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Kategorie: Kulturbetrieb

Die Schrifttype 'Futura' – entworfen in Frankfurt und weltweit beliebt; zu sehen in einer Ausstellung des Museums für Angewandte Kunst Frankfurt

 

Sabine Börchers und pia

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Noch heute ist die „Futura“ die Hausschrift der Stadt Frankfurt. Hier wurde sie entwickelt und schaffte es zur weltweit beliebtesten Reformschrift. Das Museum für Angewandte Kunst zeigt in seiner neuen Ausstellung, wie im Frankfurt der 1920er Jahre die deutsche Typografie insgesamt maßgeblich beeinflusst wurde und blickt auf 100 Jahre Schrift- und grafische Gestaltung zurück.

 

Heute sind ihre klaren, geometrischen Linien wieder modern. Bereits im 20. Jahrhundert war die „Futura“ eine der populärsten Schriftarten. Sie ist die einzige, die es sogar bis ins Weltall schaffte. Denn die Plakette, die die beiden Astronauten Neil Armstrong und Edwin Aldrin 1969 bei der ersten Mondlandung auf dem Erdtrabanten zurückließen, ist in Futura gesetzt. Entwickelt wurde die Schriftart in den 1920er Jahren in Frankfurt und trat von hier aus ihren Siegeszug um die Welt an. Dabei war sie kein einzelnes Phänomen. Vielmehr steht sie programmatisch für den damaligen gestalterischen Aufbruch, der zu einem wichtigen Bestandteil des einzigartigen Stadtplanungsprogramms „Das Neue Frankfurt“ wurde.

 

 

Gebrauchsgrafik im Fokus

 

Alles Neu! 100 Jahre Neue Typografie und Neue Grafik in Frankfurt am Main“ heißt daher die Ausstellung, mit der das Museum für Angewandte Kunst auf diese Phase der Stadtentwicklung zurückschaut. Sie steht in einer Reihe mit bereits gezeigten Ausstellungen zu diesem Thema wie „Das Frankfurter Zimmer“ oder die Ferdinand-Kramer-Schau. Während die architektonischen Leistungen des „Neuen Frankfurt“ mittlerweile wiederholt gewürdigt wurden, ist nun erstmals die Gebrauchsgrafik in den Mittelpunkt gerückt.

 

Für die Ausstellung konnte das Museum auf eine umfangreiche Sammlung aus dem Nachlass des Buchdruckermeisters und Schriftsetzers Philipp Albinus zurückgreifen. Er war von 1924 an zehn Jahre lang Fachlehrer für Typografie und Werkstattleiter für Schriftsatz an der Städtischen Kunstgewerbeschule. Rund 7.000 Blätter, Geschäfts- und Privatdrucksachen, hatten seine Erben dem Museum zur Verfügung gestellt, von denen eine Auswahl nun zum ersten Mal öffentlich gezeigt wird.

 

 

Wandel der Schrifttypen

 

Die Ältesten stammen aus dem 19. Jahrhundert, wie etwa ein Blatt aus Friedrich Stoltzes „Frankfurter Latern“. Die dort verwendete so genannte Frakturschrift mit den typisch gebrochenen Lettern, die an mit Feder geschriebene Buchstaben erinnern, war damals für fast alle Drucksachen in Deutschland Standard. Klaus Klemp, Kurator der Ausstellung, stellt dem Blatt vier Einladungskarten aus den 1920er Jahren zu unterschiedlichen Veranstaltungen an die Seite. Sie zeigen die damalige rasante Entwicklung. Die erste vom Juni 1925 nutzt noch den Fraktursatz, eine weitere vom Oktober 1925 eine Antiquaschrift, die auf dem lateinischen Alphabet basiert. Die beiden nächsten Blätter vom Mai und November 1926 sind bereits in einer so genannten Groteskschrift gesetzt, mit klaren Formen und ohne Serifen, also den feinen Linien, die bei anderen Schriften den Buchstabenstrich am Ende abschließen.

 

Deutschland erlebte zu jener Zeit den größten Wandel seiner Schriftgeschichte in nur einem einzigen Jahrzehnt, den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts“, erläutert Klemp dazu. Der Anstoß sei damals aus der Kunst gekommen, von Avantgardisten wie dem Russen El Lissitzky und dem Bauhaus in Weimar. Man suchte nach einem adäquaten Ausdruck für das neue Zeittempo. „Die Groteskschrift war für die Drucksachen, was das flache Dach für die Architektur war: funktionsorientiert und gleichzeitig Symbol der neuen Gestaltungshaltung“, betont der Kurator.

 

 

Bauhausgedanke verfeinert

 

Frankfurt und Offenbach seien dabei mit ihren Schriftgießereien der wohl wichtigste Standort zur Reform der Typografie gewesen, stellt Klemp weiter fest und schätzt, dass dort damals mindestens 50 bis 60 neue Schriften entstanden. Wichtiger Anstoß dafür war die vom fortschrittsgläubigen Oberbürgermeister Ludwig Landmann ab 1924 geführte Stadt Frankfurt, die dieser mit einem umfangreichen Bauprogramm zum Zentrum einer süddeutschen Großregion machen wollte und dafür unter anderem den Architekten Ernst May als Leiter des Siedlungsamtes und seinen Kollegen Martin Elsaesser als Hochbauamtsleiter nach Frankfurt holte.

