K yeah.popmusikindeutschlandElvis GoldenRecordDie Ausstellung ‚Oh Yeah! Popmusik in Deutschland‘ des Museums für Kommunikation Frankfurt ist als Einstieg konzipiert, Teil 2/2

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Frage ist, ob die Popmusik schon in den Zwanzigerjahren begann. Bedingt ja, aber die Popmusik, die zum Paradigma wurde, war eine englische Kreation der Fünfziger und Sechziger Jahre, die von einer afroamerikanischen Strömung - als dem genrebildenden Unterstrom - gespeist wurde.

Die Rolling Stones banden sich wiederholt an ihre Wurzeln zurück, wenn sie mit greisen Koryphäen (wie B.B. King) in den Jam gingen, um sich neu zu versichern oder neu zu erfinden. Ihr Bühnenauftritt hat stets noch Elemente hiervon. Die Rolling Stones und andere Gruppen (viele!) gaben den Vorlagen mit dem neu kreierten englischen Pop die entscheidende Wendung (vergl. ‚British Blues Explosion‘, arte). Das war eine ganz spezifische historische Leistung, die in Deutschland nur bedingt erkannt wurde.

Lied und Tanz der Afroamerikaner, die Gitarre, die den Blues hat oder in den Overdrive einfädelt, wie im Mittelteil von 'Johnny B. Goode', von Chuck Berry, dem bezeichnendsten Song des Rhythm & Blues, den sich auch Jimi Hendrix vornahm, bilden die Basis. Dazu kommt ein Element, das man als den Soundtrack des erweckten Lebens bezeichnen könnte, der zum Pop wurde. Leute, schaut euch einmal nur die Effektgeräte-Übersicht an, was da beherrscht werden muss. Dieses Zubehör ist unerlässlich, es gehört zum Wesen des Pop. Das Herzberg-Open-Air (in der Ausstellung auch aufgeführt) versammelt noch heute eine Creme der effektbetonten artifiziellen psychedelischen Musik-Ära, auch wenn einige der Alten schon mehr oder weniger abgetreten oder aus dem Spiel sind (wie zum Beispiel Jefferson Airplane (Starship), weil ihre Sängerin Grace Slick notorisch unzuverlässig ist).
https://de.wikipedia.org/wiki/Effektger%C3%A4t_(Musik)


Was ist mit dem Jazz?

Die Frage ist auch, ob der Jazz explizit zur Popmusik gehört. Annäherungen und Wechselbeziehungen gibt es wohl. Der Rock-Jazz oder Jazz-Rock der Siebziger hatte eine kurze Lebenszeit und ist heute fast gestorben. Er geriet auch zu akademisch. Pop ist nicht akademisch. Aber aufgreifen können ihn junge Musiker jederzeit und lebendig werden lassen, ganz zu Recht. Er hatte einen begrenzten Reiz, war etwas zu überambitioniert, wenngleich die schwülstigen sinfonischen Aufblähungen, die die Gruppe Chicago hervorgebracht hat, noch immer überwältigen können und dürfen.

Martha and The Vandellas können dagegen die Urform des Pop in jedem Moment authentisch und in Rein-Form wiederherstellen, ohne dass es irgendwie altvorder oder aus der Zeit gefallen klingt, auch aufgrund des Motowns. Auch Songs von Marvin Gaye haben Ewigkeitswert, sie sind zeitlos und landesunabhängig. Diese Liedform wurde ohne großes Drumherum zum Pop.


Es gibt das Urelement des Pop, das für alle Zeit gilt

Die Popmusik in Deutschland ist, abgesehen von Ashra, Kraftwerk und Tangerine Dream, doch sehr deutsch, während der Pop eigentlich aber sehr weltmusikalisch ist. Die deutsche und internationale Popmusik hat, historisch gesehen, ihre Unterströmungen und Subkulturen, ihre einzelnen Protagonisten und Zeitpunkte, die die Ausstellung aufgreift und in aller Kürze erklärt. Das ist legitim, aber doch noch nicht das sozusagen wahre Ganze, das geheim und verdeckt im Verborgenen lebt und webt. Dieses Element hat ursächlich nur die angloamerikanische Musik hervorgebracht und gelebt. Zur Welt gebracht.

Die angloamerikanischen Ausläufer haben auf die deutsche populäre Musik eingewirkt, auf Jungstars wie Peter Kraus und Schlagersternchen wie Manuela, die Farbe und Erotik reinbrachten und das gesellschaftliche Leben entstaubten. Apropos Popmusik. Es bleibt zu fragen, ob Joan Baez mit ‚Sag mir, wo die Blumen sind...‘, ob Brecht/Weil mit ‚Surabaya Johnny‘ und der Revue-Komponist und Musikdichter Friedrich Hollaender mit ‚Wenn ich mir was wünschen dürfte‘, gesungen von Marlene Dietrich, auch schon immer zum Pop gehören.


Der Begriff Pop sollte nicht zu weit ausgelegt werden. Das Verhältnis von Pop und Rock müsste geklärt werden. Der Rock hat das Zähnebleckende, während Pop vielfach auch als seichtere Variante gegen den Rock in Stellung gebracht wird, die Rock establishment-kompatibel macht. Auch ist das Phänomen der ewigen Jugendmusik, die längst etabliert ist, noch ein weiteres aufzuhellendes Thema. Das Verhältnis Pop und Rock ist dialogisch. Es kann nicht nach einer Seite hin aufgelöst werden.

Foto: © popmusik-in-deutschland.de