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Kategorie: Kulturbetrieb
2. Montagskonzert c W. HoeslOper, Ballette und Konzerte in Zeiten der Corona

Hanswerner Kruse

Hamburg - München - Berlin (Weltexpresso) - Das lokale und überregionale Kulturleben ist in der „Corona-Pause“ (Berliner Ensemble) völlig eingefroren. Jedoch erleben anspruchsvolle Opern, unterschiedliche Konzerte und traditionelle Ballette eine verblüffende Blüte im Internet. Auf vielen Webseiten heißt es jetzt: „Bleiben Sie zuhause, wir kommen zu Ihnen!“

Vom 13. Stock der Elbphilharmonie hat man einen atemberaubenden Blick über den Hamburger Hafen. Danach kann man auf das eigenartige Dach steigen oder durch die leeren futuristischen Säle schlendern. Diese virtuellen Begehungen gehören zum aktuellen Programm des Musentempels. Doch die einst so heftig umstrittene Philharmonie über dem Wasser, mittlerweile liebevoll Elphi genannt, hat auch ein breites Konzertangebot ins Netz gestellt. Nach den „Zuhausführungen“ lassen sich ebenfalls zahlreiche Musikvideos streamen:


200326 Elphi at Home Anna Vinnitskaya c Philipp Seliger17Vor den leeren Rängen im Großen Saal sitzt Anna Vinnitskaya allein am Flügel. Beim Hören ihrer Solodarbietung mit Stücken von Johannes Brahms und Robert Schumann darf man Hausarbeit machen oder bügeln. Aber man kann sich auch festlich anziehen, entspannt hinsetzen und ihre Darbietung wie im Konzerthaus genießen. Die Pianistin meinte dazu, sie habe viel Ruhe beim Spiel im menschenleeren Saal gefunden: „Ich habe versucht, dem virtuellen Publikum etwas von diesem schönen Gefühl, das ich heute hier verspürt habe, zu vermitteln.“
Gemeinsam mit dem Publikum lauscht man in älteren Konzertfilmen Gustav Mahlers „Neunter“ oder Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Wer es zeitgenössischer mag, hört sich in der Neuen Musik von Arvo Pärt oder György Ligeti um, genießt amerikanischen Jazz oder portugiesischen Fado. Für genreüberschreitende Avantgarde stehen Meredith Monks performative Gesänge oder ein Bläser im Elphi-Parkhaus.



2019 01 10 Kameliendame c W.Hoesl Lind LM0A8664Videoaufnahmen von Opern und Balletten haben in den letzten Jahren -  im Gegensatz zu oft nur abgefilmten Theaterstücken - ein eigenes, hohes künstlerisches Niveau erreicht. Davon kann man sich bei Mitschnitten von Bühnenwerken der Bayrischen oder Berliner Staatsoper überzeugen. Die Münchener haben derzeit aus ihrem Archiv den vierstündigen „Parsifal“ Richard Wagners ins Netz gestellt, sowie Gaetano Donizettis selten gespieltes Singspiel „Lucia di Lammermoor“. Montags gibt es im Internet Live-Konzerte, in denen auch Solisten und Solistinnen des Staatsballetts wunderbare Auszüge aus den klassischen Tanzwerken „Kameliendame“ und „Der widerspenstigen Zähmung“ zeigen.

Die Berliner Staatsoper unter den Linden präsentiert täglich andere Werke aus dem Archiv in ihrem Video-on-Demand-Angebot. Meist unter musikalischer Leitung des Dirigenten Daniel Barenboims sind hochkarätig besetzte Musikdramen, etwa mit Anna Netrebko oder Martina Gedeck, online zu erleben. Auf das Video des „Rosenkavaliers“ von Andre Heller am 16. April kann man bereits jetzt gespannt sein. Die Richard-Strauß-Oper wurde schon im Voraus heftig diskutiert, nun wird man sich bald selbst überzeugen, ob Hellers Stück nur traurig und voller Wiener Schmäh ist - oder eine eindrucksvolle Interpretation liefert.

Obwohl Sasha Waltz - beispielsweise - vor einigen Jahren Igor Strawinskys „Sacre de printemps“ unter den Linden choreografierte, gibt es keine zeitgenössischen Tanzfilme auf der Webseite des Opernhauses. Anspruchsvolle zeitgenössische Choreografien sind überhaupt im Internet leider kaum zu finden. Doch das  Berliner Staatsballett zeigt in den letzten Tagen immerhin Peter Tschaikowskys schöne Klassiker „Schwanensee“ und den „Nussknacker“ jeweils in voller Länge.

Die oft hervorragenden Filme können das gemeinsame Kulturerlebnis mit allen Sinnen nicht ersetzen. Aber durch die Corona-Krise kommen anspruchsvolle Konzerte, Opern und Ballette auch in entlegene Winkel Deutschlands.

Fotos:
Oben: Vor dem Montagskonzert in der Münchener Staatsoper (c) W. Hoesl
Unten: Mitte: In der Elbharmonie musiziert Anna Vinnitskaya vor den leeren Rängen im Großen Saal
Unten: Die "Kameliendame" in der Münchener Staatsoper (c) W. Hoesl

Info:
Elbphilharmonie
Bayrische Staatsoper
Berliner Staaosper unter den Linden