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Kategorie: Kulturbetrieb
Bildschirmfoto 2019 08 15 um 03.34.12Serie: SCHÄTZE AUS DEM SCHUTT. 800 Jahre St. Leonhard in Frankfurt am Main, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso)  – Etwas unheimlich ist einem schon, wenn man im ersten Teil der Ausstellung, die die kleinteiligen Ausgrabungsschätze von St. Leonhard zeigen, die gefunden wurden, als man die spätromanisch errichtete und später gotisierte Kirche ab 2011 metertief unter das damalige Fundament ausgrub, etwas unheimlich also, wenn man der leibhaftigen Urkunde des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches (damals noch nicht Deutscher Nation genannt) gegenübersteht, die König und späterer Kaiser Friedrich II. als Schenkungsurkunde am 15. August 1219 mit Brief und Siegel beurkundete.

Der Staufer Friedrich II. schenkte den Frankfurter Bürgern eine Hofstatt zum Bau einer Kapelle, was die Königliche Kanzlei 1219 August 15. bezeugte. Die Urkunde ist aus Pergament, hat die Höhe von 39 Zentimetern und die Breite von 31, 5 und an roten und gelben Seidenfäden das braune Majestätssiegel angehängt, das mit dem Durchmesser von 8 Zentimetern einem gewaltig vorkommt. Diese Gründungsurkunde für St. Leonhard gehört heute dem Institut für Stadtgeschichte, wo es im Standort PRIVILEGIEN eigentlich nie verliehen wird. So ist es ein Zeichen für die Bedeutung dieser Ausstellung, daß das Original sechs Wochen lang (wegen des Lichts nicht länger) gezeigt werden darf. Dies sollte sich kein Frankfurter Bewohner entgehen lassen.

Denn neben den Schätzen, den im Bodenbereich der Kirche bei den Sanierungsgrabungen gefundenen Plastiken, Scherben, Devotionalien etc., ist dies Schriftstück auch ein guter Anlaß, sich über die Entwicklung der Stadt Frankfurt Gedanken zu machen. Warum nämlich mußte der Stauferkönig den Grund überhaupt schenken, hatte die Stadt, hatten die Kirchen keinen Baugrund? Und warum wurde der Grund nicht der Kirche, sondern den Bürgern geschenkt?

Ein kurzer Blick auf Friedrich II (1212-1250)

Wir sind am Ende des Hochmittelalters immer noch in einer ungeklärten Situation, was die spätere unmittelbare Reichsstadt Frankfurt angeht. Das Frankfurter Gebiet war alter Königsbesitz, was die aufgefundene Pfalz Karl des Großen bzw. ihre Reste beweisen. Am 5. Dezember 1212 war Friedrich II. in Frankfurt zum Deutschen König gewählt worden. Seit der Staufer Konrad III. seinen Sohn in Frankfurt zum künftigen König wählen ließ, dann Kaiser Friedrich I. 1152 in Frankfurt aufs Schild gehoben wurde, wurde Frankfurt zum traditionellen Wahlort, später auch Krönungsort. Friedrich II. läßt 1220 in Frankfurt auch seinen neunjährigen Sohn zum römisch-deutschen König wählen, er selbst kann erst im November 1220 zusammen mit seiner Frau Konstanze durch den Papst Honorius III. in der Peterskirche in Rom zum Kaiser und Kaiserin gekrönt werden, denn er war nach seiner Königswahl acht Jahre lang nicht in Italien gewesen und damals war der Papst allein derjenige, der die Krönung vollzog. Aber schon ein Jahr 1219 zuvor hatte Friedrich II. die Frankfurter Einwohner erstmals als Bürger, als Bürger seiner Stadt genannt.

