Die Frankfurter Goethe-Festwoche vom 8. bis 17. September 2016  steht auch im Zeichen des Stadtmarketing


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Goethe-Festwoche bietet ein reichhaltiges Kulturprogramm in den Sparten Lesung, Film, Musik, Theater und Performance. Als Tatsache kann gelten, dass Goethe sich mit den verschiedenen Sprach- und Kulturkreisen auseinandergesetzt hat und noch heute die internationale Rezeption seines Werks fortwährt. Die Mittlereigenschaften Goethes bieten ein immerwährendes Potential für Dialog.


Die in der nächsten Woche eröffnete Ausstellung „Von den ‚Rhein und Mayn Gegenden‘ zur Weltliteratur“ bietet an zentraler Stelle im Großen Hirschgraben der Stadt die Beschäftigung mit der von Goethe herausgegebenen Zeitschrift ‚Über Kunst und Altertum‘, „die erstmals vor 200 Jahren erschien und ein frühes transnationales Kulturverständnis des Dichters zeigt“.


Besonders Schauspiel und Film greifen die Brennpunkte des Humandramas auf, das sich transzeitlich abspielt und stellen es zur Diskussion mit der mythischen ‚Iphigenie‘ nach Euripides, aufgeführt als blutrünstige Familiengeschichte durch den Regieneuankömmling Ersan Mondtag am Schauspiel Frankfurt/Kammerspiel und als Goethesches Gegenmodell durch das Theater Willy Praml, das den Humanitätscharakter des Brennpunkt-Schauspiels herausarbeitet (Subtext: ‚Kann Humanität den Schrecken dieser Erde überwinden?‘).


Filmisch bietet das Festival die durch das Instituto Cervantes Frankfurt ins Programm erhobene ‚Clavigo‘-Filmvorführung, eine russische ‚Faust‘-Verfilmung sowie zwei ‚Werther‘-Filme aus französischer Produktion, jeweils im Deutschen Filmmuseum zu sehen.


Die Romanfabrik gibt unter dem Motto ‚West-östlicher-Divan 2016‘ einen deutsch-arabischen, mehrsprachigen Lyriksalon zum Lauschen und Hören mit fünf Dichterinnen und Dichtern sowie Kompositionen von Majd Salloom (auf der Oud). ‚Ausgehend vom lyrischen Dialog im „West-östlichen Divan“ versammelt studioNAXOS über drei Tage Arbeiten von verschiedenen Künstler*innen‘.  ‚Konzerte, Vorträge, Podiumsdiskussionen und zahlreiche Beiträge von hr2-kultur runden das Programm ab.‘  


Hinzu kommen Vor- bzw. Beiträge des Freien Deutschen Hochstifts/Frankfurter Goethe-Museum (‚Von den „Rhein und Mayn Gegenden“ zur Weltliteratur‘, ‚Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunklen Laub die Gold-Orangen glühn‘‚ ‚Hamlet und kein Ende‘, ‚Durch fremde Theilhabe wieder aufgefrischt.Goethe in der Welt‘, Podiumsdiskussion, u.a. mit Heinrich Detering. ‚Begegnungen: Die Rezeption Goethes in der Welt‘, ‚Goethes „Faust“ und seine Kompositionen‘/ein szenisches Konzert mit Commedia Nova) und des Hauses am Dom mit ‚Gott anerkennen – Goethe und die Weltreligionen‘, unter Teilnahme von Peter Härtling.


Das Hindemidt Kabinett im Kuhhirtenturm bietet ‚Resonanzen´, ein Gesprächskonzert mit Petra Luise Kämpfer (Klavier). Hierzu heißt es näher im Prospekt der Ankündigung: ‚Inspiriert durch die Lektüre der „Italienischen Reise“ Goethes begaben sich Felix Mendelssohn Bartholdy und später seine Schwester Fanny Hensel auf die Reise nach Italien, um der besonderen Atmosphäre vieler Städte nachzuspüren. Die vielfältigen Reiseeindrücke hielten sie in Kompositionen wie den Venezianischen Gondelliedern und in Klavierstücken wie „Villa Medicis“ oder „Serenata“ fest`. Auch Franz List komponierte ‚in Resonanz‘ auf die örtlichen Aufenthalte so manche Stücke und Werke sowie auch die ‚Petrarca-Sonette‘.

