DIE DASSLERS - Pioniere, Brüder und Rivalen, heute  und morgen in der ARD , Teil 2/4

Elke Eich

Berlin (Weltexpresso) - Elke Eich: Frau Levshin, Adi Dassler Ehefrau Käthe ist eine Frau mit großem Geschäftssinn. Was hat ihre Rolle ausgemacht, auch gerade im Vergleich zur Friedl, Rudi Dasslers Ehefrau, die von Hannah Herzsprung dargestellt wurde?


Alina Levshin: Käthe hat mich interessiert, weil sie in diese starke und gewaltige Familiengeschichte eingebunden ist. Als ich die Geschichte las, war für mich auch neu, dass Adidas und Puma aus einer Familie kamen. Ich fand es einfach toll, dass diese Geschichte erzählt wird. Die Drehbücher haben mich gefesselt, sie waren spannend  und unterhaltsam. Deshalb auch die Lust, Käthe zu spielen: Eine Frau, die hinter ihrem Mann steht, ihn aber genauso stark unterstützt und damit auch in eine moderne Frauenrolle schlüpft. Damals war es ja nicht üblich, dass eine Frau so ins Business einsteigt, wie es in ihrem Fall so nach und nach passiert ist. Sie hätte ja auch, so wie die Friedl, zu Hause bleiben und auf ihre Kinder aufpassen können. Sie hatte schließlich 5 Kinder. Käthe hat aber diesen Bogen geschlagen zwischen Familie und Geschäft. Das fand ich spannend, wie natürlich auch das, was zwischen den beiden Brüdern passiert und was die Frauen vielleicht in den Konflikten auch unbewusst mittragen. Das Alles musste erzählt werden.

 

EE: Und was war für Sie die besondere Bereicherung die Rolle von Adis Frau Käthe zu  spielen?

Alina Levshin: Besonders bereichernd war, so viele verschiedene Facetten einer Figur zu spielen. Wir haben ja 5 Dekaden erzählt, was für uns alle in allen Departments eine große Herausforderung war.  Ich habe jede Dekade genossen. So etwas wird nicht oft gemacht. Und es hat sehr viel Spaß gemacht, obwohl wir teilweise 5 Stunden in der Maske saßen, um die Illusion des älter Werdens hinzubekommen.



EE: Diese 50 Jahre spielen zum Teil in einem historisch brisanten Zeitraum statt: Die Nazis kommen auf, es gibt Krieg. Eine Epoche, mit der Sie, Herr Friedel, in Ihrer Rolle des Hitlerattentäters Elser, zu tun hatten und Sie, Frau Levshin, durch ihr Projekt „Unsere Mütter, unsere Väter“. Es geht hier um ein großes deutsches Unternehmen, das mit den Nazis kooperiert hat. Wie sehen Sie die moralische Dimension dabei?
Christian Friedel: Ich glaube, dass beide Brüder keine überzeugten Nationalsozialisten waren. Als Unternehmer haben sie sich aber mit den Nazis arrangiert, damit sie die Firma weiterführen konnten. Ich finde, man muss vorsichtig mit der Aussage aus heutiger Sicht sein, man wäre auf jeden Fall in den Widerstand gegangen oder hätte seine ganze Karriere aufs Spiel gesetzt, damit der Hitler stirbt. Das ist zu leicht gesagt - mit dem Wissen von heute ist diese Aussage allerdings verständlich.

 

EE:  Wir sehen ja, was jetzt wieder ist!
Christian Friedel: Ja, wir sehen, was jetzt wieder ist. Aber zum Glück gehen heute gleich viele Menschen auf die Straße und versuchen, sich dagegen zu wehren. Ich sehe auch in Dresden, dass sich immer mehr Menschen mobilisieren und sich dort die rechten Montags-Demonstrationen zum Glück wahnsinnig reduziert haben. Es sind immer noch Tausende Leute zu viel, aber es sind Gott sei Dank nicht mehr zehn- oder zwanzigtausend Leute, die da montags auf die Straße gehen.

 

EE: Um auf die Dassler-Brüder zurück zu kommen: Sie hatten mit dem Nazi-Regime zu tun und statteten die deutschen Sportler aus. Bei der Olympiade 1936 überraschte das Unternehmen dann die Welt mit einer spektakulären Entscheidung.
Christian Friedel:
  Der Adi findet: „Der beste Läufer soll in meinen Schuhen laufen!“ und er sagt NICHT „der deutsche beste Läufer“. Seine Haltung: Wir, die Dasslers, denken schon international und NICHT wie die Nazis, die alles „überdeutschen“ wollen. Und das ist eher ein deutliches Zeichen, dass keine Solidarität mit der nationalsozialistischen Ideologie bestand. Ich sehe es aber schon als einen schwarzen Fleck, dass die ein Parteibuch hatten, worüber die Familien auch nicht gerne sprechen. Aber das gehört halt zu der damaligen Geschichte dazu. Man muss sich vorstellen, dass sie in der Weimarer Republik groß geworden sind. Dann kam der Zweite Weltkrieg, danach die Gründung der Bundesrepublik, die wilden Sechziger und die Siebziger. Es ist der Wahnsinn, was in deren Leben alles passiert ist. 

Ich glaube, dass der Adi einfach Schuhe machen wollte! Vielleicht kann man das als Naivität sehen und ihm das vorwerfen, aber nicht jeder muss ein politischer Aktivist sein. Indem er den Jessie Owens ausgestattet hat und sie als Firma darum gekämpft haben, das machen zu können, hat er aber indirekt auch ein politisches und fast mutiges Signal gesetzt. 

