hwk Kreationen The Great Trust Jeroen Verbruggen Mirko de Campi Ensemble c Bettina Stoess"Tanzkreationen"- Zwei Gastchoreografen im Hessischen Staatsballett

Hanswerner Kruse

Darmstadt/Wiesbaden (Weltexpresso)  Zwei Gastchoreografen haben mit dem Hessischen Staatsballett jeweils ein neues Tanzstück erarbeitet. Unter dem Titel „Kreationen“ werden die beiden hervorragenden Arbeiten in Darmstadt und Wiesbaden präsentiert.

Der Slapstick gleich zu Beginn der ersten Choreografie ist emblematisch für den gesamten Abend: Ein Mann steht vor dem Zwischenvorhang und pfeift ein Lied. Dann folgt ein Spot auf den Gitarrenspieler in einer Badewanne, der nicht nur das Wasser aus seinem Instrument schüttet, sondern sich auch akrobatisch aus der Umklammerung des Zubers zu befreien sucht.

Auch wenn der Abend gelegentlich recht düster wird, scheint der Prolog zu signalisieren: Hey Leute, nehmt uns nicht so ernst. Das gilt besonders für die zweite Tanzarbeit Jeroen Verbruggens „The Great Trust“. In einer riesigen Mauer qualmt es aus einem Loch, durch das wohl gerade eine Rakete gezischt ist. Auf der verqualmten Bühne lagern Krankenschwestern und Clowns, zwischen denen ein hysterischer Zirkusdirektor herumspringt. Nach und nach beginnen diese Figuren mit staksigen Bewegungen närrische Tänze, verrenken sich akrobatisch oder gebärden sich steif wie Puppen.

Die postapokalyptische Gesellschaft wird uns als clowneskes Tanztheater vorgeführt - doch wir sind eher im Kino als im Ballettsaal: Wie in einem surrealen Film lässt die Compagnie teils albtraumartige, teils groteske Bilder aufscheinen, die bedrückende Wirklichkeit wird darin verlacht. Schließlich wird der Weltuntergang poppig zugekleistert, im Mauerloch singen drei Clowninnen „Schubiduba. Again and again!“ Eine Marylin Monroe zelebriert mit einem Furry (einem Mann im Teddykostüm) den Pas de Deux und zuletzt hüpft das Ensemble mit Springseilen über die Bühne.

Auch im ersten Teil des Abends beherrscht eine riesige Mauer die Bühne, das wohl einzig Verbindende zwischen den zwei Stücken. Was bei Verbruggen lustvoll als apokalyptischer Zirkus präsentiert wird, wirkt vorher in Alejandro Cerrudos „Now and Then“ wesentlich strenger. Der Choreograf arbeitet intensiv mit der Beleuchtung, die androgyn gekleideten Tanzenden wirken oft wie Schattenwesen, die spannende Lichtbilder kreieren. Auch hier ist die Welt in Unruhe, die Menschen rennen gegen die Mauer an, aus synchronen Bewegungsmustern brechen Einzelne ständig aus. Manchmal öffnet sich ein waagerechter Mauerstreifen, in dem einzelne Paare mit zeitlupenhaften akrobatischen Figuren agieren. Einmal bläst ein Mann seine Frau zur Schwangeren auf...

„Lasst uns kämpfen für eine bessere Welt.“ Zu den Worten Charlie Chaplins aus dem Film „Der große Diktator“ bewegt sich ein Mann in der Tradition des deutschen Ausdruckstanzes. Alsdann zeigt die Compagnie mit fremdartigen aber wunderschönen Bewegungsbildern Gefühle wie Respekt, Verbundenheit oder Begegnung.

Über den Zustand unserer Welt machen beide Stücke abwechslungsreich und unterhaltsam deutliche Aussagen ohne politische Überfrachtung oder moralische Plattitüden. Sie heben sich von den mittlerweile auch im zeitgenössischen Tanz entwickelten Klischees deutlich ab. Die jungen Choreografen tun dem vor drei Jahren zusammengelegten Hessischen Staatsballett sehr gut, das unter „Ballettdirektor“ (so heißt es wirklich) Tim Plegge zuweilen recht biedere Tanzabende aufführt.

Foto
© Bettina Stöß

Info:
Weitere Aufführungen
in Darmstadt: 3. / 11. / 19. Mai, 10. / 16. Juni 2018, in Wiesbaden: 8. / 20. / 21. Juni