns auf der Seite des Klägers (eingeschränkt, denn es gibt auch sogenannte Beweisumkehrungen), sondern des Beklagten. Deborah Lipstadt muß also nachweisen, daß es Konzentrationslager gegeben hat, will sie nicht wegen übler Nachrede verurteilt werden.

 

Das alles hat die Professorin anschließend in einem Buch verarbeitet: „History on Trial. My Day in Court with a Holocaust Denier“ (2005), was nun Grundlage des Films ist, der wiederum straffer erzählt. Wir bekommen auch mit, daß nach der Beweiserhebung durch das Gericht – dazu findet eine Exkursion der Beklagten mit ihren Anwälten in Auschwitz statt, denn auf Auschwitz hatte sich der Leugner eingeschossen – die Existenz von Auschwitz festgestellt wird, der Kläger aber nun behauptet, dort hätten keine Vergasungen stattgefunden. Das zu erzählen, wäre zu technisch und umständlich. Denn tatsächlich geht es um den Anteil von Gas=Blausäurerückständen in dortigen Gemäuern, was im Film spannend zu verfolgen ist, aber schon danach dem Vergessen anheimfällt. Hintergrund ist der sogenannte 'Leuchter-Report', in Deutschland verboten, in dem noch weiterer Unsinn steht.

 

Der Film, der am Anfang noch etwas holpert, wird immer spannender, wenn es um das Gerichtsverfahren in London geht. Daß man aber so intensiv zuschaut und zuhört, hat nicht nur mit der rundherum sicheren Rachel Weisz zu tun, die so wirkt, als ob sie diese Professorin sei, sondern auch mit Timothy Spall. Dieser englische Schauspieler ist uns aus TURNER, wo er hinreißend den englischen Maler verkörpert, noch sehr präsent. Und er macht die Darstellung dieses Narren Irving zu einem Glanzstück. Man sieht die Bosheit aus den Augen blitzen und auch seine Sucht, angesichts der Attraktivität der von ihm Beklagten, es auf Teufel komm raus, es irgendwie mit ihr zu tun zu bekommen, und sei es um den Aufwand eines Prozesses, der ihn zudem in die Schlagzeilen bringt. Ein Aufschneider, der der Publizität halber lügt und betrügt.

 

Der Film hat noch eine interne Nebenhandlung, die wir genauso spannend fanden. Die eloquente Professorin und Schriftstellerin wird nämlich verdonnert, vor Gericht zu schweigen. Uns allen ist tief eingegraben, uns selbst mit unseren eigenen Worten zu verteidigen. Was gut gemeint ist, führt aber immer wieder erst zu den richtig schlimmen Situationen, weil Recht und Gerechtigkeit zwei unterschiedliche Sachverhalte sind. Natürlich fallen sie im Guten zusammen und so war es auch hier in London. Der Holocaust-Leugner David Irving unterlag, man darf ihn einen unwissenschaftlichen Dummkopf nennen. Der Holocaust ist wissenschaftlich bewiesen und die Vergasungen auch.

 

P.S.: Wir weiten die Zwangseinweisung des US-amerikanischen Regierungssprechers, in eine Vorführung des Film VERLEUGNUNG (Originaltitel DENIAL) gehen zu müssen, auf die amerikanische Regierung und alle ihre Sprecher aus. Denn aus dem Film kann man auch lernen, wo man besser den Mund hält.