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Kategorie: Kulturbetrieb
Bildschirmfoto 2020 10 27 um 00.39.08Düsseldorf verleiht erstmals den Bernd und Hilla Becher-Preis, Teil 2/2

Redaktion

Düsseldorf (Weltexpresso) - Der international ausgerichtete Preis wird in Kooperation mit dem neuen Fotofestival "düsseldorf photo+" zu Ehren der berühmten Künstler Bernd und Hilla Becher vergeben. Das Künstler-Ehepaar formulierte bereits früh einen dokumentarischen Anspruch an die Fotografie und erhob sie zu einer eigenen künstlerischen Gattung. Den Schwerpunkt ihrer Arbeiten bildete dabei die Dokumentation von Industriebauten und industrieller Produktionsstätten in Europa und den USA, wodurch heute eine einmalige Sammlung an Aufnahmen von zum Teil nicht mehr vorhandenen Bauwerken existiert.

In den späten 1970er Jahren begründete sich mit Bernd Bechers Lehre an der Kunstakademie Düsseldorf die international renommierte "Düsseldorfer Fotoschule", die weitgehend mit dem Verständnis von deutscher Fotografie gleichgesetzt wird und ein einzigartiges international beachtetes fotografisches Werk entstehen ließ. Namhafte Fotokünstlerinnen und - künstler wie Candida Höfer, Thomas Ruff, Thomas Struth und Andreas Gursky gingen aus der Becher-Klasse hervor. Eine vergleichbare, stilbildende Wirkung ging im 19. Jahrhundert von der sogenannten Düsseldorfer Malerschule aus.

Kulturdezernent Hans-Georg Lohe: "Es freut mich außerordentlich, dass Evelyn Richter für ihr Lebenswerk ausgezeichnet und der Fotokünstler Theo Simpson in seiner noch frühen Karriere mit dem Förderpreis unterstützt wird. Im renommierten Werk Richters und im noch jungen Werk Simpsons zeigt sich deutlich der große Einfluss, den die Düsseldorfer Fotoschule international verzeichnen kann."

Der Preis wurde auf Initiative der Veranstalter von "düsseldorf photo +" entwickelt und wird künftig alle zwei Jahre im Rahmen dieses neuen Fotofestivals von der Landeshauptstadt Düsseldorf auf Vorschlag einer unabhängigen international besetzten Fachjury verliehen. Der diesjährigen Jury gehörten Dr. Felix Krämer, Generaldirektor Museum Kunstpalast Düsseldorf, Gabriele Conrath-Scholl, Leiterin Photographische Sammlung der SK Stiftung Kultur, Köln, Max Becher, Künstler New York/Düsseldorf (Sohn von Bernd und Hilla Becher), Simon Baker, Director Maison Europeene de la Photographie, Paris, und Shoair Mavlian, Direktorin Photoworks London, an.

Dr. Rupert Pfab von "düsseldorf photo+": "Düsseldorf genießt seit Jahrzehnten zu Recht den Ruf als internationale Stadt der Fotografie. Die neu erworbene Sammlung Kicken für den Kunstpalast und das neu gegründete Festival 'düsseldorf photo+' stärken die Reputation dieser Stadt. So ist der von diesem Festival initiierte Hilla und Bernd Becher-Preis für Kunst und Fotografie ein weiterer wichtiger Schritt, um die zeitgenössische Kunst zu stärken und die Verdienste ausgewählter Persönlichkeiten zu würdigen."


Vita Evelyn Richter

Evelyn Richter wurde am 31. Januar 1930 in Bautzen geboren. Die Fotokünstlerin ist seit über 60 Jahren Teil der Fotoszene: Nach einer Ausbildung zur Fotografin in Dresden studiert Richter von 1953 bis 1955 an der Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig und ist danach zuerst als freischaffende Fotografin, später auch selbst als Lehrende der Fotografie tätig. Evelyn Richter lehrte von 1981 bis 1990 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Von 1991 bis 2001 hatte sie eine Ehrenprofessur an der Hochschule inne. 1990 bis 1991 nahm sie zudem einen Lehrauftrag für Fotografie an der Fachhochschule Bielefeld wahr. Evelyn Richter wurde mit dem Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (1992) und dem Kunstpreis der Landeshauptstadt Dresden (2006) ausgezeichnet. Seit 2009 besteht im Museum der bildenden Künste Leipzig das Evelyn Richter-Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung mit dem Hauptwerk der Fotografin.


Jurybegründung Evelyn Richter

In der Jurybegründung heißt es unter anderem: (Auszug) "In ihrem Werk lotet sie [Evelyn Richter] das Feld des Dokumentarischen neu aus: Inspiriert von der neuen internationalen Sozialfotografie fokussiert Richter den Menschen und seine Lebenswelten so ungeschönt wie empathisch. Als visuelle Chronistin richtet sie den Blick auf ostdeutsche Arbeits- und Alltagswelten, bewegt sich mit ihrer Kamera durch den öffentlichen Raum und trotzt diesem immer wieder bestechend intime Momente ab. Dabei erliegt die Fotografin, die insbesondere nach 1990 auf vielen Reisen stetig ihren fotografischen Radius erweitert, nie der Versuchung, die Welt auf Eindeutigkeiten herunterzubrechen. Vielmehr legt sie Zugänge zu deren Komplexität und ermöglicht es Betrachterinnen und Betrachtern, den Dingen nahe zu kommen. In ihrer Offenheit und Unvereinnahmbarkeit liegt die große Aktualität von Evelyn Richters fotografischer Haltung."


Vita Theo Simpson

Theo Simpson wurde am 8. Juni 1986 in Doncaster/Großbritannien geboren. Er studierte am Sheffield Institute of Arts. Simpson lebt mittlerweile in Lincolnshire. Dort ist er auch als Lehrbeauftragter an der Sheffield Hallam University tätig. Simpson ist Autor mehrerer Bücher und konnte seine Fotokunst in verschiedenen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentieren. Zudem sind seine Arbeiten auch in verschiedenen internationalen öffentlichen Sammlungen zu finden. Theo Simpson ist Gewinner des "Outset Unseen Exhibition Fund" (2017) und erhielt den "Photoworks Award" (2019, Jerwood).


Jurybegründung Theo Simpson

Der Fotokünstler erhält den Becher-Preis im Hinblick auf sein noch junges Werk und die Tradition, die aus dem Werk von Bernd und Hilla Becher wächst. In der Jurybegründung heißt es unter anderem: (Auszug) "Als ein Vertreter der jüngeren Fotografie greift Theo Simpson in die reiche Industriegeschichte Englands, um sein Bildtableau zu entwickeln. Aus den Hinterlassenschaften besonders des mittelenglischen Industriereviers bezieht er konkrete Bildmotive seiner meist farbigen Fotografien. Hier berührt sich das Werk des 1986 geborenen Theo Simpson mit dem von Bernd und Hilla Becher. Deutlich greifen seine Aufnahmen über die Becher‘schen Typologien hinaus und erweitern den industriell grundierten Bildatlas in die Nachmoderne."

 Foto:
Theo Simpson, Drift,
©Theo Simpson