Bildschirmfoto 2020 01 19 um 16.42.01Zum Schluß: MEISTERSTÜCKE. VOM HANDWERK DER MALER, leider Ende der Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt, Teil 3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Aus gutem Grund formuliert das Museum: "Für historisch und kunsthistorisch interessierte Frankfurter*innen ein Muss!" Es geht um die Wahlstube im Frankfurter Römer, die Opfer des 2. Weltkrieges wurde, aber in der Ausstellung ein eigenes Kabinett hat!!!; zusätzlich gibt es über die Ausstellung hinaus eine Publikation vom Ausstellungsmacher Wolfgang P. Cilleßen, die diesen 'vergessenen Erinnerungsortz' bewahrt und vielleicht dem Vergessen entreißen kann.

Denn, wenn der gemeine Frankfurter wüßte, wie bedeutend einst seine Freie Reichsstadt Frankfurt war! Wir sind heute gewohnt, daß Stadtobere - mit Recht - das weltoffene Frankfurt rühmen und der Stadt diese Weltläufigkeit immer auf dem Hintergrund der Frankfurter Messe seit dem Mittelalter zu Gute halten. Das ist auch nicht falsch, ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist die Bedeutung Frankfurts als Wahlort der deutschen Könige und römischen Kaiser und später regelmäßig auch als Krönungsort der Kaiser. Wenn man sich diese Bedeutung für die Zeit bis 1806 vorstellt, als das Heilige Römische Reich sich freiwillig auflöste, damit es nicht Napoleon in die Hände fiel, dann kann man sich eigentlich darüber wundern, wie wenig davon in den Ansprachen der Stadtoberen die Rede ist. Das hat sicher auch damit zu tun, daß das Messegeschehen weiterläuft, so erfolgreich weiterläuft, daß der Hauptanteilseigner: die Stadt Frankfurt schon deshalb mehr vom Heute spricht, als vom Gestern. Aber das Gestern war eben sensationell und sollte zumindest als historisches Bewußtsein präsent sein. Fangen wir als mit dem Anfang an.


"unser keiserliches rechtbuch"

F frankfurter golende bulleNicht beim eigentlichen Anfang, aber immerhin mit dem Jahr 1356. Damals  nämlich hatte Kaiser Karl IV. - das war der aus dem Geschlecht der Luxemburger, der ursprünglich Wenzel hieß und in Prag 1316 geboren wurde, dort bis 1378  residierte und im Veitsdom in Prag beerdigt wurde. Er war   römisch-deutscher König, König von Böhmen, König von Italien und römisch-deutscher Kaiser - in einer Urkunde die kaiserlichen Gesetze, die den Staat und die Wahl der Kaiser betrafen, zusammengefaßt. Keine Frage, daß man richtig liegt, wenn man die GOLDENE BULLE als Grundgesetz des Heiligen Römischen Reiches bezeichnet. Der Begriff "Deutscher Nation" kam sowieso erst im 15./16. Jahrhundert auf. Allerdings ist nicht unwesentlich gleich hinzuzufügen, daß der Begriff der GOLDENEN BULLE erst im 15. Jahrhundert aufkam, denn das Urkundenwerk mußte ja in all den Städten, die in der Bulle benannt sind, auch zur Verfügung stehen. So gab es insgesamt sieben Ausfertigungen, an sechs von ihnen hängt ein Siegel, das aus Gold gefertigt ist, was dann zur GOLDENEN BULLE führte. Natürlich ist es noch auf Lateinisch abgefaßt, der universellen Sprache des Mittelalters, aber Karl IV. selbst nannte sie "unser keiserliches rechtbuch". Ein schöner Begriff, finde ich.


Die sieben Kurfürsten und die GOLDENE BULLE

unesco Das Trierer Exemplar der Goldenen Bulle Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 51 U 589 920x847px Landesarchiv Baden WurttembergDie GOLDENE BULLE als Verfassung des Heiligen Römischen Reiches regelte also die Modalitäten der Wahl und der Krönung. Leider wissen heute nur noch sehr wenige, wer überhaupt die sieben Kurfürsten waren, die wählen durften. Ihre Funktionen sind historisch gewachsen und hielten in personam auch die Verbindungen zu wichtigen Herrscherhäusern wie den Wittelsbachern, den Hohenzollern und den Wettiners; die böhmische Krone hielten nach Karl fast ununterbrochen die Habsburger, so daß das Heilige Römische Reich wie eine Erbmonarchie behandelt wurde, was sie nicht war. Grundsätzlich gab es die drei kirchlichen Kuren: die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie den König von Böhmen, den Herzog von Sachsen, den Markgraf von Brandenburg und den Pfalzgraf bei Rhein, die den deutschen König und römischen Kaiser erwählten. 

