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Kategorie: Kulturbetrieb
K loew4grabgrosSerie: RICHARD LÖWENHERZ, König-Ritter-Gefangener im Historischen Museum der Pfalz Speyer und Burg Trifels, Teil 1/

Claudia Schulmerich

Speyer (Weltexpresso) – Sein Ende ist der Anfang, nämlich der Tod des mittelalterlichen englischen Königs Richard, der mit dem Löwenherzen, im Jahr 1199, mit dem der schwergewichtige Katalog beginnt: also kann man auch sagen, der Anfang des Katalogs ist das Ende dieser leicht mythischen Gestalt.

Englischer König ist Richard Löwenherz gerade mal 10 Jahre gewesen, von denen, heißt es, er nur insgesamt sechs Monate in England zubrachte. Aber nehmen wir den Katalog ernst und fangen mit seinem Ende an, das eben gut geeignet war, einen mittelalterlichen Mythos in Gang zu setzen, der vor allem seine ritterlichen Eigenschaften befeuerte: „Deshalb will ich euch jetzt von einem König erzählen, der tapfer und tatkräftig war: Von Richard Löwenherz, dem besten aller Krieger...“ heißt es in dem mittelenglischen Versroman Kyng Rychard Coer de Lyoun.

König Richard, immer noch auch Herzog von Aquitanien und Herzog der Normandie, belagerte 1199 die aufständische aquitanische Burg Chalus-Chabrol, von der Sabine Kaufmann in ihrem ersten Katalogbeitrag schreibt, daß diese von den Engländern schon sturmreif geschossen worden war, die Aufständischen sich sogleich ergeben hätten, als Richard die Lage sondieren will, also unvorsichtigerweise der Burgmauer nähert. „Ein einsamer Armbrustschütze wagte sich unter dem notdürftigen Schutz einer aufgestellten Bratpfanne auf den Burgturm und trifft den König, der nur einen Helm , aber keine Rüstung trägt, tief in die linke Schulter.“

K Loewenherz FontevraudNa, wenn schon, dann zieht Held Richard halt den Pfeil aus der Wunde. O weh, dabei bricht dieser unglücklicherweise ab. Der hinzugeholte Arzt schneidet den Bolzen aus dem Fleisch, aber Wundbrand ist die Folge und da weiß Richard als erster, was die Zeit geschlagen hat: nämlich den Tod. Als er nun 13 Tage später am 6. April an Wundbrand stirbt , “vergibt er in einer letzten Geste großer Ritterlichkeit dem Gegner, der den tödlichen Schuß ...abgegeben hat – was sein Gefolge nicht daran hindert, dem armen Mann anschließend die Haut abzuziehen.“

Es ist die Mischung zwischen ernsthafter Geschichte und – fast – angelsächsischem Humor, die das Lesen des Katalogs zu einem Vergnügen mit Tiefgang macht. Tatsächlich wissen Sie nach 416 Seiten nicht nur mehr, als Sie überhaupt wissen wollten, sondern Sie gehen sofort noch einmal in die Ausstellung hinein, denn nun sind Sie so gut vorbereitet, daß Sie die teilweise einzigartigen Ausstellungsobjekte erst so richtig würdigen können. Und Sie stellen an sich selber fest, daß Sie lernen zwischen Mythos und der historischen Wahrheit, die wir kennen, zu unterscheiden.

Ist doch auch wirklich manchmal zu ärgerlich, daß wir Heutigen alles genau wissen wollen, und die schönen Mythen zerstört werden, aber einer guten Ausstellung wie dieser in Speyer gelingt es eben, deutlich zu machen, warum die Person Richard Löwenherz zu einem mittelalterlichen Mythos geworden ist, diese Mythen als lebendige Wunscherfüllungen der Zeitgenossen zu goutieren und zu verstehen, warum sie entstanden sind. Bekräftigt wurde das alles durch einen merkwürdigen Vorgang.

Denn seit dem 16. Jahrhundert erlebte unser mittelalterlicher Held dann sogar einen Bedeutungswandel, der ihn endgültig zum Mythos festschrieb. Die Volksfigur des Robin Hood, der „Rächer der Enterbten“, der für Arme und Frauen eintrat und den Mächtigen und Ungerechten die Stirn bot, wurde ins Mittelalter zurückdatiert, erhob seinen Protest auf einmal gegen den angeblich bösen Königsbruder Johann Ohneland, der das englische Volk während der Gefangenschaft Richards ausbeutete, während dann, als Richard zurückkehrte, er dem Wohltäter Robin Hood zur Seite stand und seine sozialen Ziele teilte, also zum guten König wurde.

Wie man derartige Geschichtsklitterung durch Mythenbildung herstellen kann, dafür ist Richard Löwenherz ein gutes Beispiel. Denn schließlich preßte Johann Ohneland natürlich das englische Volk aus, aber zum Zwecke, den vom deutschen Kaiser gefangenen Richard freizukaufen. Aber diese eigentliche Hauptgeschichte kommt erst noch. Erst müssen die geschichtlichen Verhältnisse geklärt werden.

FORTSETZUNG FOLGT

Fotos:
Grabfigur Richards I. Löwenherz in der Abtei Fontevraud (um 1200) © Loewenherz_Fontevraud
 akg-images/Erich Lessing



K loewkatalogInfo:
Ausstellung bis zum 15. April 2018

Katalog:
Hrsg. Alexander Schubert, Richard Löwenherz. König-Ritter-Gefangener, Verlag Schnell + Steiner 2017

Warum wir uns entschlossen haben, eine längere Serie über RICHARD LÖWENHERZ zu gestalten, hat auch mit diesem Katalog zu tun, der so umfassend, in Tiefe und Breite eine Zeit ausleuchtet, die den meisten nicht sehr gut bekannt ist. An der Person des englischen Königs lassen sich die damaligen königlichen wie politischen Querverbindungen in Europa, insbesondere die besondere Situation der heutigen Länder England und Frankreich genauso studieren, wie das Geschehen im Heiligen Land, bzw. die Kreuzzüge. Natürlich stehen die Gefangenennahme Löwenherz' bei Wien, seine anschließende Verwahrung in Gefängnissen des Reiches, die Lösegeldforderungen, der Prozeß und der Ausgang desselben im Mittelpunkt. 

In einer sinnvollen Gliederung sind die über 400 Seiten in acht Kapitel unterteilt, die je unterschiedlich viele - zwischen drei und neun - Beiträge enthalten. Das können Quellentexte sein, Interpretationen, die neuesten Forschungen etc. Die Texte halten sich die Waage zwischen gut zu lesenden Texten und wissenschaftlichem Anspruch. Wenn Sie jeden Tag nur einen Artikel lesen, brauchen Sie über 50 Tage. Aber die Texte sind nur das eine. Zu jedem Kapitel wird  abschließend die Darstellung der Objekte präsentiert, die in diesen Kontext gehören, zusammen mit einer ausführlichen Objektbesprechung, so daß Bild und Text mindestens eine DIN A 4 Seite ergeben.

Das sind nur dürre  Worte gegenüber der Fülle der Erkenntnis und der Freude an den prächtigen bunten Fotos der Objekte.Das soll heißen, natürlich wäre es schön, wenn Sie Speyer erreichen. Aber wenn nicht, dann kann dieser Katalog mehr als ein Trostpflaster sein.