Bildschirmfoto 2021 02 25 um 01.12.00tilla duriauxGute Gelegenheit, an Tilla Durieux nicht nur als schillernde Schauspielerin, sondern als auch Autorin von EINE TÜR FÄLLT INS SCHLOß zu erinnern

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Doch zuerst die besondere Ehrung: Die Schauspielerin Gabriela Maria Schmeide («Systemsprenger») ist die neue Trägerin des Tilla-Durieux-Schmucks, der alle zehn Jahre verliehen wird. Ihre Vorgängerin Judith Hofmann hat sie als neue Trägerin des Schmucks bestimmt. Das hat am Dienstag die Akademie der Künste in Berlin mitgeteilt, wobei das Collier mit 34 in Platin gefaßten Zikonen von der nach der Jahrhundertwende und dann in den Zwanziger Jahren als Starschauspielerin verehrten Tilla Durieux (1880-1971) gestiftet wurde. 

Tilla Durieux

Tilla Durieux kommt wie so viele hervorragende Frauen aus dem Schmelztiegel Wien. Allerdings ist ihre Herkunft sehr großbürgerlich, der Vater Professor, die Mutter Pianistin, weshalb sie auch für ihren, fürs Bürgertum immer noch leicht anrüchigen Beruf, einen Künstlernamen annehmen mußte, unter dem wir sie kennen. Seit 1902 spielte sie auf allen Ebenen, Bühne, Film, Variete. Und kam nach Berlin, wo sie gleich groß einschlug. Aber sie war nicht nur Schauspielerin, sondern eine politische Frau. Sie ging mit Gleichgesinnten seit 1907 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges an Sonntagen in Berliner Arbeiterbezirke und trat dort auf Bühnen mit einem sehr anspruchsvollen Programm auf: Goethe, Schiller, Adelbert von Chamisso, Richard Dehmel und der kritische Georg Herwegh. Aber nicht nur Worte ertönten, es gab auch klassische Musik und auch Melodramen. Gleichzeitig war sie die elegante Dame der Gesellschaft, die in den Salons mit den Herren mitdiskutierte und zur geistigen-künstlerischen Elite gehörte. 

Sie hatte Paul Cassirer, einen der geistigen  Heroen, als Verleger betreute er u.a. Frank Wedekind, Heinrich Mann und Else Lasker-Schüler, war aber auch mit den Künstlern der Zeit befreundet, sie hatte Cassirer schon 1903 kennengelernt und war seinem Charme , seiner ganzen Ausstrahlung erlegen. Er unterstützte ihre Bühnenarbeit, die soziale Bildungsarbeit sowieso, aber eben auch ihre Schauspielertätigkeit, die für viele damals immer noch anrüchig war. 1910 heirateten die beiden und stabilisierten sich gegenseitig, als nach dem Ende des Krieges die führende geselleschaftliche Position von Paul Cassirer in den aufkommenden Antisemitismus geriet und er unter Beschuß geriet. Doch er kam aus seinem Loch nicht raus, weshalb Tilla Durieux die Scheidung wollte. Aber beim Termin der beiden beim Scheidungsanwalt am 7. Januar 1926  ging er kurz hinaus, man hörte einen Schuß, er hat sich wirklich erschossen und konnte ihr noch sagen: "Nun bleibst du aber bei mir!‘“. Doch nach zwei Tagen war er tot. 

Das ist doch ein Leben, dramatischer als jedes ausgedachte Stück. Aber wie furchtbar auch für Tilla Durieux. Zwei Jahre später legt sie den Roman EINE TÜR FÄLLT INS SCHLOSS vor, der erst rasant gelesen, gleich eine zweite Auflage erlebte und dann verschwand. Eine Besprechung folgt weiter unten, denn jetzt wird es Zeit, erst einmal auf die Ehrung, die Geehrte und den Hintergrund einzugehen. 


Der Schmuck und der Preis

Als Tilla Durieux ihr 65jähriges Bühnenjubiläum beging, 1967, verlieh sie diesen Schmuck als Preis zum ersten Mal, sie wählte Maria Wimmer aus und verfügte, daß diese und alle anderen Preisträgerinnen den Schmuck als Preis alle zehn Jahre an eine hervorragende Vertreterin der deutschen Schauspielkunst vergeben solle. Nach Maria Wimmer erhielten den Schmuck Gisela Stein 1977, Kirsten Dene 1988, Annette Paulmann 1998 und Judith Hofmann 2010, die ihn nun an Gabriela Maria Schmeide weitergab. Bei der Preisübergabe sagte sie über die Nachfolgerin:  «Der Weg zwischen ihr und der Figur, die sie verkörpert, ist unverstellt. Ganz einfach: Ich glaube ihr alles!» Allerdings war das coronabedingt nur eine formale Veranstaltung. In der nächsten Spielzeit soll das Collier bei einer öffentlichen Ehrung überreicht werden. 

