Zum Streit um die Frage, wer schwarze Lyrik übersetzen darf

Klaus Jürgen Schmidt

Nienburg/Weser (Weltexpresso) – Wem gehören die beiden nebenan abgebildeten Hände? Das Foto entstand im Juni 1996 in Zimbabwe. Ich hatte seinerzeit keine Ahnung, dass jemals die Frage auftauchen würde, welche Farbe Menschen haben dürfen, um gemeinsam an Brücken zu bauen.

Arglos hatte ich an deutschen Medien-Fakultäten die Nachricht verbreiten lassen, Studenten könnten gerne nach Abschluss ihres Studiums auf eigene Kosten drei Monate lang Medien-Praxis bei „RADIO BRIDGE OVERSEAS“ sammeln. Die beiden oben abgebildeten Hände verschränkten sich während des ersten interkulturellen Experiments, bei dem schwarze Journalistinnen und Journalisten Geschichten aus ihrer eigenen Kultur identifizieren konnten, um sie dann für Radiosender in Deutschland in kleinen O-Ton-Features zu erzählen: „Stimmen des Südens für Ohren im Norden“.

Dabei, so hatte ich es mir ausgedacht, könnten Medien-Studenten aus dem Norden ihren Kolleginnen und Kollegen im Süden helfen. Die aus dem Norden würden nie eine eigene Sendung produzieren, sie würden dabei assistieren, dass erstmals afrikanische Geschichtenerzähler die Chance haben würden, zu verstehen, wie sie was erzählen müssten, damit Radiohörer in einer anderen Kultur ihrer Erzählung folgen würden.

Das konnte natürlich nur gelingen, wenn in einem zweiten Schritt, die aufgenommenen O-Töne durch die Reporter aus ihren afrikanischen Sprachen in ein allgemein verständliches Englisch übersetzt wurden, also für weitere Übersetzungen in eine Brückensprache. Und wir hatten im Laufe der Zeit O-Töne von Menschen nicht bloß aus Zimbabwe, sondern aus allen umliegenden Ländern. Die englischen Übersetzungen waren dann Grundlage für die Medien-Studenten aus Deutschland, deutschsprachige Versionen herzustellen, für die sie in der Endproduktion auch ihre Stimmen liehen.

Während sie für die Finanzierung von An- und Abreise sowie für ihren dreimonatigen Aufenthalt in einem angemieteten RBO-Komplex selber sorgen mussten, gelang es mir weitgehend, diese Kosten für die afrikanischen Kolleginnen und Kollegen mit Honoraren für RBO-Programme bei Sendern in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz auszugleichen. Später gelang es sogar, Programm-Versionen in afrikanischen Originalsprachen bei Sendern in Zimbabwe selbst und in Nachbarländern unterzubringen.

Zurück zum Streit um die aktuelle Frage, wer schwarze Lyrik übersetzen darf:

Wer darf die Lyrik von Amanda Gorman übersetzen? Um das Buch des jungen US-Shootingstars gibt es Streit – einige bestehen darauf, es müsse eine schwarze Übersetzerin sein.

Okay, die Übersetzung von Lyrik mag eine Zumutung sein. Sich einfühlen in die verästelten Windungen eines fremden Gehirns, Assoziationen und Anspielungen erfassen und in eine andere Sprache kongenial übertragen, das bedarf Erfahrung und Kreativität. Die aber benötigt jeder Brückenbau!



Das Projekt „RADIO BRIDGE OVERSEAS“ war nur möglich, weil schwarze und weiße Brückenbauer gelernt hatten, sich gegenseitig zu helfen.






Foto:
© KJS

Info:
http://www.radiobridge.net/KJS%20Stories.html
http://www.radiobridge.net/ueberseebruecke.html
http://www.radiobridge.net/indexrbo.html