 

Aufgrund der hohen Inflation hatte die Stadt bereits 1923 die Städel'sche Kunstschule sowie die Kunstgewerbeschule übernommen und beide zusammengeführt zu einer städtischen „Kunstschule für freie und angewandte Kunst“. Ihr Gründungsdirektor Fritz Wichert habe im Briefkontakt mit Walter Gropius in Weimar gestanden, aber eine eigene ganz bodenständige Verwirklichung des Bauhausgedankens für Südwestdeutschland angestrebt, stellt Klemp fest. Zur Architektur, Innenarchitektur und Produktgestaltung kam der Bereich Typografie und Drucksachengestaltung hinzu. Gerade auf diesem Gebiet habe Frankfurt mit dem Bauhaus in Weimar mithalten können. „Es gab dort weder so bedeutende Lehrer noch so viele neue Schriften wie hier.“

 

 

Verkaufsschlager 'Futura'

 

Leiter und Fachlehrer der neuen Satz-, Druck- und Buchbindewerkstatt der Schule wurde Philipp Albinus, der schon damals ein erfahrener und gut vernetzter Typograf war. Er war modernen Schriften gegenüber aufgeschlossen, verwendete zum Beispiel bereits die von Rudolf Koch entwickelte Schrift „Neuland“, die 1923 bei den Gebrüdern Klingspor in Offenbach erschienen war. Die Schule war daher bereits experimentierfreudig, noch bevor Paul Renner ab Mai 1925 als Typografielehrer für ein knappes Jahr dort unterrichtete. Renner entwarf schließlich 1927 die „Futura“-Schrift, von der ein erster Entwurf mit stark geometrischen Formen wie zum Beispiel einem Dreieck als unterem Teil des Buchstabens „g“ in der Ausstellung zu sehen ist.

 

Erschienen ist die „Futura“ schließlich in der Bauerschen Gießerei, die diese weiterentwickelte und sie massentauglich machte. Da das Frankfurter Unternehmen Niederlassungen in New York und Barcelona besaß, schaffte es die „Futura“ schnell bis nach Nord- und Südamerika und wurde zur am besten verkauften Schrift der Firma. Anders als am Bauhaus habe es in Frankfurt eine enge Verbindung zwischen der Kunstgewerbeschule und der Wirtschaft gegeben, so dass viele Ideen praktisch umgesetzt worden seien, betont der Kurator.

 

 

Preziosen der Ausstellung

 

Hans Leistikow, ebenfalls Lehrer an der Schule und zugleich Leiter des städtischen Drucksachenbüros, bildete das Bindeglied zum Hochbauamt. Er habe Aufträge an fähige Studenten vermittelt, berichtet Klemp. Der Typograf Leistikow entwickelte zudem das konstruktivistische Adlersignet, das in der Bauverwaltung seit 1926 und seit 1930 für weite Teile der Stadtverwaltung genutzt wurde. Auch der Adler ist auf einem Protokollauszug des Magistrats der Stadt in der Ausstellung zu sehen. Leistikow gestaltete auch die von Ernst May herausgegebene Zeitschrift „Das Neue Frankfurt“, die in einigen Heften auch die Neue Typografie zum Thema machte. 1930 übernahm der namhafte Stuttgarter Maler und Grafiker Willi Baumeister, der seit 1928 an der Frankfurter Kunstgewerbeschule lehrte, die Gestaltung und nutzte dafür bald auch die „Futura“. Er muss ein gutes Verhältnis zu Philipp Albinus gepflegt haben, denn in dessen Nachlass fanden sich drei originell gestaltete Neujahrskarten des Stuttgarters, die nun als besondere Preziosen die Ausstellung schmücken.

 

 

Neue Wege der Kommunikation

 

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete der Aufbruch in die gestalterische Avantgarde. Sie führten die Fraktur-Schrift wieder ein und entließen den Direktor der Kunstgewerbeschule sowie die meisten Lehrenden. Auch Philipp Albinus musste gehen. Das Projekt des „Neuen Frankfurt“ überdauerte die NS-Zeit nicht. Anders als dem Bauhaus war es den Frankfurter Protagonisten nicht gelungen, den Ruf nachhaltig zu bewahren. „Es hat nie ein einheitliches Erscheinungsbild gegeben und keinen Marketingmann, wie Walter Gropius es war“, erklärt sich Klemp diese Entwicklung.

 

Dass die Typografie in Frankfurt dennoch auch nach dem Krieg eine wichtige Rolle spielte, zeigt der zweite Teil der Ausstellung mit Arbeiten etwa der Vertreter der unter Leistikow nach dem Krieg entstandenen Kasseler Plakatschule, die ihren Arbeitsschwerpunkt in Frankfurt hatte. Auch die Protagonisten der 1980er Jahre schlugen neue Wege der Kommunikation ein und sind ebenfalls in der Schau vertreten wie auch aktuelle Gestalter, die an zwölf Stationen in der Ausstellung ihre Konzepte den historischen gegenüberstellen, damals wie heute mit der gleichen Grundhaltung: „Alles neu!“