K low0Serie: RICHARD LÖWENHERZ, König-Ritter-Gefangener im Historischen Museum der Pfalz Speyer und Burg Trifels, Teil 5/

Claudia Schulmerich

Speyer (Weltexpresso) – 
"Tot ist der König und tausend Jahre sind vergangen,
in denen kein so tapfrer Mann war noch je gesehen wurde,
und niemals mehr wird es einen geben, der ihm gleicht,
so freigebig, so mächtig, so kühn, so großzügig."

whiteDaß Alexander, der König, der den Darius besiegte,
so viel verschenkt und verausgabt hätte, glaube ich nicht,
und weder Karl noch Artus reichten an ihn heran.
Denn alle Welt brachte er dazu, um die Wahrheit zu sagen,
daß ihn die einen fürchteten und die anderen ihn liebten...“

so schwärmt der Zeitgenosse Gaucelm Faidit in seinem Gedicht Fort chauza, was noch heute vertont zu hören ist. Schwarz auf Weiß steht dort, daß es Richard Löwenherz nicht nur aufnehmen kann mit den Herrschern, die die Welt veränderten, sondern diese sogar noch übertrifft. Und das hat allein den Grund darin, daß für Richard – durchaus rückwärts gewandt – die alten hochmittelalterlichen Tugenden, eben ritterliche Verhaltensweisen lebendig bleiben sollten, nachdem sie historisch schon überholt waren. Hier geht es einerseits um Minnesang, das auch und die hehre und holde Betonung der Minne, aber vor allem geht es um die von Richard wiedereingeführten Ritterturniere, die von seinem Vater, dem englischen König Heinrich II. wegen ihrer Gefährlichkeit verboten worden waren, was vor allem die Kirche gefordert hatte.

Demgegenüber hat die Geschichtswissenschaft diesen König Richard als schlechten Herrscher zu den Akten gelegt, wofür es gute Gründe gibt. Sein Kreuzzug machte sein Land arm, seine Gefangennahme auf dem Heimweg nach England war die teuerste Entführung in der Geschichte vieler Jahrhunderte durch, denn das Lösegeld von 100 000 Mark Silber Kölner Gewichts mußte durch zusätzliche Steuern in England aufgebracht werden. Zudem war er ritterlich nur im ritterlichen Kontext, denn das von ihm verantwortete Massaker an 3 000 Muslimen vor Akkon zeigte seine andere, die grausame Herrscherseite.

Heute versucht man eine Mitte zu finden zwischen euphemistischen und schlechtschwätzerischen Elogen für oder gegen Richard I. Mitte soll heißen, sich die Texte genau anzuschauen. Heute wissen wir, daß viele Dichtungen dieser Zeit als bezahlte Liebesdienste einzuordnen sind. Was heute Marketingabteilungen oder persönliche Pressebeauftragte machen, wenn sie eine Person in die Öffentlichkeit bringen und dort halten wollen, das waren damals die Gesänge der Troubadoure. Toll wie man das im Katalog nachlesen kann, wie so mancher Sänger die Seiten wechselte, weil der nächste Herrscher mehr bot als der jetzige. Um so eher wußte man über diesen Bescheid und konnte ihm beim Konkurrenten mit seinem ‚Fachwissen‘ eins auswischen.

Mehr muß man dazu gar nicht sagen, als daß eben Richard I. auch der erste war, der sich selber als Löwenherz rühmte und rühmen ließ, der sich schon selbst auf König Artus berief und angeblich dessen Schwert Calibur selbst besaß, ein Ruhm, dem seine Krönung in der Abtei von Westminster an Pomp nachkam, dem weiterhin seine Erfolge auf dem Kreuzzug dienlich waren und ihm dann seine Gefangennahme durch den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches als tragische Figur noch den dramatischen Schmäh dazu gab.

