kpm Literaturzeitschriften 72dpiBlick in LiteraturZeitSchriften von gestern und heute

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Literatur ist ohne Feuilletons in Zeitungen und Magazinen kaum denkbar.

Denn unzählige Debütanten fanden und finden über dort veröffentlichte Erstabdrucke den Weg zu Verlagen und Lesern. Eine spezielle Rolle kam und kommt dabei den Literaturzeitschriften zu, die sich hartnäckig, wenn auch in zumeist kleinen Auflagen, nach wie vor behaupten, von Ausnahmen abgesehen, selbst wenn diese erkennbar zunehmen.

Lassen wir uns also auf das Wagnis ein und begeben uns auf die Spuren literarischer Blätter. Beispielsweise um zu klären, wie wichtig Literaturzeitschriften für Autoren, für Leser und Verlage sind. Wie sahen die Anfänge einer Zeitschrift aus, gibt es so genannte Gründungsmythen, was war die Motivation der Macher? Von welchen Erfahrungen kann erzählt und von welchen zeitlichen Umständen kann berichtet werden? Und behaupten sich die, welche es noch gibt, im multimedialen Zeitalter?

Wenn man über Literaturzeitschriften nachdenkt, beinhaltet das, auch über die Literatur selbst nachzudenken. Denn wie könnte eine Zeitschrift wichtiger sein als das, was und wen sie vertritt? Ihr Schicksal ist somit das ihres Gegenstandes - mit ihm steigt oder fällt sie, wird gewürdigt oder verworfen. Und wenn desillusionierte Kritiker meinen, dass die Literatur kaum mehr imstande sei, im digitalen Strom fortwährender Sinnerschöpfungen und Zeichenzerstörung für Nachhaltigkeit zu sorgen und eine innere gegen eine äußere Zeit zu behaupten, dann kann dieser Zustand für Zeitschriften, die das reflektieren, unmöglich angenehmer sein. Oder anders ausgedrückt: Mit der Literatur stehen oder fallen auch die Literaturzeitschriften.

Die folgende Tour d’Horizon stellt die wichtigsten Publikationen vor. Dabei erfolgt die Auswahl nach den subjektiven Kriterien eines Viellesers, der sich in manchen Periodika festgelesen hat, während er zu anderen nur schwer Zugang fand.


Merkur

Einige der bedeutendsten Kultur- und Literaturzeitschriften haben Vorgänger, die ihre Startphase nur kurz überlebten, aber später neu entdeckt und fortgeführt wurden. Hierzu zählt auch der MERKUR.

1773 wurde er von Christoph Martin Wieland als „Der Teutsche Merkur“ gegründet. Er bestand bis 1789. Zwischen 1790 und 1810 gab es eine Nachfolgezeitschrift, den „Neuen Teutschen Merkur“. Vorbild war die französische Zeitschrift „Mercure de France“.
Anfangs lag die verkaufte Auflage bei 2.000 Exemplaren, später bei 1.200.

Wieland war ein vehementer Anhänger der Aufklärung. Sein Roman „Die Geschichte des Agathon“ gilt als der erste bedeutende deutschsprachige Bildungs- und Erziehungsroman. Als Übersetzer und Rezensent verfügte er zudem über beste Kontakte zur Kultur- und Literaturszene seiner Zeit. Es war Wielands Ziel, die Nachteile der deutschen Kulturlandschaft, beispielsweise das Fehlen eines Nationaltheaters sowie die über die deutschen Fürstentümer verstreut lebenden Schriftsteller, durch Schaffung eines publizistischen Bindeglieds auszugleichen und die Bildung eines literarischen (National-) Geschmacks durch Rezensionen zu fördern. Dementsprechend übten er und die Redaktion eine umfassende Tätigkeit aus, die sich lange Zeit hindurch auf fast alles erstreckte, was für die literarische Welt von Bedeutung war.

Aber auch der Merkur teilte das Schicksal vieler ambitionierter Zeitschriften. Die verkaufte Auflage sank, Herausgeber und Verleger sahen sich nicht dazu in der Lage, weitere finanzielle Mittel einzubringen. Und so ging er schließlich unter.

Bis 1947 Hans Paeschke und Joachim Moras eine Zeitschrift fast gleichen Namens und mit ähnlichen Zielsetzungen gründeten: Jenen Merkur, dessen Untertitel „Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken“ lautete. Er erschien zunächst im unbekannten Verlag Heller und Wegner, dann in der Deutschen Verlags-Anstalt, ab 1963 für fünf Jahre bei Kiepenheuer & Witsch und schließlich bei Ernst Klett. Auf Paeschke und Moras folgten als Herausgeber Hans Schwab-Felisch, Karl Heinz Bohrer, Kurt Scheel und 2012 Christian Demand, der sich die Aufgabe seit zwei Jahren mit Ekkehard Knörer teilt – sämtlich anerkannte Germanisten und Literaturwissenschaftler mit journalistischen Erfahrungen.