Übrigens ist die GOLDENE BULLE als wichtigstes Verfassungsdokument des großen europäischen Reiches im Jahr 2013 zum Weltdokumentenerbe erklärt worden; damals wurde nicht nur die Frankfurter Fassung auch öffentlich ausgestellt. Auch die Sieben Kurfürsten, die später neun und mehr wurden, standen im damaligen Historischen Museum der Stadt Frankfurt eindrucksvoll herum. Es gibt sie nämlich als Kopien der orignalen Statuen, von denen wir nicht wissen, wo sie heute stehen. Aber auch den sieben Kurfürsten galt eine Ausstellung des Historischen Museums, woran man sieht, wie wichtig das Erinnern zumindest museal geblieben ist. 


Und endlich: die Wahlstube im Römer

f wahlstubeHoffentlich hat's nicht gelangweilt, aber in der Tat ist das Obere eigentlich Basiswissen eines Deutschen und einer Österreicherin, das zwar nie in den Fernsehratespielen eine Rolle spielt, wo nach einem Popsong gefragt wird, für den es dann 50 000 Euro gibt oder auch ein Fußballergebnis mit dem selben Wert eine Rolle spielt. Doch das wäre einer anderen kulturellen Betrachtung wert, was heute fragwürdig ist. Die Wahlstube ist dahin und wir entnehmen dem Kabinett in der Ausstellung und dem spannenden Buch über sie, daß sie früher zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt gehörte. Aber nicht nur der Stadt Frankfurt, sie war einer der wichtigsten Orte des gesamten Reiches. Denn natürlich saßen nicht nur die sieben Kurfürsten beieinander, als es um die Wahl des neuen deutschen Königs und um die Kaiserwahl ging. Wolfgang P. Cilleßen schreibt: "Sie war vom Mittelalter bis in das 18. Jahrhundert einer der bedeutendsten politischen und diplomatischen Orte im deutschen Reich. Hier fanden Fürstentage, Friedenskongresse und die Verhandlungen der Kurfürsten für die Kaiserwahl statt." Heute sagen wir Entourage für die Begleitung der Wichtigen und heute scheint alles sehr viel freizügiger zu sein, was damals in ein strenges Protokoll gefügt war. Aber man braucht nur mal bei einer der höheren Veranstaltungen im Kaisersaal des Frankfurter Römer teilzunehmen, um nachzuempfinden, daß Protokollfragen auch heute essentiell sind. Nicht umsonst gibt es die Protokollabteilung, die bei bestimmten Ereignissen im Römer jeden Schritt protokollarisch begleiten, was insbesondere beim Eintrag ins Goldene Buch der Stadt sichtbar wird, aber auch unsichtbar funktioniert. 


Einer von vier Orten

Richtig, die Wahlstube ist nur einer der vier wichtigen Wahl- und Krönungsorte, an denen sich die diplomaitschen Vertreter, die Reichfürsten und der europäische Hochadel sowie Könige udn Kaiser mit Hofstaat zu den Zeremonien von Wahl und Krönung trafen: neben der Wahlstube, der große Saal, heute Kaisersaal genannt, der Krönungsweg zum Dom wäre ein fünfter Ort, im Dom selbst dann die Wahlkapelle und der Hochchor, wo die Krönung öffentlich wurde. Was die "Grand Tour" für die europäischen männliche Elite wurde, also die Bildungsreise hauptsächlich nach Italien, war für den Adel, speziell den deutschen Adel, also die Prinzen deutscher Fürstenhöfe die Orte der Kaiserwahl und -krönung in Frankfurt. 

Und tatsächlich finden Sie im Buch über die Wahlstube, in der Reihe KUNSTSTÜCKE des Historischen Museums Frankfurt herausgekommen, tolle Zitate, wie das vom kursächsischen Prinzen Johann Gerog im November 1685: "...nach gehaltenen mittagsmahl furhen seine Durchlaucht...nach dem Römer, wurdenallda von dem jüngern Herrn Bürgermeister empfangen und die da befindlichen gemächer zu besehen, erumb geführet, sonderlich aber ihnen gezeigt, das churfürstliche wahlgemache und Caroli IV. aurea bulla..." Allein dies und die Weiterführung des Textes im Buch lohnt dessen Anschaffung. 