 


EE: Interessant ist auch, dass im Film der Adi Vorreiter der Idee war, Jessie Owens auszustatten, und Rudi ihn erst davon abbringen wollte. Ist das so belegt?

Christian Friedel: Da bin ich mir etwas unsicher. Die tolle Produzentin Susanne Hildebrand und die Regisseure Cyril Bos und Philipp Stennert haben ja wahnsinnig gut recherchiert. Ich glaube deshalb, dass viele dieser historischen Fakten - wie im Film gezeigt - auch auf Fakten beruhen und belegt sind. Alles, was im Privaten liegt, ist hingegen eher Interpretation. Aus meiner Sicht passt es zum Rudi – egal ob er nun persönlich auch gerne Jessie Owens ausstatten möchte – erstmal zu sagen: „Das ist nicht so klug.“

 

EE: Das scheint mir auch schlüssig, da Rudi ja – wie vorhin schon erwähnt – ein charismatischer Manipulator ist, womit auch das Opportunistische nicht weit her ist.

Christian Friedel: Durchaus. Und der Adi denkt gar nicht politisch. Er denkt eher perfektionistisch und einfach: „Wenn der Beste in meinen Schuhen läuft, dann sind auch meine Schuhe die besten!“

 

EE: Welche Schuhe tragen Sie denn eigentlich heute?

Christian Friedel: Ich trage Boss. (lacht) Nach dieser introvertierten Rolle habe ich beschlossen, extrovertierter und der Boss zu werden. Ich habe aber eine große Adidas-Affinität und hatte auch noch nie Puma-Schuhe. Das habe ich auch beim Casting gesagt und dann hatte ich die Rolle (lacht)... Tatsächlich habe ich sehr viele Adidas-Schuhe zu Hause.

 

EE: Hat es Sie eigentlich überrascht, dass damals auch schon Bundestrainer Sepp Herberger bestechlich war, was die Auswahl der Fußballschuhe für das Nationalteam betraf?  Offensichtlich haben ja alle möglichen Sportler dann mitgemischt und den Wettbewerb zwischen Adidas und Puma befeuert.
Christian Friedel: 
Ich fand spannend, wie sich die Sportgeschichte damals entwickelt hat. Wir nehmen das heute ja so als selbstverständlich.
Alina Levshin: So, als wäre das immer so gewesen.
Christian Friedel:
Wenn man sich vorstellt, welche Bedeutung das Zubinden des Schnürsenkels und die Dauer des Zubindens bekam - vor allem, dass der Schuh schön groß im Fernsehen zu sehen ist! Pervers! Und gleichzeitig denkt man heute: „Es ist halt so!“ Wenn wir Fernsehen gucken und sagen, dass das nichts mehr mit Sport zu tun hat, merken wir, dass das, was gesät wurde, nicht mehr rückgängig zu machen ist.

 

EE: Frau Levshin erwähnte vorhin die vielen Stunden in der Maske. Meiner Meinung nach funktionierte die Maske im Falle von Ihnen Beiden und auch bei Hanno Koffler sehr gut, aber war bei Hannah Herzsprung und besonders bei Rudis Sohn wirkt sie überzogen.
Ansonsten ein toller Film und überzeugend....

Christian Friedel: Man geht also in die Verabredung rein, dass sie es im Alter sind!?

 

EE: Es gibt nur zwei Teile! Wo wären Sie bei einem längeren Serienlauf gerne noch mehr in die Tiefe gegangen, bzw. welche Phasen oder Dinge hätten Sie gerne noch stärker akzentuiert?
Christian Friedel:  Ich war froh, dass wir überhaupt so viel Zeit hatten! Aber jede dieser Dekaden hätte auch genügend Stoff für eine ganze Folge abgegeben, und es hätte so auch ein Sechsteiler werden können. Dann hätte man auch die Komplexität der Nazizeit noch besser darstellen können: Wie man sich verhält, wie sich das verändert, wie sie aus dem Haus raus müssen, das die Amerikaner dann übernehmen. Sie mussten ja auch alle zusammen in diesem Büro schlafen. Was das mit der Familie macht und welche Entbehrungen das bedeutet... All das hätte man noch vertieft zeigen können.
Alina Levshin: Genau. Was macht das mit den Menschen, auf einem so engen Raum zusammen zu sein? Also, das kann ja nur Konfliktpotential wecken. Doch die Regisseure und Drehbuchautoren haben in den zwei Teilen schon sehr gut die Essenz rüber gebracht.



EE: Als Sechsteiler wäre dann sicher so eine Art „Tannbach in Herzogenaurach“ draus geworden.
Christian Friedel: Mehr oder weniger. Man hätte mit mehr Teilen auch noch weiter in der Zeit gehen können, über den Tod von Adi hinaus. Die Käthe, die bei der Heirat noch sehr jung war, hat ihn ja noch lange überlebt. Alina Levshin: Käthe ist ja nochmal richtig eingestiegen und hat noch lange weitergemacht. Dabei ist sie auch nur 67 geworden.



EE: Vielen Dank für das anregende Gespräch und ihre Erläuterungen!
Just in dem Moment kommt die Pressefrau in den Raum...
Und Christian Friedel ruft aus: „Auf die Minute genau!“
Humor hat er! Und verkaufen kann er sich in der Tat auch gut, bei aller Introvertiertheit.

 

Foto: (c) ARD