Das von Hans Paeschke formulierte inhaltliche Konzept gilt bis heute: „Statuierung der Verantwortung für die Schuld als erster Verantwortung der Geistigen in dieser Zeit. Verantwortung vor dem Wort. Mut zur Distanz gegenüber allen angeblich endgültigen Lösungen.“ Folglich ist die Mehrzahl der Beiträge in der Form des Essays abgefasst. Das gilt auch für Rezensionen, Interviews oder Reiseschilderungen. Daneben bietet der Merkur auch ein Forum für neue Prosa und neue Lyrik.

Die Zeitschrift verstand und versteht sich als Teil des gesellschaftlichen Diskurses. Dadurch geriet sie mehrfach an den Rand der Existenz. Beispielsweise, als ein kritischer Beitrag von Jürgen Habermas zur deutschen Wiedervereinigung nicht abgedruckt wurde und dann in der FAZ ungekürzt erschien. Habermas kündigte daraufhin seine redaktionelle Mitarbeit auf. Ebenso führte die betont pro-amerikanische und unreflektierte Kommentierung der Anschläge vom 11. September 2001 durch Hans Bohrer zu einem heftigen Protest der linken und linksliberalen Leserschaft.

Die gedruckte Auflage des MERKUR liegt aktuell bei 3.500 Exemplaren. Die Finanzierung durch die Ernst Klett Stiftung scheint gesichert zu sein.


Die Horen

Als zweitälteste deutsche Literaturzeitschrift gelten „Die Horen“, die 1795 von Friedrich Schiller gegründet wurden. Sie erschienen weniger als drei Jahre.
Die Ausstrahlung der untergangenen Zeitschrift, vielleicht auch die der Göttinnen Eunomia, Dike und Eirene , war mehr als 150 Jahre später offensichtlich noch so stark, dass sie der Schriftsteller Kurt Morawietz 1955 in Hannover für eine Neugründung nutzte.

Die Zeitschrift hat sich u. a. zum Ziel gesetzt, junge Autoren zu entdecken und bedeutende Schriftsteller der Vergessenheit zu entreißen. Sie widmet sich dabei der Prosa und in bemerkenswertem Umfang auch der Lyrik, in einem Teil ihrer Hefte der deutschen sowie in Deutschland weniger bekannten Nationalliteratur (z. B. der Islands oder Polens). Sie machte wiederholt auf verfolgte Schriftsteller aufmerksam, beispielsweise in der Türkei.

Auf Kurt Morawietz folgte von 1994 bis 2011 der Schriftsteller Johann P. Tammen als Herausgeber. Seit 2012 ist es Jürgen Krätzer. Die Horen erscheinen vierteljährlich im Wallstein Verlag, Göttingen; die verkaufte Auflage pro Heft liegt bei ca. 4.000 Exemplaren.


Die neue Rundschau

Im Jahr 1890 gründeten der Theaterkritiker Otto Brahm und der Verleger Samuel Fischer „Die neue Rundschau“, die ebenso wie die vorgenannten Periodika zu den ältesten Kulturzeitschriften Deutschlands und Europas zählt. Ursprünglich hieß sie „Freie Bühne“, 1894 folgte die Umbenennung in „Neue Deutsche Rundschau“ und schließlich 1904 erhielt sie den Namen, den sie noch heute trägt. Erster Chefredakteur war der Schriftsteller Otto Julius Bierbaum.

Die Zeitschrift wurde zu einem der wichtigsten Foren für moderne Literatur und Essayistik im wilhelminischen Deutschen Reich und in der Weimarer Republik. Die enge Verbindung zum Fischer Verlag führte dazu, dass wichtige Schriftsteller des Verlags hier Erstabdrucke veröffentlichen konnten. Auch die Rezensenten waren dem Verlag durch Autorenverträge verbunden. Zu ihnen sowie zu den Verfassern literarischer Aufsätze gehörten Literaturkritiker wie Alfred Kerr und Schriftsteller wie Robert Musil, Thomas Mann, Oskar Loerke und Robert Walser. Zwei Jahre lang veröffentlichte auch Alfred Döblin in der „Neuen Rundschau“.

1944 wurde sie von der NS-Regierung verboten. Gottfried Bermann-Fischer gründete sie noch im schwedischen Exil unmittelbar nach Kriegsende 1945 neu. Sie erscheint mittlerweile vierteljährlich; jedes Heft hat einen Themenschwerpunkt.


