Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. Juni 2016, Teil  2 zu SKY-DER HIMMEL IN MIR 

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) - Manchmal hat man tatsächlich ein schlechtes Gewissen, daß man die Presseunterlagen, die man - leider, leider nicht immer und auch nicht immer auf Deutsch - erhält, nich stärker auswertet. Weder für die Kritik noch für anderes ziehen wir sie in der Regel heran. Doch, die Figurennamen im Film und ihre Darsteller, dafür brauchen wir sie auf jeden Fall. Im Presseheft, das Alamodefilm herausgebracht hat, ist auch ein Inteview abgedruckt, das wir hier gerne veröffentlichen.

 
Nach FRANKIE in 2005 und BARFUSS AUF NACKTSCHNECKEN in 2009 ist SKY Ihre dritte Zusammenarbeit? Wie erklären Sie sich die Treue?


Diane Kruger (links im Bild): Wir haben gemeinsam begonnen. Ich hatte kaum den Cours Florent (Anmerkung: Private Schauspielschule in Paris) abgeschlossen, als ich an dem Casting für FRANKIE teilnahm, den ersten Film von Fabienne. Sie war die Erste, die mir Vertrauen geschenkt hat, indem sie mich gegen den Willen des Produzenten auswählte. Wir haben den Film dann ganz alleine gemacht. 27 Drehtage über drei Jahre hinweg.


Fabienne Berthaud (rechts im Bild): Du warst auf dem Weg, eine internationale Schauspielerin zu werden, du bist in die USA gegangen, um die Helena in „Troja“ neben Brad Pitt zu spielen, aber du bist immer wieder zurückgekommen. FRANKIE entstand scheibchenweise, meinen Einkünften entsprechend. Also ja, man kann von Treue sprechen, von Komplizenschaft, Vertrauen, von Respekt und Bewunderung. Wir sind gemeinsam groß geworden.


SKY ist in Amerika gedreht worden, in englischer Sprache mit einem komplett amerikanischen Team?


FB: Ja, Herausforderung oder großer Wunschtraum, ich hatte große Lust, in den USA zu drehen. Eine gemeinsame Reise mit meinem Co-Autoren ist dem Drehbuch vorausgegangen. So wurde das Skript angereichert mit Begegnungen und Anekdoten, die uns die Menschen auf der Reise lieferten, wie der Zufall es wollte. In solchen Augenblicken muss man seinem Instinkt folgen und Gewohnheiten beiseite schieben, die Anhaltspunkte sind andere, die Kultur,
die Sprache, der Raum. Man muss dieses Universum zähmen und zu seinem machen. Wir mussten außerdem amerikanische Schauspieler casten, um die neue Welt von Dianes Figur mit Leben zu füllen.


DK: Stimmt. Der einzige französische Schauspieler ist Gilles Lellouche. Die amerikanischen Schauspieler, die bereit waren, uns in dieses Abenteuer zu folgen, waren vor allen Dingen von dem Universum überzeugt, das Fabienne geschaffen hatte. Die Frage, ob sie unter so ungewöhnlichen Umständen drehen wollten, stellte sich plötzlich nicht mehr, die Energie des Films war der einzige Motor. Lena Dunham, zum Beispiel, war so bewegt von BARFUSS AUF NACKTSCHNECKEN, dass sie sofort Teil des Abenteuers werden wollte.

 

Wie sind Sie auf den Schauspieler aus „The Walking Dead“ gekommen?


FB: Das war purer Zufall. In einem amerikanischen Supermarkt bin ich über die Titelseite eines Magazins gestolpert, auf der Norman Reedus zu sehen war. Ich kannte ihn nicht. „The Walking Dead“ habe ich nie gesehen. Aber auf den ersten Blick habe ich gewusst, dass er Diego ist. Wir haben uns über Skype verabredet und eine Stunde lang miteinander gesprochen. Ich habe ihm die Figur beschrieben: Ein Kriegsveteran, der mit einem Leguan in der Wüste lebt! Seine Antwort war: „Ich bin dabei…“


Und Laurene Landon, aus „Drive“ von Nicolas Winding Refn, die die unglaubliche Charlene darstellt?