Aber und das machen Ausstellung und Katalog klar, die Selbstbeweihräucherung und Selbstinzenierung von Richard Löwenherz hätten nie diese Dimensionen erhalten, wenn nicht Begleitumstände dies lebendig gehalten hätten, wozu vor allem der frühe Tod zählt. Schnell nämlich hat die Moritat von Blondel, dem Sänger, der seinen gefangenen Herrn sucht und findet, das historische Ereignis übertönt und auch die erst 1521 von John Major erfundene Zuschreibung des Robin Hood auf Richard I hat Wurzeln, die bis ins 13. Jahrhundert reichen.

Auf wie vielen Stationen aus dem Volkshelden Robin Hood, der den Reichen nimmt und den Armen gibt, der als Rebell gegen die Obrigkeit siegt, ein wahrer Sozialrevolutionär, der die Nadelstiche verteilt, die das ungerechte System erledigen, auf wieviel Stationen schließlich aus dem von der Staatsmacht gesuchten Verbrecher Robin Hood, die Person wird, die von König Richard Löwenherz beschützt wird, geht in die Jahrhunderte. Aber dann ist eben aus Richard Löwenherz der Beschützer von Robin Hood geworden und damit auch der, der das drangsalierte Volk repräsentiert und erst seit diesem Amalgam ist auch der Mythos geeignet, allein im 20. Jahrhundert für eine Menge von Romanen, Filmen, Musicals zu sorgen, nachdem 1819 Walter Scott mit Ivanhoe die literarischen Wurzeln vom Volkshelden Robin Hood und dem gütigen König Löwenherz gelegt hatte.

Letzten Endes kann man also sagen, wenn es Richard Löwenherz nicht gegeben hätte, hätte man ihn erfinden müssen, so paßgenau entspricht sein Bild den gesellschaftlichen Anforderungen an einen Helden, der Großes für die Menschheit tat, was er mit seinem Leben bezahlte, weshalb ihm zumindest lebenslanger Ruhm bleibt.

FORTSETZUNG FOLGT

Foto: ©

Info:
Ausstellung bis zum 15. April 2018

Katalog:
Hrsg. Alexander Schubert, Richard Löwenherz. König-Ritter-Gefangener, Verlag Schnell + Steiner 2017

Warum wir uns entschlossen haben, eine längere Serie über RICHARD LÖWENHERZ zu gestalten, hat auch mit diesem Katalog zu tun, der so umfassend, in Tiefe und Breite eine Zeit ausleuchtet, die den meisten nicht sehr gut bekannt ist. An der Person des englischen Königs lassen sich die damaligen königlichen wie politischen Querverbindungen in Europa, insbesondere die besondere Situation der heutigen Länder England und Frankreich genauso studieren, wie das Geschehen im Heiligen Land, bzw. die Kreuzzüge. Natürlich stehen die Gefangenennahme Löwenherz' bei Wien, seine anschließende Verwahrung in Gefängnissen des Reiches, die Lösegeldforderungen, der Prozeß und der Ausgang desselben im Mittelpunkt.

In einer sinnvollen Gliederung sind die über 400 Seiten in acht Kapitel unterteilt, die je unterschiedlich viele - zwischen drei und neun - Beiträge enthalten. Das können Quellentexte sein, Interpretationen, die neuesten Forschungen etc. Die Texte halten sich die Waage zwischen gut zu lesenden Texten und wissenschaftlichem Anspruch. Wenn Sie jeden Tag nur einen Artikel lesen, brauchen Sie über 50 Tage. Aber die Texte sind nur das eine. Zu jedem Kapitel wird  abschließend die Darstellung der Objekte präsentiert, die in diesen Kontext gehören, zusammen mit einer ausführlichen Objektbesprechung, so daß Bild und Text mindestens eine DIN A 4 Seite ergeben.

Das sind nur dürre  Worte gegenüber der Fülle der Erkenntnis und der Freude an den prächtigen bunten Fotos der Objekte.Das soll heißen, natürlich wäre es schön, wenn Sie Speyer erreichen. Aber wenn nicht, dann kann dieser Katalog mehr als ein Trostpflaster sein.


Bisherige Artikel zur Ausstellung  Richard Löwenherz in Speyer:

https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/11435-das-ende-ist-der-anfang
https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/11436-das-angevinische-reich