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Kategorie: Kulturbetrieb
paris marieAus Paris im Sommer 2017

Suse Rabel-Harbering

Paris (Weltexpresso) - Ein vergnügtes Kindergesicht mit blaue Kulleraugen und mit einer weißen Schleife im dunklen Lockenhaar - so hat Marie Laurencin die französische Journalistin Anne Sinclair als vierjähriges Mädchen gemalt.

Auf deren Buch „21 Rue La Boetie“, das auch auf Deutsch unter dem Titel „Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine“ erhältlich ist, basiert die Ausstellung im Musée Maillol in Paris. Anne Sinclair ist die Enkelin von Paul Rosenberg, dem die Ausstellung gewidmet ist.

Im Jahr 1910 eröffnet der Kunsthändler Paul Rosenberg in der 21 Rue La Boetie im achten Arrondissement eine Galerie. Von dort aus ist es nicht weit zum Louvre. Sein solides Kunsturteil und sein kaufmännisches Geschick trugen bald zu Erfolg und Ansehen bei. Denn im Gegensatz zur damaligen Galeristenszene in Paris, die hauptsächlich von Malern des Impressionismus beherrscht wurde, unterstützte Paul Rosenberg damals noch nicht anerkannte Künstler. Er bot jungen Malern wie Pablo Picasso, Georges Braque, Fernand Léger, Henry Matisse und Marie Laurencin eine Plattform und nahm sie unter Vertrag. Die legendäre Nummer 21 der Rue la Boetie avancierte zu einer Adresse für alle, die sich für die Entwicklung und die Arbeit der Avantgarde interessierten. Paul Rosenberg hat sich wie kaum ein anderer für die klassische Moderne eingesetzt. Seine Ausstellungen, in denen er geschickt Impressionisten und Avantgarde kombinierte, waren begehrt und über die Landesgrenzen hinweg geschätzt. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg eröffnete er eine Galerie in London und in New York.

Als jedoch die Nazidiktatur Frankreich beherrschte, wurden jüdische Sammler und Kunsthändler Opfer der antisemitischen Propaganda. Ihr Besitz wurde geplündert, Ihre Galerien ausgeraubt und die Eigentümer in die Emigration gezwungen. Perfiderweise wurde aus der beschlagnahmten Galerie Rosenberg das „Institut d' Études des Questions Juives“(Institut für Judenfragen). Der einstige Kunsttempel geriet zu einem Sammelbecken der Kollaboration und des Rassenhasses.

Der Journalist und Kunsthistoriker Hector Feliciano beschreibt in seinem Buch „Le Musée disparu“ wie effektiv sich die Auseinandersetzung zwischen Vichy-Regierung und den Besatzern gestaltete.

Die deutsche Botschaft in Paris unter der Leitung von Otto Abetz wetteiferte mit dem Einsatzstab Kunstschutz, der dem Reichsleiter Rosenberg (unglücklicherweise handelt es sich um den gleichen Namen) unterstellt war um die Beute. So sollten die besten Objekte für das von Hitler vorgesehene Museum in Linz oder für die Privatresidenzen der Nazibonzen requiriert werden. Durch ein Gesetz der Vichyregierung wurde den jüdischen Emigranten die französische Staatsbürgerschaft entzogen. Dadurch fiel deren Besitz (Gemälde, Antiquitäten, Silber, Porzellan etc.) an den Vichy-Staat.

Die Ausstellung „21 Rue La Boetie - Picasso, Matisse, Braque, Léger“ zeigt anhand von Bildern, Briefen, Ausstellungskatalogen und gut beschrifteten Wandtexten den außergewöhnlichen Lebensweg Paul Rosenbergs. Durch die kontrastive Hängung wird der Bruch zwischen Bildern der klassischen Moderne, von den Faschisten als „Entartete Kunst“ gebrandmarkt und der von ihnen favorisierten Malweise, die auf althergebrachte Genre zurückgreift, verdeutlicht. So stehen sich konstruktivistische, fragmentierte Körper in kräftigen Farben à la Fernand Leger mit idyllischen Dorfansichten und Bauernfamilien in Pastell gegenüber - Sujets (Travaille, Famille, Patrie), die auch beim Vichy-Regime Gefallen fanden. Darüber hinaus beleuchtet der Parcours die Umsetzung und die verheerenden Folgen der faschistischen Ideologie auf den Kunstmarkt, dessen Zentrum damals in Paris lag.

Zurück in Frankreich aus dem New Yorker Exil, macht sich Paul Rosenberg auf die Suche nach seinem geraubten Eigentum. Er führte zahlreiche Prozesse auch gegen Schweizer Kunsthändler. Erst kürzlich wurde ein Gemäde von Henry Matisse bei Cornelius Gurlit in München gefunden. Ein weiteres, ebenfalls von Henry Matisse „Robe bleue dans un Fauteuil ocré“ tauchte im norwegischen Heni Ostad Kunstcenter in Oslo auf und konnte restituiert weden. Nun ist es in der Ausstellung zu sehen. In einem Schreiben bekennt Rosenberg, dass er sich nicht beklagen wolle, dass nur wenige seiner Kunstschätze restituiert werden konnten, denn sein Verlust erschiene im harmlos angesichts der Greuel des Holocaust. Paul Rosenberg starb 1957.


Zur Geschichte der Ausstellung

Die Ausstellung wurde von der Brüsseler Agentur Tempora für das Kunstmuseum La Boverie in Liège organisiert. Sie hat über 150 000 Besucher angezogen.

Im Musée Maillol in Paris hat die Agentur Culturespace die Realisierung der Ausstellung übernommen. Paul Rosenberg hatte auch Aristide Maillol unter Vertrag. Das Musée Maillol ist ein Privatmuseum und befindet sich in der 59/61 rue Grenelle im 7. Arrondissementin Paris. Die Ausstellung läuft noch bis zum 23. Juli.

Foto: Marie Laurecin malt die 4jährige Anne Sinclair © Ausstellung Museemaillol

Info: www.Museemaillol.com