FB: Ich war in Los Angeles, um einen Regieassistenten zu treffen, als ich am Ende der Unterhaltung seine Freundin, Laurene, ankommen sah… Da war alles klar! Vier Monate später hab ich sie wieder gesehen, um Proben mit ihr zu machen. Sie ist im Bunny-Kostüm gekommen und hat die Szene auf der Bank improvisiert. Sie hatte alles mitgebracht, das Ketchup, die Tasche, eine Zeitung.


DK: Laurene ist eine faszinierende Person, man hat das Gefühl, ihr schon mal in einem Amos Kollek Film begegnet zu sein. Ein fremder Körper, der an Kinoheldinnen der 50er Jahre erinnert. Sie verblüfft einfach!

 

Gilles Lellouche hat keine einfache Rolle.


DK: Gilles musste es schaffen, für diesen gewalttätigen Mann Mitleid zu erregen. Damit man seine tiefe Enttäuschung versteht, wenn die Frau, die er liebt, ihn zurückweist. An dem Morgen, an dem wir die Vergewaltigungsszene drehen mussten, waren Fabienne, Gilles und ich sehr unruhig. Wir hatten große Angst davor. Fabienne hatte die Szene in drei Teile aufgeteilt. Sie hatte einen Stuntman vorgesehen, der im Nachbarzimmer wartete, für den Moment, in dem sich Gilles mit seiner Ehefrau Romy schlägt. Die Szene beginnt, die Kameras laufen und wir haben an einem Stück gedreht. Diese Plansequenz haben wir nur drei Mal wiederholt. Und der Stuntman hat das Nachbarzimmer nie verlassen.


FB: Gilles ist ein fantastischer Schauspieler, der eine große Sensibilität und wahre Großzügigkeit besitzt. Ich bin ihm unendlich dankbar dafür, dass er die Rolle angenommen hat.


Wir waren die Dreharbeiten?


DK: Intensiv. Wir haben sechs Tage pro Woche gedreht, an unterschiedlichen Drehorten. Gleichzeitig hatten wir eine unglaubliche Freiheit. In den Vereinigten Staaten, wo Dreharbeiten stark reglementiert sind, hat Fabienne eine solche Energie versprüht, dass sich sämtliche Regeln in Luft aufgelöst haben.


FB: Meine Arbeit beruht auf Improvisation, dafür muss man immer einen Freiraum lassen. Die feine Grenze zwischen Fiktion und Dokumentarfilm zu durchbrechen ist für mich wirklich ein Triumph und sehr inspirierend.


SKY ist die Reise einer Frau.


FB: Es ist die Geschichte einer Frau, die sich für die Freiheit entscheidet. Sie lässt sich auf das Unbekannte ein. Sie lebt den Moment und folgt ihrem Instinkt. Sie hat keine Angst mehr.

 

Am Ende wird sie von einer indianischen Priesterin gesegnet.


FB: Q’orianka Kilcher (Die Pocahontas von Terrence Malick), die Missy spielt, hat mir ihre gesamte Familie vorgestellt, wir haben viel über ihre Darstellung im Film gesprochen. Die alte Sioux-Frau ist eine echte Priesterin, Wortführerin indianischer Gemeinschaften. Sie ist aus Sacramento gekommen und ist Hunderte Kilometer gelaufen, um uns beim Dreh zu treffen. Sie ist mit einem Blatt Salbei gekommen, um Romy/Diane zu segnen. Diese Segnungsszene ist echt und konnte nur einmal gedreht werden.

 


Der Film hat einen unverkennbaren Stil. Haben Sie irgendwelche Vorbilder?


FB: Ich bin auch Romanautorin und die amerikanische Literatur hat mich stark inspiriert, Harry Crews, Jim Thompson, Cormac McCarthy oder Jim Harrisson. Die verkrachten Existenzen, die Romy auf ihrem Weg trifft, die Menschen eines Amerikas der zwei Geschwindigkeiten, ich habe sie alle während meiner Recherchen getroffen. Wenn ich einen Film vorbereite, verwende ich viel Zeit darauf, zuzuhören, zu sammeln, die Leute so zu beobachten, als würde
ich einen Dokumentarfilm drehen. Und außerdem gibt es das Werk von Cassavetes, das mich zum Thema Freiheit stark inspiriert hat. Ohne mich auch nur eine Sekunde mit ihm vergleichen zu wollen, muss ich sagen: Diane ist meine Gena Rowlands.

 


Wer ist Romy?


