Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. Mai 2017, Teil 1

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Dorothea Fields (Annette Bening) wurde 1964 mit 40 Jahren zum ersten und einzigen Mal Mutter. Sohn Jamie (Lucas Jade Zumann) ist jetzt - 1979 - 15 Jahre alt. Dorothea ist seit vielen Jahren geschieden.
Die beiden leben in einem alten Haus in Santa Barbara, Kalifornien, in dem auch noch die Mittzwanzigerin Abbie (Greta Gerwig) und der etwa 40jährige William (Billy Crudup) zur Untermiete wohnen. Regelmäßig kommt die 16jährige Julie (Elle Fanning), die im Nebenhaus wohnende Freundin Jamies, zu Besuch.

Das Verhältnis zwischen Dorothea und Jamie war immer gut; jetzt merkt sie allerdings, dass sie mit 55 Jahren doch nicht immer Up-to-Date ist und langsam mit ihrem rebellischen Sohn Probleme bekommt. Sie sucht deshalb nach Möglichkeiten, bei der Erziehung Hilfe zu bekommen. Da sie meint, dass William zwar ein toller Heimwerker, aber als harmoniesüchtiger, ziemlich langweiliger Hippie doch eher ungeeignet sei, bittet sie die beiden jungen Frauen um Mithilfe.

Abbie ist eine junge Fotografin aus New York, die nach einer Therapie gerade von Gebärmutterhals-Krebs genesen ist und die in der Kunst- und Punkszene in Kalifornien zu Hause ist. Julie ist nicht nur Jamies beste Freundin, die sehr konkrete Vorstellungen von der Liebe, vom Sex und vom Leben hat, sie ist auch nicht bereit mit Jamie zu schlafen, da sie meint, damit ihre Freundschaft zu zerstören. Sie weißt ihn immer wieder ab, obwohl der Junge in sie verliebt ist.

Beide Frauen helfen Jamie mehr schlecht als recht beim Erwachsenen werden. So zeigt Julie ihm, wie man als Mann raucht (obwohl Jamie Zigaretten gar nicht schmecken) und Abbie führt ihn nicht nur in die gerade angesagte Musik-Szene ein, sondern erklärt ihm auch, dass er sich von Julie nicht auf der Nase herumtanzen lassen darf. Nebenbei gibt sie ihm feministische Bücher zu lesen. Auch Dorothea versucht mit Williams Hilfe, die von ihrer eigenen Jugendzeit grundverschiedene Musikkultur zu verstehen.

Jamie selbst merkt natürlich, was da gespielt wird und muss versuchen, trotzdem seinen eigenen Weg zu gehen.....
Regisseur von "Jahrhundertfrauen" ist Mike Mills, der auch selbst das Drehbuch verfasst hat. Der Film hat zum Teil autobiografische Züge. Dabei ist von allem die Hauptfigur der Dorothea Fields seiner Mutter nachempfunden.

Dies ist der dritte Film des Regisseurs nach "Thumbsucker" (2005) - nach dem gleichnamigen Buch von Walter Kirn - und "Beginners" (2010). Bei beiden Filmen hat Mills auch selbst das Drehbuch geschrieben. Besonders "Beginners" hat ebenso wie "Jahrhundertfrauen" autobiografische Züge, denn Mike Mills Vater bekannte sich im Alter von 75 Jahren zu seiner Homosexualität, lebte die neu erworbenen Freiheiten aus und starb dann nur wenige Jahre später. Christopher Plummer, der diese Rolle im Film gespielt hat, gewann dafür 2011 neben vielen anderen Auszeichnungen den Golden Globe und den Oscar für die beste männliche Nebenrolle.

"20th Century Women", wie der Film im Original heißt, erhielt 2017 zwei Nominierungen für den Golden Globe (als bester Film für Musical/Komödie und Anne Bening als beste Hauptdarstellerin). Mike Mills wurde für einen Oscar für das beste Original-Drehbuch nominiert.

Die humorvolle und melancholische Tragikomödie versucht das Lebensgefühl von Menschen am Ende der 1970er Jahre aufzuspüren. Dazu verwendet Mills auch einige erzählerische Besonderheiten. So gibt es einen zweigeteilten Voice-Over Kommentar abwechselnd von Dorothea und Jamie; beide blicken dabei auch in die Zukunft. Außerdem wird der Filmfluss immer wieder unterbrochen, um zum einen die Lebensdaten der Protagonisten vorzustellen - schließlich ist das Alter der handelnden Personen ein zentrales Thema des Films - und zum anderen werden aber immer wieder Bildmontagen zur Zeitgeschichte mit bewusst verschwommenen Aufnahmen eingestreut, in der Art wie man sich selbst an die Vergangenheit erinnert.

Der Film besticht ganz besonders durch seine Situationskomik und die deutlich sichtbare Spielfreude der fünf zentralen Darsteller. Dabei ragt Anne Bening als die reflektierende und großherzige Dorothea heraus, aber auch Lucas Jade Zumann als Jamie, Greta Gerwig als Abbie und Elle Fanning als Julie haben wunderbare Szenen. Billy Crudup steht als der wortkarge William bewusst etwas am Rande.

Insgesamt ist "Jahrhundertfrauen" ein packender, witziger und hervorragend gespielter Film, der den Zeitgeist wunderbar eingefangen hat und der trotz einiger Längen absolut sehenswert ist.


Foto: v.l.n.r.: William (Billy Crudup), Julie (Elle Fanning), Dorothea (Annette Bening), Abbie (Greta Gerwig) und Jamie (Lucas Jade Zumann) © Splendid Film GmbH

Info:
Jahrhundertfrauen (USA 2016)
Originaltitel: 20th Century Women
Genre: Tragikomödie
Filmlänge: 118 Min.
Regie: Mike Mills
Drehbuch: Mike Mills
Darsteller: Annette Bening, Greta Gerwig, Lucas Jade Zumann, Elle Fanning, Billy Crudup u.a.
Verleih: Splendid Film GmbH
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 18.05.2017