wpo spiel 2225 Eine Kunstausstellung zum Mitspielen in der Kunstaktion Kleinsassen/Rhön

Hanswerner Kruse

Kleinsassen/Rhön (weltexpresso) - Zum 40. Geburtstag lädt die Kunststation Kleinsassen mit ihrer Ausstellung „KunstSpieleKunst“ das Publikum zum Mitmachen ein. Während das Spielen mit Kunstwerken gewöhnlich streng tabuisiert ist, wird es hier in den nächsten Monaten ausdrücklich erwünscht sein. 


Bereits vor dem Kunsthaus empfängt die Besucherinnen und Besucher die Skulptur „Promenade der Elementarteile“, in der etwa eine gelbe eiserne Sonne oder ein blaues Eisenherz vom Wind bewegt werden. Sind die Böen aus der Rhön zu schwach, um die Figuren zu drehen, kann das Publikum die Elemente selbst in Bewegung setzen.

Zunächst fallen beim folgenden Streifzug durch die Ausstellung natürlich als erstes solch spektakuläre Mitspielobjekte auf: Das Fahrrad, mit dem seine Benutzer eine riesige Maske wachsen lassen können oder eine mächtige Klangskulptur, die ständig von Leuten mit einer Vielzahl von Schlagwerkzeugen beklopft und erkundet wird. Zu einem sanften Klangteppich vom Band im Hintergrund entstehen so häufig ungeplante musikalische Performances.
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Ein eisernes „Bürokratenkarussel“ dreht sich typischerweise um sich selbst: „Mir sinn die Hände gebunden
“ oder „Kömmer heute nich entscheiden“ heißen die ebenfalls rotierenden Bronzeköpfe der Bürokraten. Das Objekt wirft wechselnde Schatten an die Wand, genauso wie andere eindrucksvolle Stahlobjekte, etwa die „Windschere“ oder „Turbulenzen“, die nach der Vernissage unaufhörlich vom Publikum bewegt werden.

Das sensationellste Kunstwerk ist zweifellos der gigantische atmende Zylinderballon „transForm“ in der großen Halle: Mal hängt die silbrige Hülle halbschlaff von der Decke, dann bläst sie sich parallel zum Dachbalken wieder auf: Es wechseln Prallheit und Erschlaffung, Fülle und Leere, Kraft und Schwäche: „So werden auch emotionale Situationen allegorisiert“, sagt Künstler Ambech über seine Arbeit.

Erst beim zweiten oder dritten Rundgang entdeckt man subtilere Artefakte zum Spielen oder Betrachten. Etwa die „Virtuellen Zeichnungen“, ein kleines unscheinbares Objekt aus Hasendraht an der Wand. Mit zwei Taschenlampen kann man wunderbare temporäre, sich ständig verändernde Schattenzeichnungen entstehen lassen. Auf einem Sockel stehen vier schwarze Becher, beim Hochheben werden „Siblings“, winzige Roboterfiguren lebendig und düsen herum, bis sie wieder zugedeckt werden: Der Benutzer kann zum aktiven Hütchenspieler werden.

Die große Bildwand „Reise an den Rand des Farbkreises“, eine Collage aus Ölkreidemalereien, kann man durch unterschiedlich farbige Strahlen einer fest montierten Lampe beträchtlich verändern. „Bei dieser Reise werden Sie am Joystick zum Reiseleiter“, ermuntert die Künstlerin Friederike Büch die Leute.

Natürlich spielen auch manche Kunstwerke ohne Eingriffe von außen lediglich mit sich selbst. Oder die Op-Art-Werke verwandeln sich nur durch die Veränderung der Perspektive der Betrachter. Und in einem eigenen Raum ist sogar eine digitale Spielhölle aufgebaut, in der man zeitgenössische aber künstlerische Computerspiele (Game Art) entdecken kann.


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Die vielfältige Bedeutung des Spiels, auf die Kuratorin Dr. Elisabeth Heil in der Vernissage hinwies, wird in dieser Ausstellung überaus deutlich. 25 Künstlerinnen und Künstler präsentieren vom humorvollen Objekt bis zum toternsten Denkspiel viele Aspekte des Themas und „lösen das Publikum aus andächtiger Betrachtung“, wie es zur Eröffnung der Kunststation 1979 gefordert wurde. Seitdem sind in Kleinsassen immer gut zusammengestellte und hervorragend kuratierte Ausstellungen regionaler und internationaler Kunstschaffender zu sehen. Doch mit der bunten Vielfalt dieser Schau zum Jubiläum übertrifft sich das Kleinsassener Ausstellungshaus selbst.






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(c) Hanswerner Kruse

INFO
„KunstSpieleKunst“ noch bis zum 25. August 2019 in der Kunststation Kleinsassen, An der Milseburg 2, Hofbieber. Geöffnet Dienstag bis Samstag 13-18 Uhr, Sonntag und Feiertag 11-18 Uhr.
Es gibt ein ausführliches Rahmenprogramm www.kunststation-kleinsassen.,de

HINWEIS 
„Rettet das Spiel“ heißt das Buch, das der Fuldaer Philosoph Christoph Quarch vor einigen Jahren gemeinsam mit dem Neurobiologen Gerald Hüther veröffentlichte. Die beiden Autoren wenden sich darin gegen die Kommerzialisierung des Spiels, „weil das Leben mehr als Funktionieren ist.“ Die Kleinsassener Ausstellung wirkt wie eine visuelle Umschreibung des Themas und leistet so auch einen Beitrag zur Rettung des Spiels! 
btb-Verlag, 10 Euro