Für Frankfurt wurde Kaiser Friedrich II. die wichtigste Herrscherfigur, denn in seine Regierungszeit bis 1250 fallen die wichtigsten Entscheidungen für die Stadt als unmittelbare Reichsstadt, die sie 1245 wird. Schon zuvor hatte der Ausbau des Messewesens 1240 zur Bestätigung des kaiserlichen Messeprivilegs der Frankfurter Herbstmesse durch den Kaiser geführt, nachdem Münzrecht und Marktrecht schon weit früher verliehen worden waren. Das alles wurde 1356 in der Goldenen Bulle festgelegt, von der ebenfalls ein Original im Institut für Stadtgeschichte ruht.

Zwischen Reichsstadt und Freier Stadt muß man noch einmal unterscheiden, aber Frankfurt gehörte wirklich zu den ganz wenigen, umgangssprachlich freie Reichsstädte genannten Städten, die mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 aber keine Reichsgrundlage mehr hatten. Doch 1815 wurde Frankfurt innerhalb des Deutschen Bundes wieder zur freien Stadt, war also ein eigener Staat und dies zusammen mit Lübeck, Hamburg und Bremen, 1866 wurde Frankfurt von den Preußen annektiert und verlor seine Unabhängigkeit. Die Frankfurter heute sagen aber, daß die Grundmentalität als freie Reichsstadt ihren Bürgern bis heute eigen sei. Übrigens verlor auch Lübeck seine Stadtfreiheit in den Dreißiger Jahren und nur Hamburg und Bremen sind freie Städte und damit eigene Bundesländer.

Zurück zur Urkunde vor 800 Jahren, die den kaiserlichen Baugrund für die Bürgerkirche stiftete. Im hilfreichen Katalog ist der lateinische Urkundentext transkribiert und dann ins Deutsche übersetzt. Dies zu lesen ist schon deshalb spannend, weil in Zeiten von Internet und Abkürzungen die sowohl formelhafte, aber fast auch schon ausufernd barocke Sprachgestaltung besonders auffällt.

Es beginnt: „Friedrich der Zweite, durch die Gunst göttlicher Gnade der Römer König, immer Augustus und König Siziliens. Weil man glaubt, dass Könige und Fürsten bei Gott als Belohnung ewiges Heil, bei den Menschen höchsten Ruhm gewinnen, wenn sie den Kirchen großzügig Lehen zuteilen und sich für deren Gedeihen wirkungsvoll einsetzen, geben Wir aus dieser Überlegung allen Unseren jetzigen wie zukünftig Getreuen bekannt: Wir haben auf Ersuchen aller Unserer treuen Bürger von Frankfurt und auch für Unser Seelenheil diesen Bürgern ein Grundstück zum Bauen und zwar eine Hofstatt geschenkt. Sie gehört dem Reich und Uns und liegt neben dem Kornmarkt. Auf dieser Hofstatt soll eine Kapelle gebaut werden, zweckmäßig und unentbehrlich für die Bürger, zu Ehren der Heiligen Gottesmutter und Jungfrau Maria und des seligen Märtyrers Georg...“ dann wird noch erklärt, daß diese Schenkung für immer gilt und auch von kaiserlichen und königlichen Nachfolgern nicht widerrufen werden kann.

FORTSETZUNG FOLGT

Fotos:
Es ist sehr schwer, durch dickes Glas hindurch die Urkunde zu fotografieren. Aber wenigstens der Eindruck ist da
© Redaktion

Info:
Schätze aus dem Schutt. 800 Jahre St. Leonhard
Ausstellung im Dommuseum Frankfurt & im Sakristeum
FR 16. August 2019 – SO 19. Januar 2020
Eröffnung DO 15. August, 17 Uhr

Ausstellungskatalog
Zur Ausstellung „Schätze aus dem Schutt. 800 Jahre St. Leonhard“ erscheint im Verlag Schnell + Steiner ein Ausstellungskatalog von ca. 200 Seiten, herausgegeben von Bettina Schmitt und Verena Smit. Beiträge verschiedener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen in allgemein verständlicher Weise die neuesten Erkenntnisse zur Geschichte der Kirche, ihrer Ausstattung und ihrer Erforschung dar.