“GOEAST: Festival des mittel-und osteuropäischen Films vom 26. April bis 2. Mai in Wiesbaden, Teil 10

Claudia Schulmerich

Wiesbaden (Weltexpresso) – ...70 JAHRE DEUTSCHER NACHKRIEGSFILM IM SPIEGEL DER CCC hieß der Film, dessen Weltpremiere auf dem Festival im Kino Caligari gefeiert wurde, mit der Besonderheit, daß Arthur Brauner anwesend war, der die Central Cinema Company aufgebaut hatte.

‚Atze‘ Brauner wird tatsächlich am 1. August nächsten Jahres 100 Jahre, was man nicht glauben mag. Er sieht nicht nur viel jünger aus, sondern ist geistig auf voller Höhe und sprach analytisch scharf das Entscheidende an, als nach der Weltpremiere des Films eine Diskussionsrunde mit seiner Tochter Alice Brauner und der Regisseurin Kathrin Anderson stattfand, das Claudia Dillmann, Direktorin des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt, moderierte.

Der zuerst gezeigte Film MARINA, MABUSE UND MORITURI...ist ein spannender Überblick über den deutschen Nachkriegsfilm. Man muß beim Anschauen nur aufpassen, daß man nicht glaubt, daß Brauner alle deutschen Nachkriegsfilme produziert habe. MARINA...stellt schon im Titel klar, daß es ‚nur‘ um die von Brauner produzierten Filme geht. Wenn man dann aber die ganzen Titel hört und Filmausschnitte sieht, kommt einem als Zuschauer das wie das gesamte Spektrum des Nachkriegsfilms vor, was schlicht daran liegt, daß die CCC lange die größte und erfolgreichste deutsche Filmproduktionsfirma war.

Daß heute und in Wiesbaden die Weltpremiere stattfand, hat damit zu tun, daß dies gewissermaßen die Nachlese des ARTUR-BRAUNER-SYMPOSIUM war, das im Rahmen von GoEast 2015 in Wiesbaden stattfand. Das Festival hatte an diesem Sonntag zum Film und der Diskussion eingeladen: „Die von Artur Brauner 1946 gegründete CCC (Central Cinema Company) zählte zu den größten und erfolgreichsten Filmproduktionsfirmen der deutschen Nachkriegszeit. GoEast diskutierte und würdigte Brauners Schaffen im Jahr 2015 mit dem Symposium Artur Brauner – Der Produzent als Grenzgänger und Brückenbauer. MARINA, MABUSE UND MORITURI erzählt die Geschichte der ältesten unabhängigen deutschen Filmschmiede in Familienbesitz, die mittlerweile von Brauners Tochter, Dr. Alice Brauner, geleitet wird. Der Film zeigt den durch die deutsche Geschichte geprägten Lebensweg des in Polen geborenen Brauner, der als Jude den Holocaust überlebte und im Land der Täter zum wichtigsten Filmproduzenten seiner Zeit wurde. Es ist ein eindrücklicher, informativer und unterhaltsamer Streifzug durch 70 Jahre deutsche Filmgeschichte, der durch die Aussagen herausragender Persönlichkeiten und Weggefährten Brauners getragen wird. Das Porträt eines besonderen Menschen, der sich voll und ganz seiner Leidenschaft Film verschrieben hat und eng mit dem Deutschen Filminstitut verbunden ist.“

In der Tat verknüpft der Dokumentarfilm die gezeigten Spielfilme mit den Interpretationen von heute. Wie politisch die Zeiten waren, politisch im Film, ist offensichtlich, wenn man an die heutigen Filme denkt. Heute beispielsweise werden gesellschaftliche Probleme und Verhältnisse in Komödien darstellt, die damals als knallharte Realität auf die Leinwand kamen. Man muß nur an das Liebenswürdige WILLKOMMEN BEI DEN HARTMANNS denken….

Interessant auch die Gesprächspartner im Film, den Kathrin Anderson abwechslungsreich zusammenstellte. Artur Brauner kommt natürlich zu Wort wie auch Tochter Alice. Dann sind zu hören: der heutige Berlinalechef Dieter Kosslick und die bedeutenden Schauspieler Mario Adorf, Armin Mueller-Stahl, Klaus Maria Brandauer. Sie alle betonen die wichtige Rolle, die die Person Brauner nicht nur für den deutschen Film, sondern auch für sie persönlich spielt. Für mich selbst, die ich viele der Filme seit den Fünfziger Jahren gesehen hatte, war der Überblick und die Filmausschnitte spannend, aber noch spannender, was über Artur Brauner zu hören war.

Natürlich wußte man, daß er als Jude von den Nazis verfolgt war und überlebt hatte, was er aber schon 1946 als 28jähriger in Berlin alles unternahm, das erfährt man hier. Ein Energiebündel und einer, der von Anfang an in seiner Familie einen Rückhalt besaß. Das konnte man auch bei der sonntäglichen Podiumsdiskussion erleben. Denn er hat mit seiner Frau Maria seit 1947 eine Ehefrau, die ihm in jeder Hinsicht den Rücken freihielt und vier Kindern aufzog, dabei aber immer auch Gesprächspartnerin für seine beruflichen Belange blieb. Sie saß zwar unten in der ersten Reihe im Publikum, während Artur Brauner und Tochter Marina auf dem Podium saßen, aber hatte durch Zwischenrufe schon eine Situation geschaffen, daß man von unten sie oben mitdabei sah.

Es erscheint einem angesichts dessen, daß Artur Brauner, in Polen geboren, dem die Nazis 49 Mitglieder seiner Familie ermordeten, während er sich mit der engsten Familie in die UdSSR hatte flüchten können und so überlebte, und ebenso angesichts dessen, daß er mit Maria eine ehemalige polnischen Zwangsarbeiterin geheiratet hatte, wie eine Gnade, daß beide in so hohem Alter und nach siebzigjähriger Ehe derart frisch und lebendig sind. Und man selber ist froh, dies erleben zu dürfen. Davon abgesehen, wird die Zukunft noch deutlicher zeigen, welche gesellschaftliche Kraft lange in den von Brauner produzierten Filmen lag, politische Filme, die erst nur wenige, dann einige mehr und dann wieder immer weniger damals in einem Wirtschaftswunderland sehen wollten. Auch Brauner hat sich damit arrangieren müssen und dann große wirtschaftliche Erfolge mit seiner 1946 gegründeten Filmfirma CCC erreichen können, die heute seine Tochter leitet.

Foto:  Titel: Artur Brauner, dann: Mario Adorf, Armin Mueller-Stahl und die Familie in der ersten Reihe des Caligari am Sonntag, links Ehefrau Maria, stehend dahinter Marina (c) goEast.de

Info:

www.filmestival-goEast.de