 


Goethes Internationalität erstand in Frankfurt


Die Direktorin des Frankfurter Goethehauses/Freies Deutsches Hochstift, Anna Bohnenkamp, erläuterte einen wesentlichen Aspekt der Vita Goethes. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Goethes transnationale Gesinnung der gefälligen Mitwirkung seiner Heimatstadt entspringt. Es geht nicht einfach nur um eine Betrachtung der Goethe-Rezeption im schlichteren Sinn, sondern um die Rezeption Goethes durch die weite, vielgestimmte Welt, der er zugewandt war, wie kaum ein anderer.


Schon zu Goethes Zeiten gab es in Frankfurt Sprachenvielfalt. Die deutsche Sprache saß noch nicht so fest. Französisch war Alltagssprache. Goethe hat 6 fremde Sprachen gelernt, 3 altsprachliche und 3 neusprachliche. Englisch war eher ungewöhnlich zu jener Zeit, die englischsprachige Lektüre von Shakespeare vermittelte ihm die Englischkenntnis. Eine internationale Prägung war ihm früh eigen. Den Begriff der Weltliteratur hat er in den literarischen Diskurs eingeführt.
Bedeutend war die Herausgabe des ersten Hefts der von ihm begonnenen Zeitschrift ‚Über Kunst und Altertum‘, die über eine Zeit von 15 Jahren währte. Die Zeitschrift beinhaltet eine Sammlung, die erst noch zu erschließen ist, da sie als weithin wenig bekannt gilt. Sie ist Teil der Ästhetischen Schriften (Bände 20-22, 1999) der Sämtlichen Werke.


Die Zeitschrift wurde zum Forum für Weltliteratur, verbindet damit aber keinen Kanon. Sie befördert den Kommunikationsprozess zwischen den Kulturen, Sprachen und Ländern. Goethe hat eine Öffnung ins Ferne und Fremde und Weite gewollt. Die damalige Situation ist vergleichbar mit der heutigen, in der wir eine übernationale Beschleunigung durchleben. Damals wie heute gab und gibt es den Trend zur Internationalisierung. Weltliteratur bedeutet: vorzügliche Höhe von Sprache und Form und Öffnung in die unterschiedlich grundgestimmten Weltkreise.


Das Kulturpolitische Gutachten des Freiherr vom Stein frug, wie mit Kulturschätzen umzugehen sei. Solle Zentralisierung überwiegen oder Dezentralität? Goethe wollte Föderalität. Etwas wie die Nazarener mochte er nicht, aber den gotischen Kölner Dom schon, trotz der alt-ekklesialen Verfasstheit des Personals, das dahinter lugt.


Er war offen für die durchaus zwiespältigen romantischen Ideen und die Streitigkeiten, die mit Reformation und Gegenreformation aufflammten. Novalis Spruch ´Die Welt muss romantisiert werden‘ war ihm zwar wohl etwas zu viel des Seltsamen, dennoch war ihm, dem Inbegriff der personifizierten Klassik, der romantische Impuls doch auch nicht fremd. Er war kein Gegner der Romantik, die den Heutigen näher ist als den Damaligen, während die Klassik ihre Magnetik verlor.


Obwohl die Klassik eine Epoche der Universalität war, die uns immer noch viel zu sagen hat, ist doch zu bedenken, dass die Goethezeit noch nicht das Stadium des Entwicklungsdenkens erreicht hatte, da diese Periode noch bevorstand. Die Romantik ist die offenere und versucherischere Gattung. Die Klassik besticht, weil sie so sehr aus dem inneren Streben zur Idealität des Gedankens und der Form lebt.

 

Foto: (c) Veranstalter

Info:
www.goethe-festwoche.de

http://www.goethehaus-frankfurt.de/ausstellungen_veranstaltungen/prospekt-veranstaltungen-2016.pdf