Drucken
Kategorie: Kulturbetrieb
kpm Razzia in Teheran gegen unislamische KleidungEine fragwürdige Ausstellung und ihre Freunde

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es ist eine seltsame und unheilige Allianz: Die iranische Regierung lobt auf ihrer Internetseite die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ in Frankfurt. Und ein FR-Redakteur ist ebenfalls begeistert – und unkritisch.

Mit den „Fürsprecherinnen eines überholten Altfeminismus“ hat FR-Redakteur Manuel Almeida Vergara offensichtlich Probleme, die er im Detail jedoch nicht ausführt. Hingegen stören ihn die aus archaischen Religionen entlehnten und vom fundamentalistisch-orthodoxen Islam festgeschriebenen Bekleidungsvorschriften für Frauen, die deren gesellschaftlichem Rang entsprechen, anscheinend nicht. Und er scheut sich auch nicht, bei seiner Diffamierung Andersdenkender in den sprachlichen Jargon der AfD zu verfallen. Beispielsweise in den der Bundestagsabgeordneten Nicole Höchst, welche die Emanzipation von Frauen und speziell den Feminismus sowohl für gefährlich als auch für überholt hält (z.B. in einer Rede im Juli 2018).

Es ficht Vergara auch nicht an, dass von den insgesamt 52 ausgestellten Designern (weibliche und männliche Personen sowie Modelabels) allein 14 aus absolutistischen Staaten wie Saudi-Arabien, Qatar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Iran kommen. Weitere 16 stammen aus Ländern, die ebenfalls nicht als demokratisch bekannt sind: Nämlich aus Indonesien, Malaysia, Pakistan und der derzeitigen Türkei. Es ist nicht bekannt, dass sich die Modeschöpfer mit den Machthabern in ihren Ländern wegen Differenzen in Menschenrechtsfragen überworfen hätten. Auch die Spitzenplätze bei Todesurteilen und Hinrichtungen, die Iran und Saudi-Arabien in der Welt einnehmen, rütteln niemanden in diesen Kreisen wach. Vielmehr akzeptieren sie widerspruchslos die Rolle, die dort den Frauen gesetzlich zugewiesen ist. So findet die behauptete Kreativität bezeichnenderweise exakt dort ihre Grenzen, wo auch Raum für Alternativen, also für tatsächliche Vielfalt, sein müsste. Denn Mode ist häufig auch Protest gegen erstarrte gesellschaftliche Normen.

Der von Vergara zitierte Hinweis von Mahret Ifeoma Kupka, der Projektkoordinatorin, auf die Akzeptanz der Lebensrealität (!) muslimischer Frauen im englischsprachigen Raum, ist sogar geschmacklos und zynisch. Denn damit werden einerseits das Verdrängen von Missständen und andererseits offensichtliches Unrecht für rechtens erklärt. Für Frau Kupka ergibt sich die Legitimität der herrschenden Verhältnisse aus der Tatsache, dass sie vorhanden sind. Das ist quasi die Primitivinterpretation von Hegels Satz „Alles Wirkliche ist vernünftig und alle Vernunft ist wirklich“.

Die Kontroverse, die von der Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ hervorgerufen wird, ist erst in zweiter Linie, wenn überhaupt, eine religiöse Auseinandersetzung. Vorrangig geht es um den politischen Islam. Dieser basiert auf einem unhistorischen Verständnis religiöser Offenbarungen. Folglich werden sowohl deren Heilsaussagen als auch deren gesellschaftspolitischer Kontext – von der Entstehensphase bis heute - nicht (oder zu wenig) reflektiert. Vielmehr sehen sich die absolutistischen Herrscherdynastien in Arabien und Teilen Asiens durch den Islam bestätigt. Gleichberechtigung der Geschlechter und die Freiheit zur sexuellen Orientierung, das Recht auf individuelle Selbstbestimmung, auf freie Meinungsäußerung und auf politische Aktivität würden die Systeme grundsätzlich infrage stellen.

Deswegen ist die Kritik am politischen Islam die „Kritik des Jammertals, dessen Heiligenschein“ der politische Islam ist – wenn man Karl Marx‘ Ausführungen von 1844 in die Gegenwart überträgt. Und Marx und die anderen Junghegelianer machten ihre Kritik fest am indifferenten Luthertum ihrer Zeit. Das war zur sakralen, aber sinnentleerten Säule Preußens geworden. Ebenso am ähnlich feudalistisch orientierten Katholizismus, der eine Vergangenheit beschwor, die sich nicht erst seit der Reformation überlebt hatte. Eine Kritik an der Gesellschaft musste zwangsläufig mit einer Kritik an der Religion beginnen.

Wenn in Deutschland über den Islam und Muslime diskutiert wird, orientieren sich die meisten Streitgespräche an Eckpunkten, die von Ditib oder Ahmadiyya gesetzt werden. Unabhängige Persönlichkeiten und Organisationen werden von diesen Fundamentalisten bewusst verdrängt. Selten bis gar nicht hört oder sieht man Vertreter des liberalen Islams wie Lale Akgün, Seyran Ates, Naila Chikhi, Kacem El Ghazzali, Abdel-Hakim Ourghi oder Ali Ertan Toprak. Auch der Liberal-islamische Bund oder die unlängst gegründete „Initiative Säkularer Islam“ stehen im Schatten. Deren Einschätzung der Frankfurter Ausstellung ist durchgängig skeptisch bis ablehnend.

Sowohl die Leitung des Museums als auch die Organisatoren der Ausstellung erwähnen zwar den Eingang von Hass-Mails aus dem rechten Untergrund und begründen damit die besonderen Sicherheitsvorkehrungen. Aber die Kritik von unabhängigen islamischen Personen und Organisationen sowie die aus der „linken“ Ecke wird nicht ausführlich erwähnt. Am Tag nach der Pressekonferenz konnte man in der morgendlichen Presseschau des Hessischen Rundfunks den Eindruck gewinnen, dass „Contemporary Muslim Fashions“ auf wenig Zustimmung stößt.

Ausgenommen das Regime im Iran, das sich auf seiner Website positiv äußerte. Und Manuel Almeida Vergara in der FR.

Foto:
Razzia in Teheran gegen „unislamische“ Kleidung

© DRS