FB: Die Figur von Romy repräsentiert einige dringliche und immer wiederkehrende Fragen. Warum verändert sich ein Mensch von einem Tag auf den anderen völlig? Warum macht er das durch? Wie kann man sich dazu entscheiden, alles hinter sich zu lassen? Es sind diese Wendepunkte, dieses Infragestellen, diese Brüche im Leben, die mich interessieren und inspirieren. Romy hat den Mut einfach zu gehen, ohne Berechnung, ohne irgendein klares Ziel vor Augen.


DK: Ich habe alle Drehbuchversionen gelesen. Das, was die Figur Romy von Beginn an ausgemacht hat, ist wie sie auf einmal alles aufgibt. Sie lässt alles hinter sich. Sie ist unglücklich und die Reise wird sie wiederaufbauen, sie aus der Asche aufsteigen lassen. Es ist die Selbstfindung einer Frau… und es ist genau diese intime Thematik, mit der sich Fabiennes Filme auseinandersetzen.


FB: Es ist genauso ein Film über eine Frau, die sich verliebt. Ich wollte über Liebe und Gefühle sprechen. SKY ist vor allem eine Liebesgeschichte. Eine Liebe ohne Zukunft, eine unkonventionelle, unerwartete Liebe…

 


Wie haben Sie als Schauspielerin die Figur von Romy erfasst?


DK: Diese Figur ist nicht zufällig zu mir gekommen. Ich bin davon überzeugt, dass ich bereit dazu war, die Gefühle von Romy zu verstehen und nachzuempfinden. Zu erfahren, dass eine verletzte Frau, die entscheidet, der Liebe in ihrem Leben keinen Platz mehr einzuräumen, sich entgegen aller Erwartungen Hals über Kopf verliebt. Das mag ich an der Figur! Ihre Stärke, ihre Schwäche, ihre Widersprüche. Komödie und Tragödie in einem Wimpernschlag. Ich mag die Filme von Fabienne, weil sie so schrecklich optimistisch sind und mich am Ende zu mir selbst führen. In BARFUSS AUF NACKTSCHNECKEN hat Fabienne in mir eine Härte hervorgeholt, die ich nur schwer zugeben konnte. In SKY sind es die Dinge die mir als sicher galten,
die auf die Probe gestellt werden. Die Rollen, die sie für mich schreibt, zwingen mich immer wieder dazu, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen.

 


Ist die wunderschöne Großaufnahme von Dianes geschminkten Augen, blau schimmernder Lidschatten, eine Hommage an Zulawskis „Nachtblende“?


FB: Als wir die Szene drehten, habe ich nicht an Zulawski gedacht, ich fand es einfach wunderschön, einen Lidschatten aufzunehmen, der in der Nacht schimmert. Jetzt, wo Sie es erwähnen, zweifellos, unbewusst.

 


Könnte man sagen, dass Diane Kruger der Antoine Doinel von Fabienne Berthaud ist?


FB: Ich weiß nicht. Vielleicht.. Wir sind wie ein Spiegel für den anderen.


DK: Wir entwickeln die Filme gern zusammen.

 

Es ist schon der zweite Film, den Sie mit Kamerafrau Nathalie Durand machen?


FB: Mit Nathalie arbeite ich auch so eng, Hand in Hand. Wir drehen mit zwei Kameras, sie weiß, wie sehr mich die Technik, all die Scheinwerfer, stören. Ich suche nach der geringsten technischen Einschränkung und ihr gelingt es, Wunder mit einer winzigen Lampe in der Ausstattung zu bewirken, aber ich muss zugeben, dass es eine große Demut braucht, um mit mir zu arbeiten.


Die Musik im Film reicht von Rover bis zu Nick Cave.


FB: Sie ähnelt dem Film, ist höchst empfindsam. Ich wollte eine Musik, die von Männern komponiert wurde, eine männliche Empfindsamkeit, vielleicht die Stimme von Diego. Drei Männer, Francois-Eudes Chanfrault, Rover und Nick Cave, der Engel des Films, drei menschliche Wesen, die auf ihre Weise wunderbar sind.

 


Wenn Sie SKY definieren müssten…


FB: Ein Roadmovie, in dem alles in Bewegung gesetzt wird?


DK: Ein romantisches Roadmovie?


FB: Eine Liebesgeschichte?