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Kategorie: Kulturbetrieb
wm Florent Mannant SaxChristian Brückner zaubert und Florent Mannant spielt eindrucksvoll auf

Sabine Wolter

Berlin (Weltexpresso) - Mitte Dezember hörten wir zum ersten Mal den wunderbaren Christian Brückner im Amerikazentrum in Hamburg, und waren begeistert. An eine Steigerung zu denken, schien unmöglich. Doch es gab sie.

Zunächst eine vom Theater atmosphärisch stimmig gestaltete Bühne.

Abends stand das Stück „Was zählt, ist die Familie“ auf dem Spielplan, und nun hatte man vor das Bild einen schwarzen Vorhang gehängt und gleichzeitig mit zwei farbigen Strahlern die Szenerie ausgeleuchtet. Links ein Stehpult, mit einem hohen Hocker dahinter, rechts ein Stuhl mit kleinem Tisch.

Nach der Begrüßungsdurchsage durch das Theater, treten die beiden auf, werden mit Applaus begrüßt.

Nun startet ganz überraschend ein Filmausschnitt aus „Taxi Driver“: Man sieht also Robert De Niro, gesprochen von Christian Brückner: „Du laberst mich an? Ich sehe keinen anderen, der hier ist!“

wm Christian Bruckner liest 1Und nun beginnt Brückner mit dem ersten Text. Franz Kafka „Amerika“, der die Ankunft nach New York per Schiff beschreibt.
Gefolgt von Fritz J. Raddatz, der das sehr viel unromantischer erlebt.
Brückner gibt, noch stärker als in Hamburg, jedem Text ein eigenes Kolorit. Und unterstützt gekonnt gestisch.

Florent Mannant wechselt übrigens zwischen Saxophon und Klarinette. Er ist ein hochbegabter Musiker, dem man sehr gerne zuhört.

wm Florent Mannant JAZZ 1Die beiden Künstler passen gerade ideal zusammen. Und sie scheinen sich auch gegenseitig zu beflügeln.

Die Textauswahl stammte von dem Theaterwissenschaftler Wolfgang Mielke. Er hat sie weiter gestrafft, und ein paar wenige Texte ausgetauscht. Wie in einem voranschreitenden Prozess.

Da die Texte aus verschiedenen Jahren des letzten Jahrhunderts bis ins Heute reichen, ist aufschlussreich, wie sehr sich unser Sprachverständnis und -gebrauch immer wieder weiterentwickelt. Der Emigrant Fritz Kortner verwendet zum Beispiel wiederholt das Wort „Neger“. Wie später Wolfgang Koeppen oder Raddatz. Und es ist sicher richtig, dass der Veranstalter hier nicht herumgestrichen hat. Heute ersetzte man „Neger“ durch „Farbiger“, wie in einem der neueren Texte, oder auch „Afro-Amerikaner“.

Und es gäbe wohl niemanden, der dem jüdischen Flüchtling Kortner postum vorwerfen wollte, Rassist gewesen zu sein.

Großartig die Erzählung von Wolfgang Koeppen über Harlem. Die, wie er es nannte, „schwärende Wunde New Yorks“.Er berichtet zum Beispiel staunend von lediglich weißen Schaufensterpuppen - inmitten von sonst nur schwarzem Publikum.

wm Florent Mannant JAZZ 3Zur Pause liest Brückner „Junk“ von Burroughs, und Mannant spielt einige Saxophontöne als Untermalung.

Nach der Pause stimmt Mannant, zur unüberhörbaren Freude des Publikums, “New York, New York“ an. Dazu sind mehrere Fotos zu sehen.

Die Textauswahl ist gut gewichtet. Neben ernsteren Texten kommen lustige. Jetzt zum Beispiel eine über einen Fahrstuhl, der dreieinhalb Stunden feststeckte. Eine miteingeschlossene Frau stellt fest, dass deutlich mehr Frauen als Männer eingeschlossen seien, worauf ein witziger Ire trocken bemerkt, dass für derlei Aktivitäten in keinem Fall Raum genug vorhanden sei! - Es folgt das herrliche „Autum in New York“.

Und als kleiner Favorit des Publikums liest Brückner großartig die Taxi-Geschichte von Helmut Marrat.

Zum Ende kräftiger Applaus.

Fotos:
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