Bejarano 8792Eine Hommage an Esther Bejarano

Hanswerner Kruse

Fulda (weltexpresso) - Vor einigen Wochen starb die 92-jährige Esther Bejarano, die mit ihrer Rap-Band „Microphone Mafia“ eigentlich im Museumshof bei "Kultur. Findet. Stadt." auftreten wollte. Statt das Konzert ausfallen zu lassen, wurde es zu eine Feier FÜR die Verstorbene. 

„Wir wollen lachen, tanzen, singen – wie es ihr gefallen hätte“, meinte der Sprecher von „Fulda stellt sich quer“ zur Einstimmung des Publikums. Dazu hatten bereits vorher die Herren der Combo „Ladscho Swing“ (Foto oben) mit ihren manchmal fröhlichen, manchmal melancholischen Gipsy-Jazz-Klängen gesorgt. Später, nach vielen Reden, spielte Bejaranos Gruppe vielfältige Songs zum ersten Mal ohne sie. Etwa „Avanti Popolo“: „Schaut in unsere Augen / Seht unsere Entschlossenheit!“ Es waren magische Momente, wenn sich die Stimme Bejaranos (vom Band) mit dem Sprechgesang Kutlu Yurtsevens und den Bassklängen ihres Sohnes Joram vermischte. Oder wenn am späten Abend als es kälter wurde, Nebel durch die heißen farbigen Lichter auf der Bühne aufstieg und zu den Gesängen von „Wild im Wald“ (Nicole Kopp) ihr riesiges Konterfei durch den Dunst schimmerte (Foto unten).


Bejarano 8964"Wild im Wald"

Eine Sprecherin und später Bejaranos Sohn ließen durch biografische Skizzen und Auszüge aus dem Buch „Erinnerungen“ der Gefeierten, noch einmal ihr Leben vorüberziehen. Ihre jüdischen Eltern wurden früh von den Nazis ermordet, ihre Geschwister entkamen ins Ausland. Sie selbst überlebte das Konzentrationslager in Ausschwitz, weil sie so musikalisch war. Inmitten des Grauens spielte sie auf dem Akkordeon im „Mädchenorchester“ gleichsam um ihr Leben. Nach der Befreiung kam sie nach Gehringshof bei Fulda, um hier im Kibbuz auf die Auswanderung nach Palästina, später Israel, vorbereitet zu werden.

In Palästina lernte sie singen, diente in der Armee und verließ dann das Land, um mit ihrem Mann in der BRD zu leben. Hier war sie entsetzt über den Umgang mit der Nazi-Vergangenheit in der jungen Republik, wollte aber „das Land der Täter nicht wieder den Tätern überlassen.“ Jahrzehntelang kämpfte sie mit ihren Gesängen und ihren erzählten Erinnerungen gegen das Vergessen, den Krieg und die Neonazis. Seit 2008 arbeitete sie bis zu ihrem Tod mit der Hip-Hop-Band „Microphone Mafia“ zusammen. „Mit der Mafia will ich nichts zu tun haben“, sagte Bejarano, als Kutlu Yurtseven sie zum ersten Mal anrief... Mit und ohne die Gruppe hatte sie dann „unzählige“ Kontakte mit Schülerinnen und Schülern, denen sie immer wieder erklärte: „Ihr tragt keine Schuld an dem, was passiert ist. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeiten wissen wollt!“

Es waren auch junge Leute aus Fulda, die dieses Ereignis durch ihre Moderation und die von ihnen gelesenen antifaschistischen Texte mitgestalteten. Der historische und antiquierte Begriff Antifaschismus wurde in dieser Hommage allerdings arg strapaziert. Doch so schlimm war es letztlich doch nicht: Auch die Sängerin „Wild im Wald“ hatte zwar „antifaschistische Lieder“ angekündigt, trug aber mit ihrer hinreißenden Folkstimme Songs von Donovans „Donna“ bis „Ciao bella ciao“ vor. Das sei zwar das Widerstandslied schlechthin, meinte sie, doch sie sang ohne Pathos: „Dies ist die Blume des Partisanen / Der für die Freiheit starb“ („È questo il fiore del partigiano /morto per la libertà!“.

Faszinierend an diesem Abend zwischen Party und Hommage mit gut 150 Leuten, war die Vielfalt der Sprachen: Bejarano selbst wechselte bereits seit jeher zwischen deutschen und italienischen oder hebräischen Texten in ihren Liedern.

Zum Ende dieses Berichts soll Friedrich Schiller zitiert werden: „Wer zählt die Völker, nennt die Namen / Die gastlich hier zusammenkamen?“ Es würde den Rahmen dieses Stimmungsbildes sprengen, alle Personen aufzuzählen und namentlich zu nennen, die an diesem gelungenen Fest beteiligt waren.

Fotos:
(c) Hanswerner Kruse

Info:
Esther Bejarano: „Erinnerungen – vom Mädchenorchester in Ausschwitz bis zur Rap-Band gegen rechts“, Verlag der Galerie der abseitigen Künste, 17 Euro (mit DVD)