 
Gabriela Maria Schmeide

Gabriela Maria Schmeide, 1965  in Bautzen geboren, war erst lange am Theater, sie studierte an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch und ging 1991 ans Berliner Ensemble.  Von dort kam sie ans Theater Bremen.  Seit 2008 gehört sie zum Ensemble des Hamburger Thalia Theaters. Für die Titelrolle in Andreas Dresens Film «Die Polizistin» bekam sie den Grimme-Preis. Sie spielte mit in  «Halbe Treppe», «Das weiße Band» und «Die Friseuse» und erhielt auch dafür Preise. In «Systemsprenger» spielt sie eine Sozialarbeiterin, dafür gab es den Deutschen Filmpreis für die beste weibliche Nebenrolle. Ich habe diese Schauspielerin, die wirklich einsame Klasse ist, erst in Systemsprenger wahrgenommen. Noch vor allen Preisvergaben, auf der Berlinale,  wo ja Filme noch ohne jegliche Wertung sozusagen jungfräulich gezeigt werden, stand beim Zuschauen zwar die junge Hauptdarstellerin, ihre Urgewalt, im Mittelpunkt, aber die berührendste Figur wurde diese Sozialarbeiterin, die so warmherzig, ohne anbiedernd zu sein, die einzige Stütze für diesen verzweifelte Kind wird. Seit diesem Film bin ich ein Fan dieser Schauspielerin. Und dann sah ich sie zufällig in einem Krimi aus Prag, wo sie die dortige Kommissarin spielt, sie also radebrechend Deutsch spricht und eine so gradlinige Person verkörpert, daß man den Mund offen stehen lassen muß. Auf jeden Fall wurde aus dem Zufall sofortiges Weitersehen und letzte Woche eine weitere Folge, die nur ihretwegen einfach ein Ereignis war, weshalb ich Judith Hofmann nur zustimmen kann: "Ganz einfach: Ich glaube ihr alles!»



EINE TÜR FÄLLT INS SCHLOSS von Tilla Durieux

Sie war beim Schreiben 48 Jahre und es blieb ihr einziger Roman. Weshalb sie neue Auflagen ablehnte, ist zwar nicht bekannt, kann aber aus einem weiteren Buch geschlossen werden.Denn 1954 kam ihre Autobiographie heraus, der sie den Gegentitel gab: EINE TÜR STEHT OFFEN. Ganz interessant. Dort schreibt sie über ihren Roman, was im Nachwort wiedergegeben ist: "...und um mich zu zerstreuen, schrieb ich einen Roman. Obwohl die Personen darin reine Erfindungen waren und nicht existierten, hielt man es hartnäckiig für meine Lebensgeschichte. Nun kann ich ja nicht leugnen, daß ich, was die Empfindungen der Hauptfigur, eine Schauspielerin, begraf, viel aus meinen Erfahrungen schöpfte, aber alle anderen Begegnisse sind frei Phantasie....". Durch ihre schauspielerische Arbeit kam sie mit vielen Männern zusammen, die dann gleich ihre Liebhaber sein sollten: "Bert Brecht, Leo Lania, Egon Erwin Kisch und Ilja Ehrenburg."

Man kann heute nicht beurteilen, inwieweit der Roman ihrem Leben, ihrem Beruf folgt. Aber man kann es sich nicht vorstellen, weil die Hauptfigur, die 40jährige Carola Peters zwar Schauspielerin ist, aber es doch stark um die Bühnenverhältnisse geht, das Problem, daß Schauspieler auch im realen Leben immer an ihren Rollen gemessen werden und an den Phantasien des Publikums. Wir erleben diese Carola Peters auf dem Höhepunkt des Erfolges, sind dann aber auch bei ihre ersten Mißerfolge dabei. Eigentlich sind es keine Mißerfolge, denn sie spielt wie früher, doch die Karawane ist weitergezogen und hat die nächsten Stars gefunden. Doch der eigentliche Roman handelt von der Ehe der Schauspielerin mit einem Herrn Professor, einem Chirurgen, den wir uns als Chefarzt in Weiß vorstellen können, der auch zu Hause Chefarzt bleibt. Friedrich Karl ist eine unangehmen Erscheinung und wird noch unangenehmer, als Carola Peters ihn verläßt. 

Sie hatte die Liebe kennengelernt mit einem zehn Jahre älteren Mann, der eigentlich sehr reich und gebildet, sich abhängig von seiner Tochter erweist. Das Ganze ist zwar interessant zu lesen, erschöpft sich dann aber in ihrem Niedergang, weil ....ach, wer wissen will, wie es weitergeht, soll das Büchlein lesen. Ich auf jeden Fall werde mir die Autobiographie besorgen, wo die Türe aufgeht. 

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Info:
Tilla Durieux, Eine Tür fällg ins Schloß, Roman, Silver & Goldstein, mit einer Prosa-Skizee von Else Lasker-Schüler und einem Nachwort von Ruth Klinkenberg, Berlin 1989
ISBN
3 927463 01v9