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Kategorie: Kulturbetrieb
wpo klavierbau 2097Der junge Klavierbauer Christoph Paul macht sich in Osthessen selbständig

Hanswerner Kruse

Schlüchtern/Elm (Weltexpresso) - Anfang Mai eröffnete der Klavierbauer Christoph Paul (34) seine neuen Verkaufsräume mit Werkstatt im Schlüchterner Stadtteil Elm. Auf diese Verwirklichung seines Lebenstraums hat er zehn Jahre lang hingearbeitet, doch die Eröffnungsfeier muss er wegen Corona verschieben.

Alles fing einst damit an, dass der Opa seinem Vater einen Flügel von Grotrian-Steinweg schenkte und der zehnjährige Christoph ständig sein Ohr auf den Flügeldeckel legte, eine Taste anschlug und dem selbst herbeigezauberten Klang lauschte. „Ich war von diesen Klängen mehr gefesselt, als von allem anderen im Leben“, erinnert er sich. Später brachte er sich selbst Klavierspielen bei.

Mit dem Besucher schlendert er durch die Ausstellung in der oberen Etage des großen modernen Gebäudes. Die edlen dunklen Instrumente bilden einen starken Kontrast zu den weißen Räumen. Die klaren Linien der schwarz-spiegelnden Klaviere und Flügel werden durch die Gemütlichkeit der Möbel des Einrichtungshauses „Wohnlust“ aufgehoben. Paul setzt auf Authentizität und verzichtet auf Kronleuchter und Tapisserien, die oft Klavierläden zieren.

Enthusiastisch erzählt er von neuen oder ihm wieder aufbereiteten Instrumenten berühmter Firmen: Grotrian-Steinweg, Bechstein, Steinway&Sons. Auf einmal setzt er sich an ein Piano und spielt versunken, dann recht lebhaft neo-romantische Klänge. „Jedes hat seine eigene Seele und klingt anders, Klavier ist meine große Leidenschaft, ich bin froh beruflich das machen zu können, was ich liebe “, meint er. „Manchmal wenn ich spiele, bin ich vom Klang überwältigt und mir kommen die Tränen...“

Über die Wendeltreppe erreicht man die riesige Werkstatt des Herrn der Tasten, Hämmer und Saiten. Dort erläutert Paul, wie er alte Klaviere und Flügel aus dem 19. und 20. Jahrhundert restauriert. Er rekonstruiert sie so original wie möglich und macht sie lebendig: „Wenn sie verstaubt irgendwo herumstehen leben sie ja nicht.“ Gerade verbrachte er 300 Arbeitsstunden mit dem Piano einer Kundin. „Ihr Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater erstand es 1885“, erzählt er und zeigt ein Foto der glücklichen Frau vor dem erneuerten Instrument.

Dann erklärt Paul, wie man den Resonanzboden eines alten Flügels wieder herrichtet, der zahlreiche Risse aufweist. Zunächst erhitzt er ihn tagelang mit trockener Luft, damit neue Risse entstehen. „Das Teil bekommt danach niemals wieder Risse“, sagt er. Dann fräst er alle Furchen nach und füllt sie mit feinjährig gewachsener Fichte aus. Er lässt den Besucher an einem bernsteinhaltigen Lack nach alter Rezeptur schnuppern, mit dem er später den Klangkörper versiegeln wird.

Nach dem Abitur studierte er an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung bis zum Vordiplom. Dabei  setzte er in künstlerischen Aktionen stets Pianoklänge ein, doch dann lernte er, was er immer wollte: Klaviere bauen. Sein immenses technisches Wissen eignete er sich in der dreieinhalbjährigen Ausbildung in Leipzig, Frankfurt und Ludwigsburg an, sowie in drei weiteren Jahren als staatlich geprüfter Klavierbauer bei der renommierten Firma Kreisel in Nürnberg-Fürth. Er ist nicht nur Tischler, sondern vor allem Feinmechaniker, Tüftler und „Klang-Chirurg“ – bei einem Stimmwettbewerb belegte er einmal den 3. Platz.

Vor vier Jahren kam Paul nach Schlüchtern zurück und ist seitdem selbständig: Er stimmt, repariert und verkauft neue oder gebrauchte Pianos. Bei Konzertdiensten lernte er von Patty Smith bis Götz Alsmann viele Promis kennen, mittlerweile hat er bereits über 500 regionale Kunden.

Die Entschleunigung der Corona-Krise kam ihm entgegen, so hatte er Zeit für den Umzug und die Gestaltung der neuen Räume - sowie für seine Familie, denn seine Frau gebar in dieser Zeit den gemeinsamen Sohn Joseph. „Das Eröffnungsfest wird aber nachgeholt“, meint er zum Abschied.

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Fotos:
(c) Hanswerner Kruse

Info:
www.klavier-paul.de
Klavier-Ausstellung in Elm, Am Hainzenberg 4A, freitags 10-18 Uhr, samstags 11-16 Uhr.
Termine zum Stimmen usw. montags bis samstags 9-18 Uhr 0176 / 630 12910