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Kategorie: Kulturbetrieb
philoPhilosophischer Salon Nr. 11

Corinne Elsesser

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Gespräche über Philosophie sind selten. Umso begrüßenswerter ist es, wenn sie in einer lockeren Folge stattfinden und Interessierten auch außerhalb der Universität zugänglich werden. In Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde Frankfurt organisiert der Philosoph Leon Joskowitz einen "Philosophischen Salon" und seine Gäste, die aus Philosophie und Geisteswissenschaften kommen, sind aufgerufen, zu grundlegenden Fragen Stellung zu beziehen.

In der Vergangenheit nahmen unter anderen Julian Nida Rümelin und Markus Gabriel teil und im April war im nunmehr 11. Salon die Berliner Philosophin Romy Jaster eingeladen. Erneut konnte die Veranstaltung nicht mehr im schönen Ambiente des alten Frankfurter Literaturhauses im Westend stattfinden, sondern musste coronabedingt in den virtuellen Raum verlegt werden.

Doch war Kameraführung diesmal abwechslungsreicher und fast schon filmisch, was dem Gespräch zwischen der am Bildschirm zugeschalteten Romy Jaster und Leon Joskowitz nicht nur zuträglich war, sondern dessen Lebendigkeit unterstrich. So trafen unterschiedliche Positionen aufeinander und es entstand eine gewisse Streitkultur.
Dies ist auch eines der Themen von Romy Jaster, die Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Berliner Humboldt Universität und Geschäftsführerin der Gesellschaft für Analytische Philosophie ist. Zusammen mit David Lanius hat sie 2019 das "Forum für Streitkultur" gegründet, das sich um eine Verbesserung des öffentlichen Diskurses vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Polarisierungstendenzen bemüht.

So lag der von Leon Joskowitz gleich zu Beginn eingebrachte Begriff "fake news" nahe. Als Analytische Philosophin nähere sie sich einem Phänomen von der Sprachanalyse her, wobei paradigmatische Fälle herangezogen und (sprach-)logisch ausgewertet werden. Interessant bei "fake news" sei insbesondere die Abgrenzung zu Propaganda oder Verschwörungstheorien. Als entscheidend sieht Jaster hierbei eine "radikale Höflichkeit", ein Wohlwollen also in der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden, um das Gegenüber in seinen bestmöglichen Intentionen zu verstehen.

Als ebenso grundlegend betrachtet die Philosophin ein Kritisches Denken. Das sollte bereits in der Erziehung gefördert werden. Anders als ihr Gesprächspartner führte sie diesen Begriff nicht auf die Kritische Theorie der Frankfurter Schule zurück, sondern auf das im angelsächsischen Sprachraum entwickelte "critical thinking". Begriffe werden nicht in ihrer moralischen oder Bedeutungs-Konnotation untersucht, sondern aus ihrer Logik im Verbund mit anderen Begriffen. Entsprechend sieht Jaster in der Erörterung der großen philosophischen Fragen wie Willensfreiheit oder Verantwortung allein von einem ethisch-moralischen Standpunkt eine "extreme Engführung der Philosophie". Vielmehr plädiere sie für ein "langsames Denken" im Sinne des israelischen Psychologen und Nobelpreisträgers Daniel Kahneman, das kognitive Prozesse bewusst mache und Verzerrungen und Denkfehler aufzeige.

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