Der Monat

Im Jahr 1948 gab es eine bemerkenswerte Zeitschriftenneugründung. Im Auftrag des US-amerikanischen Militärgouverneurs, General Lucius D. Clay, gründete der Journalist Melvin J. Lasky, dessen Eltern aus Polen in die USA eingewandert waren, in West-Berlin den „Monat“. Diese zeitweilig europaweit meistgelesene Kulturzeitschrift besaß für die politische und geistige „Westernisierung“ der frühen Bundesrepublik eine kaum zu überschätzende Bedeutung. Sie gehörte in eine Reihe mit der zahlreichen anderen politisch-kulturellen Publikatione (wie zum Beispiel mit  dem „Ruf“, der „Wandlung“ oder den „Frankfurter Heften“), die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter der Ägide der westalliierten Besatzungsbehörden, zumal der US-amerikanischen, im Nachkriegsdeutschland mit dem Ziel ins Leben gerufen wurden, nationalsozialistisches Gedankengut durch demokratisches zu ersetzen.

Gleichwohl stand „Der Monat“ im Verdacht, ein Kind des Kalten Krieges und ein spezielles Instrument des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA im Kampf gegen den Kommunismus gewesen zu sein. Dies erhärtete sich, nachdem aufgedeckt wurde, dass die international bekannte linksliberal-antikommunistisch ausgerichtete Intellektuellenorganisation „Kongress für kulturelle Freiheit“ jahrzehntelang finanzielle Unterstützung von der CIA für diesen Zweck erhalten hatte.
Als die „New York Times“ in ihrer Ausgabe vom 27. April 1966 meldete, dass zwei renommierte Stiftungen, gemeint waren der „Kongress“ und die „Ford Foundation“, vom US-amerikanischen Geheimdienst CIA finanziert würden und die einflussreiche europäische Zeitschriften wie „Encounter“ (London), „Preuves“ (Paris), „Tempo Presente“ (Mailand) und „Der Monat“ ihre Gelder in erster Linie von diesen Institutionen bezögen, wurden lange kursierende Gerüchte endgültig bestätigt. Besonders delikat war in diesem Zusammenhang, dass der „Monat“ offenbar nicht zufällig in der „Frontstadt“ des Kalten Krieges, in West-Berlin, erschien.

Der zentrale Auftrag des „Kongresses für kulturelle Freiheit“ in den Jahren von 1950 bis 1967 bestand darin, die westeuropäische Intelligenz, die in großem Ausmaß Sympathien für den Marxismus und (sowjetischen) Kommunismus zeigte, für die amerikanische „Sache“ zu gewinnen. Zu seinen engsten Mitarbeitern zählten Persönlichkeiten wie Arthur M. Schlesinger, Irving Kristol und Melvin J. Lasky. Sie boten Autoren wie Arthur Koestler ein Forum, die vordem als radikale linke Intellektuelle verschrien waren und deren Glaube an Marxismus (respektive Trotzkismus) und Kommunismus durch den Stalinismus tief erschüttert worden war. Die neu angeworbenen Autoren gehörten überwiegend zur Crème de la crème der intellektuellen Elite des Westens. Darunter Hannah Arendt, Raymond Aron, Mary McCarthy, George Orwell, Ignazio Silone und Manès Sperber.

„Der Monat“ war trotzdem – oder vielleicht auch deswegen -eine gute Zeitschrift. Daran vermochten auch eher konservative, aber durchweg intellektuelle Journalisten und Schriftsteller wie beispielsweise Fritz René Allemann nichts zu ändern. 1962 stieß der Schriftsteller Peter Härtling zur Redaktion, 1964 wurde er Mitherausgeber. Für linke und linksliberale Schriftsteller wie Günter Grass, Peter Schneider oder Wolfdietrich Schnurre war das ein Signal, dort ebenfalls zu veröffentlichen.

Dennoch wurde „Der Monat“ 1971 eingestellt. Zwischen 1978 und 1987 gab es den Versuch einer Wiederbelegung unter Michael Naumann. Aber anscheinend war die Zeit an solchen Zeitschriften vorbeigegangen, sie wurden offenbar nicht mehr benötigt, obwohl sie so lange viel Substanzielles zu sagen hatten.


