Nir Alon The Glory and the Misery of Our Existence JMF 2018 2Das Jüdische Museum Frankfurt lädt zum Open House Programm vom 10. bis 15. November auf seine Museumsbaustelle ein

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nach mehr als dreijähriger Schließung wegen umfangreicher Um- und Neubaumaßnahmen schickt das Jüdische Museum Frankfurt, das im Jahr 2018 sein 30jähriges Bestehen begeht, das einladende „Willkommen auf der Baustelle“ mit einem poppigen Open House-Ruf an die Stadt und die Umgebung.

Das lässt an die bisherigen ‚temporären Plattformen‘ wie das Pop-Up-Boat (2016) und das Pop-Up Monument (2017) zurückdenken. Das Jüdische Museum öffnet seine Türen und lädt die Öffentlichkeit ein, in die Fläche einzutreten, um den temporären Stand der Bautätigkeit zu erkunden. Die Museumsbaustelle, auf die der Blick von Passanten infolge der Mächtigkeit des neu Erstehenden fällt, steht für ein monumentales Bauwerk, das sich von innen besehen als außerordentlich sinnvoll durchdachtes und gegliedertes Konstrukt erweist.

Die Baustelle steht auch für die Generalsanierung des Altbaus (inklusive Palais) und die unaufdringliche Verbindung des Altbaus (dem Bestand) mit dem Neubau mittels der Halb-Etagen-Konstruktion, die auf der neuen Empfangsebene unmittelbar einsichtig wird. Es wurde auch auf vorhandene Tiefenschichten geachtet. Dies betrifft auch die terrassenhafte Eingliederung des kommenden Cafés.

Ein vielfältiges Programm erstreckt sich über 5 Tage und 6 Nächte

Das umfangreiche Programmheft ist im Netz einzusehen. Es enthält auch prägnante Beiträge zur Architektur und Kunst auf insgesamt 6300 m² Grundfläche.

Während der fünf Tage Programm wird täglich eine Baustellenführung angeboten. Sie führt zunächst über die Ausstellung zeitgenössischer Kunst in den unteren halbrenovierten Räumen des historischen Rothschild-Palais zu einer gewagten Installation von Nir Alon (1949 in Jerusalem geboren) im Palais-Vestibül. Diese trägt den Titel ‚The Glory and the Misery of Our Existentence‘, 2018. Der Zustand dieses Werks erscheint als äußerst fragil, ist aber von höherer Festigkeit als vermutet. Die Arbeit wechselt in die neue Dauerausstellung des Museums.

Ein Fragiles darf auch für die Funktion eines jüdischen Museums und der ihm nicht ausgehenden Themen, die um Gefahr kreisen, als gemäß angesehen werden. Skulpturen von Ilana Salama Ortar (geboren 1949 in Alexandrien, Ägypten) finden sich im langgestreckten großen Saal mit den ‚Kapseln‘ (aus Glas), in die Bergungen nach dem Muster der Baugrundarchäologie eingeschlossen sind und Videoarbeiten von Dana Levy, u.a. mit dem ebenfalls aussagekräftigenTitel ‚This was Home‘, 2016.

Gelehrsames wie Unterhaltendes auf dem Open House

Das Museum wird an den Event-Tagen multipel genutzt. Eine gewisse Lockerheit sollte mitgebracht werden. Die Tage stehen unter dem Motto: „Kunst und Knisches“.

Räume, die tagsüber für Kurator*innen-Gespräche, Artist Talks und Führungen auf der Baustelle genutzt werden, wandeln sich abends zur Bühne für Konzerte, Filmvorführungen, Diskussionen und Performances. Des nachts werden die Räume zum Dancefloor.

Und dennoch: „In einem Symposium anlässlich des Jubiläums werden auch die Entwicklungen einer jüdischen Museologie in Europa und die Herausforderungen für Jüdische Museen zwischen Gegenwart und Zukunft diskutiert“.

‚Mahnungen aus der Vergangenheit‘, ‚80 Jahre nach dem Novemberpogrom nimmt der Antisemitismus zu – vor allem an Schulen“, titelte die FR zum 9. November 2018. Am Hochbunker der Friedberger Anlage, wo bis zum 9. November 1938 die prächtigste Synagoge Frankfurts stand, war das Erstarken des Antisemitismus auch das Thema des Abends des 9. November - dem achtzigsten Jahrestag der Reichspogromnacht - und zugleich Anlass zu größter Sorge.

Im Neubau befindet sich bereits ein Lab zur ersten Wechselausstellung mit temporären Einbauten zum Thema: ‚Wir sind da! Juden in Europa 1945 - 1950‘, - ‚Wir zaynen do!‘ - mit ausgewählten Fotografien und einer Europakarte, auf der Sammelstätten der ‚Displaced Persons‘ verzeichnet sind: Amsterdam, Berlin, Frankfurt, Budapest, Dzierniov, Warschau, Bialystik, Marseille, Bari.

Die größte Gemeinde befand sich vor den Pogromen in Polen. Dort lebten vor Beginn des Zweiten Weltkriegs ca. 3 Millionen Juden. Rund 90 % von diesen wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Es fand aber auch das Massaker von Jedwabne statt, an dem sich polnische Bevölkerung beteiligte. Ein übergroßes Foto einer vielköpfigen Familie, die auf einer Zwischenstation der Flucht in die Kamera blickt, lädt zum Verweilen ein. 1946 kam es erneut zu Pogromen gegen Juden.

Der am Dienstag,13. Nov. gezeigte Dokumentarfilm ‚Auf gepackten Koffern‘ von Itai Lev wird von der Entstehungsgeschichte der jüdischen Gemeinde in Frankfurt nach der Schoa erzählen. Er enthält bislang unveröffentlichtes Archivmaterial und zeigt „einfühlsame Interviews“.

Der Comic ‚Manu und Saul‘, „Der Comic als Kommentar zum Zeitgeschehen“, der am Bauzaun des Museums die Geschichte vom schlaksigen Mädchen und dem Hund mit Fell-Kippa abbildet, ist jetzt auch als Buch erhältlich. Das Buch wird am Montag, 12. Nov. vorgestellt und Zeichner Volker Reiche stellt sich hierzu dem Gespräch.

Am Sonntag, 11. Nov. findet das Symposium zum Gegenstand ‚30 Jahre jüdische Museologie‘ statt. Das Jüdische Museum Frankfurt wurde am symbolträchtigen 9. November 1988 von Kanzler Kohl eröffnet. Das Symposium thematisiert die vornehmliche Aufgabe dieses ersten Jüdischen Museums in der Bundesrepublik Deutschland und stellt die Frage nach den Aufgaben und Profilen Jüdischer Museen „in einer orientierungslosen Welt“ (wie es in der Ankündigung des Programms zutreffend lautet).

Foto:
© Heinz Markert

Info:
‚Open House. Wollkommen auf der Baustelle‘. 10. Bis. 15. November 2018, Baustelle des Jüdischen Museums, Untermainkai, Eingang zur Baustelle (mit dem Rücken von der Friedensbrücke her gesehen)

https://www.juedischesmuseum.de/fileadmin/user_upload/Bilder/ausstellungen/open-house/open-house-juedisches-museum-frankfurt-programmflyer.pdf