Man staunt, wieviel an Informationen über die Wahlstube und ihre Ausstattung sich erhalten hat. Die Stadt Frankfurt nahm die Ausstattung sehr wichtig und legte richtig Geld an. Wie schön, daß wenigstens im Bilde erhalten ist, was der Krieg zerstörte. Peter Fehr hat unsere kolorierte Zeichung 1711 gefertigt. Ursprünglich gab es elf Gemälde, von denen auf dieser Zeichnung noch vier vorhanden sind. Der Künstler Fehr hat auch die verschiedenen Funktionen der Wahlstube in der Zeichnung festgehalten. Denn es gab auch eine Trauerversion, wo alles schwarz verhüllt wird. Das ist wie vieles andere im Buch zu sehen, das aber darüberhinaus eben auch alle Einrichtungsgegenstände wie auch Bilder beschreibt. Daß diese nicht zufällig, sondern einem ikonographischem Programm unterlagen, beschreibt Heiner Lück, in "Ein Versuch". 


Verschiedene Ausstattungen über die Zeiten

Wir sind an der letzten Fassung des Raums interessiert. Aber Heiner Lück verwirrt uns erst einmal damit, daß 1415 der Raum von unbekannter Hand mit Königs-, Fürsten- und Wappendarstellungen geschmückt wurde, die 1477 restauriert wurden, dann aber 1583 mit "Steinfarbe" übertüncht wurden. Aha, auch damals radikal das Moderne aufpropfen. Ja und nein, denn das, was sich Heutige hinter die Löffel schreiben sollten, das ist, daß die damaligen Stadtväter, der Frankfurter Rat, an die Nachkommenden gedacht haben und vor dem Übertünchen diese Malerei kopieren ließ, so daß wir heute wissen, was darunter liegt. Es gab damals also mehr restauratorischer Sachverstand als bei denen, die in der Nachkriegszeit und auch später abreißen ließen und 'modern' bauten. 

Man weiß zudem, wer diese Kopien fertigte, die in einer Art Buch, dem FETTERSCHES WAPPENBUCH vom Glasmaler Hans Fetter (1575-1620) erhalten sind, was dem Institut für Stadtgeschichte gehört. Ein zweites Buch gibt es in Nürnberg, wo ja auch eine GOLDENE BULLE für dessen Reichseinsatz ruhte. Inhaltlich sind diese Figuren und Wappen hochinteressant, aber zu komplex für eine kurze Darstellung. Es muß langen, zu betonen, daß das Bildprogramm die Repräsentanten der zehn Reichsstände in Vierergruppen bildlich vorstellte, d.h. zehnmal eine Vierergruppe von Herzögen, Markgrafen...bis zu den vier Bauern. Wir haben also das vor uns, was man heute Organogram nennt, weil die Zeichnungen das Funktionieren des Systems erklärten.

Doch wäre das bisher Gesagte nur die Einleitung dessen, was dann an Gemälden und anderen Ausstattungsstücken noch im Detail beschrieben und im Foto gezeigt wird. Mit Fug und Recht heißt es: Das reich bebilderte Buch aus der Reihe "Kunststücke" beschreibt die künstlerische Ausstattung dieses im 2. Weltkrieg zerstörten, "vergessenen Erinnerungsortes" und ruft ein wichtiges Kapitel der Frankfurter Geschichte wieder ins Gedächtnis.

Foto:
© Historische Museum

Info: 
Für das Historische Museum Frankfurt herausgegeben von Wolfgang P. Cilleßen, Aude-Line Schamschula, Band 6, 116 Seiten, Verlag Henrich Editionen, 18 €

"Die Wahlstube im Frankfurter Römer" war im Rahmen der Sonderausstellung "Meisterstücke - Vom Handwerk der Maler"  bis zum 19. Januar 2020 im Museum  zu sehen. Jetzt nur noch als Buch. Aber immerhin als Buch!

Es bleibt der vorbildliche Katalog:
Meisterstücke. Vom Handwerk der Maler, hrsg. von Wolfgang P. Cilleßen und Andreas Tacke, Historisches Museum Frankfurt, Societäts Verlag 2019

Die Ausstellung schließt am Sonntagabend, 19.1.

Für die Füh­rung ist eine An­mel­dung beim Be­su­cher­ser­vice des HMF er­for­der­lich:
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