Neue deutsche Literatur

Auch die 1952 gegründete Zeitschrift „Neue deutsche Literatur“ war ein Kind des „Kalten Kriegs“. Insbesondere diente sie der Abgrenzung der DDR und ihres Kulturverständnisses von dem der westdeutschen Bundesrepublik. Herausgegeben wurde sie vom Deutschen Schriftstellerverband, der später Schriftstellerverband der DDR hieß. Von 1956 bis zu ihrer Einstellung 2004 erschien sie im renommierten Ost-Berliner Aufbau Verlag. Zur DDR-Zeit erreichte sie eine Auflage zwischen 8.000 bis 10.000 verkauften Exemplaren monatlich, nach der Wende waren es lediglich 3.000.
2004 gab es einen Verlagswechsel; doch dem Verlag „Schwartzkopf Buchwerke“ gelang es trotz ambitionierter inhaltlicher Ziele nicht, die Zeitschrift wirtschaftlich zu konsolidieren. Die Auflage sank auf 1.000 Exemplare.

Im Dezember 2004 endete die insgesamt 52-jährige Geschichte einer Literaturzeitschrift, die gelegentlich den Spagat zwischen den ideologischen Blöcken versuchte, sich aber weder von den auferlegten noch von den selbst erzeugten Fesseln befreien konnte. Dennoch war sie ein Spiegel der DDR-Literatur und ist von daher auch verbunden mit prominenten Autoren wie Johannes Bobrowski, Juri Brezan, Günter de Bruyn, Franz Fühmann, Irmtraut Morgner, Karl Mundstock oder Christa Wolf.


Sinn und Form

Etwas älter als die „Neue deutsche Literatur“ ist die Zeitschrift „Sinn und Form“, die 1949 von Johannes R. Becher, dem späteren Kulturminister der DDR, gegründet wurde. Sie galt als vergleichsweise unabhängig, auch wenn es im Hintergrund ständig Konflikte mit der offiziellen Kulturpolitik der DDR gab. Im westlichen Ausland, vor allem in der Bundesrepublik, genoss sie ein hohes Ansehen, weshalb sie von der Staatsführung strategisch als kulturelles Aushängeschild der DDR definiert wurde. Nach der Wende gelang es, die Zeitschrift zu erhalten. Herausgeberin ist nach wie vor die Akademie der Künste in Berlin, vormals Deutsche Akademie der Künste bzw. Akademie der Künste der DDR, die ebenfalls erhalten blieb und seither eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist.
„Sinn und Form“ erscheint zweimonatlich und hat eine verkaufte Auflage von 3.000 Exemplaren.


Freibeuter

Als eine besonders originelle Literatur- und Kulturzeitschrift darf der „Freibeuter“ gelten, der zwischen 1979 und 1999 im Wagenbach Verlag erschien und es auf 80 Nummern brachte. Er verstand sich als Antwort auf die damals beklagte Verengung im Denken der Neuen Linken am Ende der 1970er Jahre. Jedes Heft der Vierteljahreszeitschrift stand unter einem Schwerpunktthema. Bereits früh war die Stellung der Frau ein Thema, ebenso die Krise des Sozialstaats, die Architektur, die irrealen Sehnsüchte der jungen Leute oder die Medien. Während der 1980er Jahre wurde zwischen 6.000 bis 8.000 Exemplare von jedem Band verkauft; kurz vor der Einstellung noch immerhin 5.000. Der „Freibeuter“ wurde häufig mit Enzensbergers „Kursbuch“ verglichen. Der große Unterschied lag in der Praxiszugewandtheit des ersteren und in der „Theoriebesessenheit“ des letzteren.


Das Nachtcafé

Zur Zeitschrift „Das Nachtcafe“, die von 1975 bis 1989 in insgesamt 78 großformatigen Heften erschien, ist nur noch ein Kurznachruf möglich. Dreißig Jahre nach der Einstellung sind kaum noch Exemplare im Umlauf. Während der letzten vier Jahre ihres Bestehens erschien sie im renommierten Verlag Klett-Cotta, zuvor in der Edition Nachtcafé, Meldorf, im Egge Verlag, Kirchzarten, und im Dreisam Verlag, Freiburg. Sie setzte 14 Jahre inhaltliche sowie formale Maßstäbe, an denen noch heute Publikationen ihres Genres gemessen werden.
Das Nachtcafé veröffentlichte Vorabdrucke von Erzählungen und Gedichten, machte mit Essays zur neuesten Literatur auf sich aufmerksam und war ein Spiegelbild der modernen Fotografie. Damit war sie möglicherweise ihrer Zeit weit voraus.

Vielleicht beginnt ihre Zeit erst in einem Jahrzehnt, gar in zwei Jahrzehnten oder noch später – falls sie von einem Weitsichtigen neu entdeckt und fortgesetzt wird. Vorausgesetzt, die Menschen, also die Leser, beherrschen dann noch die Kulturtechnik des verstehenden Lesens und haben sich trotz per Facebook verordneter Denk- und Spracharmut den Sinn für sprachliche und visuelle Ästhetik noch nicht nehmen lassen.


