Goethes Zeitschrift ‘Ueber Kunst und Alterthum’ in einer  Ausstellung im Frankfurter Goethe-Haus/Freies Deutsches Hochstift ab 9. September

Felicitas Schubert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) -  Vor 200 Jahren erschien das erste Heft von Goethes Zeitschrift ‚Ueber Kunst und Alterthum’. Den Anstoß zu diesem einzigartigen Unternehmen hatte Goethe in den Jahren 1814 und 1815 bei seinen beiden Wiesbadener Kuraufenthalten und den sich anschließenden Besuchen in Frankfurt, im Rheingau, in Heidelberg (Sammlung Boisserée) und in Köln erhalten, wo er mit der katholischen Volksfrömmigkeit und der sog. altdeutschen – d.h. mittelalterlichen – Kunst in Berührung gekommen war.

Beide Erfahrungen führten zu einer allmählichen Erweiterung und Neuausrichtung seiner Ästhetik. Um seine Eindrücke einem größeren Kreis von Interessierten zugänglich zu machen, gründete er das in unregelmäßigen Abständen erscheinende Periodikum ‘Ueber Kunst und Alterthum in den Rhein und Mayn Gegenden’, das er im Verbund mit den Weimarer Kunstfreunden herausgab.


Schon bald aber gab Goethe die regionale Beschränkung auf, was sich in der Verkürzung des Titels zu ‘Ueber Kunst und Alterthum’ niederschlug. Er erweiterte den Fokus auf die gesamten deutschsprachigen Länder und bald auch auf ganz Europa, so dass das Blatt in den zwanziger Jahren zu einer europäischen Kulturzeitschrift wurde. Goethe betrachtete es als Medium eines nationenübergreifenden Ideenaustauschs und prägte darin den für sein Spätwerk charakteristischen und schließlich Richtung weisenden Begriff der ‘Weltliteratur’, der als Kennformel unbegrenzter globaler Kommunikation gedeutet werden kann.

 
Der programmatischen Öffnung korrespondiert die inhaltliche Vielfalt der Zeitschrift: Die darin enthaltenen Beiträge beschäftigen sich vor allem mit bildender Kunst (Malerei, Skulpturen und Architektur in den Beständen privater und öffentlicher Kunstsammlungen) und Literatur, aber auch mit Musik, Geschichte, Naturwissenschaft und Technik. Frappierend ist dabei die formale Vielfalt der Texte: Neben Essays und Reiseberichten finden sich Bildbeschreibungen und Rezensionen, die durch eigene ältere und aktuelle eigene Abhandlungen, Briefe, autobiographische Schriften sowie literarische Arbeiten wie Gedichte (‘Urworte Orphisch’) und Sprüche (‘Zahme Xenien’) ergänzt werden.



Da der Beiträgerkreis sehr klein blieb, hat ‘Ueber Kunst und Alterthum’ den Charakter eines exklusiven Privatorgans. Hier konnte Goethe unbeeinflusst von Aktualitätserfordernissen und ökonomischen Zwängen mit einem sehr überschaubaren, ihm zugetanen Kreis von Lesern kommunizieren, auf deren Meinungsäußerungen und Stellungnahmen er seinerseits wieder reagierte. Die einzelnen Lieferungen erschienen dabei in unregelmäßigen Abständen; waren drei Hefte erschienen, wurden sie zu einem Band zusammengefasst. Im Zeitraum zwischen 1816 und 1832 kamen so insgesamt sechs Bände zusammen. In der direkten Marktkonkurrenz mit anderen Blättern hätte sich eine solche Zeitschrift nie behaupten können, Goethes Verleger Cotta aber zeigte sich hier besonders großzügig und ermöglichte es seinem namhaftesten Autor, sie trotz der finanziellen Einbußen, die sie ihm bescherte, bis zu dessen Tod fortzusetzen.

 
‘Ueber Kunst und Alterthum’ ist das Zeitschriftenunternehmen, das Goethe bei weitem am längsten beschäftigt hat, ein bedeutendes und immer noch wenig bekanntes Alterswerk, das es zu entdecken gilt. Die Ausstellung, die gemeinsam mit der Goethe-Festwoche 2016 – deren Motto ‘Goethe International’ lautet –, eröffnet wird, will einer breiteren Öffentlichkeit vor Augen führen, in welchem Umfang Goethe publizistisch tätig war und im Rahmen eines einzigartigen periodischen Mediums das weit in die Zukunft weisende und für unsere Gegenwart unverändert aktuelle Konzept der ‘Weltliteratur’ entwickelt hat.

 

Einen Höhepunkt der Schau bildet das seinerzeit von Goethe selbst in Auftrag gegebene und für die Rochuskapelle in Bingen gestiftete Gemälde des Heiligen Rochus. Erstmals in seiner Geschichte wird es außerhalb seines Bestimmungsortes zu sehen sein – gemeinsam mit der eigenhändigen Vorzeichnung, die Goethe geliefert hat, und dem nach dem Gemälde angefertigten Umriss-Stich, der in ‚Ueber Kunst und Alterthum’ veröffentlicht wurde. So lässt sich der Werdegang des Motivs von der Planungsskizze bis zur endgültigen Ausführung in seiner ganzen medialen Vielfalt nachvollziehen.

 

Kuratiert wird die Schau von Prof. Dr. Hendrik Birus (Jacobs University Bremen), Prof. Dr. Anne Bohnenkamp-Renken (Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts) und Prof. Dr. Wolfgang Bunzel (Leiter der Brentano-Abteilung im FDH); unterstützt werden sie dabei von Dr. Mareike Hennig (Leiterin des Goethe-Hauses und der Kunstsammlungen). Als Begleitpublikation erscheint ein reich bebilderter Katalog im Umfang von 136 Seiten zum Preis von € 19,90.

 

 

Fotos:

Goethes Vorzeichnung zum Titelblatt - 1815-16



Info:

9. September bis 13. November 2016

Ausstellungseröffnung: Donnerstag, 8. September, 19 Uhr