Akzente

Ein ähnliches Schicksal wie dem „Nachtcafé“ könnte den Akzenten drohen, die es seit 1953 gibt und von Walter Höllerer und Hans Bender gegründet wurden.

Seit 2015 erscheint die ursprüngliche Zweimonatsschrift, die einmal zur Avantgarde der deutschsprachigen Literaturzeitschriften zählte, nur noch vierteljährlich. Einst gehörten Schriftsteller wie Thomas Mann, Elias Canetti, Erich Fried, Peter Weiss, Hilde Domin, Ernst Meister, Paul Celan und Nelly Sachs zu den häufig abgedruckten. Auch viele Texte der Gruppe 47 wurden hier erstmals veröffentlicht. Darunter solche von Ingeborg Bachmann, Martin Walser, Hans Magnus Enzensberger, Uwe Johnson, Ilse Aichinger und Günter Grass.

Nunmehr wird in jedem Heft ein besonderes Thema abgehandelt, das nicht notwendigerweise mit Literatur zu tun haben muss. Ob man sich damit gegen den herbeigeredeten Trend vom Untergang der Literatur wehren kann, bleibt abzuwarten. Eher könnte die Beliebigkeit der Literatur, zu der die heutigen AKZENTE bewusst oder unbewusst beisteuern, das Schicksal, dem sie entrinnen möchten, erst heraufbeschwören.


L 76 / L 80

Eine besondere Erwähnung verdient auch „L 76“, die ab 1980 „L 80“ hieß und dieses Jahrzehnt leider nicht überlebte. Es war eine literarische und politische Zeitschrift, herausgegeben von Heinrich Böll, Günter Grass und Carola Stern. Redakteur war der renommierte Heinrich Vormweg, auf ihn folgte Johano Strasser, der sich u.a. als streitbarer Vordenker der Jungsozialisten in der SPD einen Namen gemacht hatte.

In der Nummer 5 von 1977 steht ein Beitrag von Willy Brandt über Karl Marx, den man den verzagten und hoffnungslos gewordenen Sozialdemokraten dieser Tage zum Auswendiglernen empfehlen möchte. Gleichzeitig zeigt das Schicksal dieser Zeitschrift, die in Verlagen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (Europäische Verlagsanstalt und Bund Verlag) herauskam, dass die Vernachlässigung der theoretischen und kulturellen Bildung der Arbeitnehmerschaft immer zum Nachteil der derer führt, für welche sie ins Leben gerufen wurden.

Während die Rechtsextremisten ein Blatt nach dem anderen herausbringen (von der unsäglichen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ bis zu erklärt rassistischen und faschistischen Magazinen wie „Compact“ und „Sezession“, blühen auf der linken und links-liberalen Seite der Gesellschaft kaum noch literarische Blumen.


Universitas

So bleibt abschließend noch eine Zeitschrift zu erwähnen, deren Wurzeln in das Jahr 1946 zurückreichen. Nämlich die Monatszeitschrift „Universitas“, deren Untertitel „Orientieren! Wissen! Handeln!“ lautet, was als Programm verstanden werden kann. Sie setzt sich nach eigenen Angaben „mit Schlüsselfragen der Gegenwart auseinander und eröffnet als Forum für neue Ideen Spielräume zur aktiven Gestaltung der Zukunft“.

Universitas ist keine Literaturzeitschrift im engeren Sinn. Vielmehr bringt sie in jeder Nummer eine Themenmischung aus Kultur, Politik, Philosophie, Geistes- oder Naturwissenschaften. Viele Nummern stehen unter einem Schwerpunktthema.

Zum redaktionellen Beirat zählen namhafte Publizisten wie Franziska Augstein, Julian Nida-Rümelin oder Friedrich Schorlemmer. Seit Januar 2011 erscheint die Zeitschrift im Lese-Zeiten Verlag von Dirk Katzschmann in Heidelberg, der vordem selbst Redaktionsmitglied war und nach wie vor als Herausgeber und Redakteur fungiert.

Foto:
Collage aus Literaturzeitschriften von gestern und heute.
© Medien-Redaktionsgemeinschaft

Info:
Dieser Beitrag entspricht überwiegend einem Vortrag, der am 24. Oktober 2019 im städtischen Bibliothekszentrum Frankfurt-Sachsenhausen bei einer Veranstaltung des Vereins PRO LESEN e.V. gehalten wurde.